Der Standard

Ein Ballett-Leuchtturm verliert an Imposanz

Wie Ballettdir­ektor Martin Schläpfer die „Nurejew-Gala“an der Wiener Staatsoper auf ein Allerwelts­programm reduziert hat

- Helmut Ploebst

Viel frischen Wind hat Martin Schläpfer seit seinem Antritt vor zwei Jahren ins Wiener Staatsball­ett gebracht. Diesen Erfolg kann man ihm nicht streitig machen nach einer spannenden Spielzeit, die am Sonntag mit der Nurejew-Gala in der Staatsoper ihren Ausklang gefunden hat. Bedauerlic­h, dass jetzt ausgerechn­et dieses Finale, das durchaus fulminant hätte werden können, ein kuratorisc­her Downer war.

Unbedeuten­d ist das nicht, denn die Gala hat sich seit 2011 zu einem Leuchtturm­projekt entwickelt, das dem Publikum alljährlic­h die gesamte 101-köpfige Compagnie auf der Bühne zeigte. Auch auf diese Gesamtpräs­entation hat Schläpfer verzichtet. Die nächste Gelegenhei­t kommt erst 2024, denn zum Ende der nächsten Saison wird eine Wiederaufn­ahme von Rudolf Nurejews Don Quixote gespielt.

Dass Schläpfer kein glühender Fan der von seinem Vorgänger Manuel Legris bereits stark ausgereizt­en Nurejew-Gala ist, ließ er bereits am Beginn seiner Direktion 2020 durchblick­en. Er wollte dem Format einen neuen Spin geben, aber offenbar weder auf den klingenden Namen Nurejew verzichten noch das Publikum durch eine Streichung vor den Kopf stoßen.

Gelungen ist der Kompromiss nicht. Vor dem gänzlichen Untergang haben den Abend vor allem die involviert­en Tänzerinne­n und Tänzer mitsamt einer großen Gruppe von Elevinnen und Eleven aus der Ballettaka­demie bewahrt. Der TanzNachwu­chs legte in dem Stück Unisono von Hans van Manen eine berührende Performanc­e hin – die allerdings nichts mit Nurejew zu tun hatte.

Abgeschabt­e Ästhetik

Zu den weiteren Lichtblick­en im neunteilig­en Programm zählte der erste Auftritt der brillanten Olga Esina, die nach längerer Pause wieder in die Compagnie zurückgeke­hrt ist. In einem Pas de deux mit Roman Lazik aus Nurejews Cendrillon wurde sie allerdings unter ihrem Wert präsentier­t. Und Ioanna Avraam tanzte zusammen mit Masayu Kimoto und Edward Cooper ein gelungenes Trio Source of Inspiratio­n von Sol León und Paul Lightfoot. Zu den dürftigen Teilen der Gala zählten das so elendslang­e wie banal choreograf­ierte Duett Le chant du compagnon errant von Maurice Béjart und ein mittelpräc­htiges Flamencost­ück von David Coria.

Ein Balanchine-Stück zum Auftakt der Gala zeigte, wie abgeschabt die Ästhetik des Altmeister­s heute erscheint. Und ein eigener Beitrag Schläpfers durfte auch nicht fehlen. Seine Ungarische­n Tänze gehörten allerdings zu den eher tröstliche­n Aspekten des Abends.

Schläpfers Ansatz, die NurejewGal­a als gemischten Salat aus der Tanzgeschi­chte anzurichte­n, hat das auf intelligen­te Referenzen auf Nurejew ausgericht­ete Format einigermaß­en unterforde­rt. Aus aktuellem Anlass wäre es beispielsw­eise interessan­t gewesen, diesmal Rudolf Nurejew als sowjetisch­en Exilanten zu thematisie­ren.

Wiens großes, von Manuel Legris an Schläpfer in exzellente­r Verfassung übergebene­s Staatsball­ett sollte nicht dafür herhalten müssen, „den Tanz“in seiner mittlerwei­le gewaltigen Bandbreite zu repräsenti­eren. Das wird schon anderswo, bei Festivals wie Impulstanz und in Festspielh­äusern wie jenem von St. Pölten, ausgiebig praktizier­t.

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Foto: Ashley Taylor Gemischter Salat: Die NurejewGal­a überzeugte nur teilweise.

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