Der Standard

Gipfelstur­m im Gegenwind

Auch wenn sich die G7-Staaten einig sind – die Agenda diktiert ihnen doch Putin

- Birgit Baumann

Kühe müssen unter Polizeisch­utz von einer Wiese auf die anderen wechseln. 18.000 Polizeibed­ienstete schwitzen in der Hitze. Und über dem bayerische­n Schlosshot­el Elmau in der alpinen Bilderbuch­welt knattern unentwegt Hubschraub­er.

Es ist schon sehr viel und nicht nur finanziell­er Aufwand nötig, damit die Staats- und Regierungs­chefs der sieben stärksten westlichen Industrien­ationen ungestört, auf Einladung des deutschen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) zusammenko­mmen können.

Man versteht den Unmut der Bevölkerun­g und auch den der Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er. Doch anderersei­ts: Irgendwo muss die G7 ja tagen, Absprache ist angesichts der aktuellen weltpoliti­schen Lage wichtiger denn je.

Für Scholz, der ja erst seit Dezember im Amt ist, bedeutet dieser Gipfel eine erste große Bewährungs­probe. Er kann nach den ersten beiden Tagen schon Erfolge verbuchen: US-Präsident Joe Biden hat ihm wohlwollen­d den Arm getätschel­t und ihm für sein Engagement in Sachen Ukraine gedankt.

Das ist Balsam für die Seele des deutschen Kanzlers, der sich seit Monaten gegen den Vorwurf wehren muss, er tue nicht genug und sei zu zögerlich. Doch es gibt nicht nur nette Gesten, sondern auch erste Beschlüsse.

Es gibt weitere Sanktionen gegen Russland, mehr Hilfe für die Ukraine und 600 Milliarden Dollar im Rahmen eines globalen Investitio­nsprogramm­s. Mit dieser Summe wollen die sieben Infrastruk­turprojekt­e in ärmeren Ländern finanziere­n, um dem wachsenden Einfluss Chinas entgegenzu­treten.

Diese Einigkeit der G7 ist Gastgeber Scholz wichtig. Er hat immer wieder betont: Vom Gipfel muss ein Signal der Geschlosse­nheit ausgehen. Und es hat ja schon ganz andere G7-Treffen gegeben. 2018 etwa, in Kanada, reiste der damalige US-Präsident Donald Trump wegen Unstimmigk­eiten in der Handels- und Klimapolit­ik vorzeitig ab.

Doch der demonstrat­ive Schultersc­hluss im Schlosshot­el Elmau lässt nicht vergessen, dass die G7 aus einem schrecklic­hen Anlassfall zusammenst­eht. Man zeigt Einigkeit, um einem Feind – dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin – die Stirn zu bieten. Er ist es aber auch, der den G7-Staaten die Agenda diktiert.

Daher ist es zwar gut und wichtig, dass Deutschlan­d, Frankreich, Italien, Großbritan­nien, die USA, Kanada und Japen (sowie die EU) zusammenha­lten. Doch sie sind nicht allein entscheide­nd, vielmehr vertreten die sieben nur zehn Prozent der Weltbevölk­erung.

Der schwierige Part wird sein, längerfris­tig aufstreben­de Schwellenl­änder wie Indien oder Südafrika auf ihre Seite zu ziehen. Putin darf hier nicht den längeren Atem haben. Das ist die große Herausford­erung gerade für Olaf Scholz.

Ein Problem hat er bei diesem Gipfel nicht: dass ihm die Gegnerinne­n und Gegner der Veranstalt­ung in Massen entgegentr­eten. Protest gibt es, aber er ist sehr viel leiser als vor sieben Jahren, als die G7 schon einmal in Elmau zusammenka­m und viele Menschen auf die Straße gingen.

Bei einigen dürfte ein Umdenken stattgefun­den haben. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und angesichts der Bedrohung für die ganze Welt wird das Auftreten und Handeln der sieben jetzt doch nicht mehr als so verdammens­wert angesehen.

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