MFG-Chef will in die Hofburg
Impfskeptiker will sich mit Van der Bellen duellieren
Wien – Alexander Van der Bellen bekam am Montag neue Konkurrenz: Der Chef der impfskeptischen Partei MFG (Menschen, Freiheit, Grundrechte), Michael Brunner, will nicht nur an der Bundespräsidentschaftswahl am 9. Oktober teilnehmen. Vielmehr laute das Ziel, in die Stichwahl zu kommen, um sich mit Amtsinhaber Van der Bellen duellieren zu können, wie er vor Journalistinnen bekanntgab. Denn dann sei „vieles, wenn nicht alles offen“, vermutet Brunner.
Das Hauptthema des MFG-Chefs werde der Kampf gegen jegliche Corona-Maßnahmen bleiben. Diese will der Rechtsanwalt gänzlich aufheben, ja sogar die gesamte Bundesregierung entlassen. Denn TürkisGrün habe mehr als 100 Verfassungsbrüche begangen und sei daher „nicht mehr tragfähig für dieses Land“, findet Brunner. „Ich werde, wenn ich gewählt werde, ein Anwalt des Volkes sein“, sagte der Rechtsanwalt. Auch mit Attacken gegen Van der Bellen sparte Brunner nicht. Dieser sei ein Schweigepräsident, nicht nur wegen der Corona-Maßnahmen. Die ihn unterstützenden Grünen seien zudem längst keine pazifistische Bewegung mehr, kritisierte Brunner mit Blick auf Österreichs Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Um anzutreten, muss er jedoch erst 6000 Unterschriften sammeln. Daran arbeiten auch andere: Neben Van der Bellen kündigten unter anderen auch Dominik Wlazny (besser bekannt als Marco Pogo) und der ehemalige BZÖ-Funktionär Gerald Grosz ihr Antreten an. Auch die FPÖ kündigte an, einen Kandidaten oder eine Kandidatin ins Rennen um die Hofburg zu schicken.
ÖVP, SPÖ und Neos hingegen gaben nach Van der Bellens Wiederkandidatur an, auf eigene Kandidaturen verzichten. Die Grünen unterstützen den Amtsinhaber auch finanziell.
Bis zum Beginn der Pandemie war Michael Brunner vor allem eines: ein Wiener Rechtsanwalt mit Kanzlei in bester Innenstadtlage, spezialisiert unter anderem auf Miet- und Baurecht. Mit der Ausbreitung des Coronavirus packte den Juristen aber offenkundig noch ein anderes Virus – nämlich jenes der Politik. Nachdem er gemeinsam mit Kollegen die „Rechtsanwälte für Grundrechte“gegründet hatte, die sich fortan kritisch mit den CoronaMaßnahmen der Bundesregierung auseinandersetzen, wagte er im Februar 2021 den ersten Schritt in die Politik: Er gründete die impfkritische Partei MFG, deren Vorsitzender er seither ist.
Am Montag verkündete der streitbare 61-Jährige die nächste Etappe auf dem Weg seiner vergleichsweise spät entdeckten politischen Ambitionen: Er gab seine Kandidatur für die Bundespräsidentenwahl am 9. Oktober bekannt. Eine Hürde bis zum tatsächlichen Antritt gilt es für Brunner freilich noch zu nehmen: das Sammeln der 6000 Unterstützungserklärungen, die nötig sind, um letztlich auf dem Wahlzettel zu stehen.
Bei seiner Pressekonferenz erklärte Brunner es zu seinem Ziel, Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in eine Stichwahl zu zwingen. Dort hätte er eine Chance auf den Sieg. Inhaltlich bleibt er seiner Linie treu: Als Bundespräsident würde er die Regierung entlassen und die Aufhebung aller CoronaMaßnahmen erzwingen.
Aber nicht nur die Corona-Politik, auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bewegt den streitlustigen Anwalt offenkundig – vor allem die österreichische Position in diesem Konflikt: Er fordert strikte Neutralität und lehnt jede politische Parteinahme für die Ukraine ab. Den mitregierenden Grünen warf er vor, sie seien keine pazifistische Bewegung mehr. Die Waffenlieferungen aus Europa bezeichnete er als „Kriegshetze“.
Privat ist der Sohn eines Trafikanten und einer Hausfrau Opernliebhaber und verheirateter Vater einer erwachsenen Tochter. Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass Brunner tatsächlich in die Hofburg einzieht und dort die im Parlament beschlossenen Gesetze mit seiner Unterschrift absegnet, müsste man sich übrigens möglicherweise Sorgen um seine Schlafqualität machen. Jedenfalls legt das ein Zitat des einstigen deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck nahe, das er auf die Website seiner Kanzlei hat stellen lassen: „Wer weiß, wie Gesetze und Würste zustande kommen, kann nachts nicht mehr schlafen.“