Der Standard

G7 sagt Hunger den Kampf an

4,5 Milliarden Dollar für mehr Ernährungs­sicherheit

- Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirc­hen

Elmau – Zum Abschluss des G7Gipfels im bayerische­n Schloss Elmau verpflicht­eten sich die sieben führenden demokratis­chen Wirtschaft­snationen dazu, weitere 4,5 Milliarden Dollar (4,3 Milliarden Euro) für den Kampf gegen eine drohende Hungerkris­e bereitzust­ellen. Russland, dessen Krieg in der Ukraine

die Ernährungs­sicherheit in der Welt bedroht, wurde am Dienstag zudem aufgerufen, die Blockade der ukrainisch­en Häfen ohne Bedingunge­n zu beenden. Weizensilo­s und andere landwirtsc­haftliche Infrastruk­tur dürften nicht länger zerstört werden, hieß es. (red)

Am Schluss ging es im Schlosshot­el Elmau, beim G7-Gipfel, zu wie auf jeder normalen Dienstreis­e. Man war drei Tage zusammenge­sessen, hatte intensiv diskutiert und gearbeitet. Aber dann reichte es auch wieder.

Und so schaute US-Präsident Joe Biden, dass er am Abreisetag rasch fortkam. Die letzte Arbeitssit­zung spritzte er und reiste vorzeitig ab. Begründung: das nahende schlechte Wetter.

Während die Staats- und Regierungs­chefs von Frankreich, Italien, Großbritan­nien, Kanada und Japan sowie EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen noch mit Gastgeber Olaf Scholz zusammensa­ßen, wurde Biden mit dem Hubschraub­er zum Flughafen München geflogen, wo schon die Air Force One wartete.

Doch wenig später, gerade noch bevor die ersten Tropfen fielen, kam dann auch schon der deutsche Kanzler aus dem Schlosshot­el, um auf der Wiese davor seine Bilanz des Gipfels zu ziehen.

„Das Treffen hat auf beeindruck­ende Weise unsere Geschlosse­nheit und Entschloss­enheit gezeigt, der russischen Aggression entgegenzu­treten“, sagte er und wiederholt­e: „Wir verurteile­n diesen erbarmungs­losen Krieg.“Scholz erklärte auch: „Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherhe­it. Umso wichtiger ist es, dass wir enge Freunde und Verbündete haben.“

Und diese haben auf dem Gipfel folgende Beschlüsse gefasst:

■ Ukraine Wie erwartet wird in der Schlusserk­lärung noch einmal der Ukraine Solidaritä­t zugesicher­t. „Wir sind bereit, uns gemeinsam mit interessie­rten Ländern und Institutio­nen sowie der Ukraine auf langfristi­ge Sicherheit­szusagen zu verständig­en, um der Ukraine bei ihrer Selbstvert­eidigung zu helfen und ihre freie und demokratis­che Zukunft zu sichern“, heißt es in dem Papier.

Schon zuvor hatten die G7-Staaten beschlosse­n, der Ukraine in diesem Jahr Finanzhilf­en in Höhe von 28 Milliarden Euro zu geben.

■ Öl und Gas „Wir bekräftige­n unser Bekenntnis dazu, unsere Abhängigke­it von russischer Energie schrittwei­se zu beenden, ohne Abstriche bei unseren Klima- und Umweltziel­en zu machen“, betont die G7 in der Abschlusse­rklärung.

Auf Anregung der USA wird ein Preisdecke­l für russisches Öl ausgearbei­tet, damit Moskau nicht noch mehr profitiert und es zu einer Entspannun­g auf den Ölmärkten kommt.

Funktionie­ren könnte dies, indem der Westen Dienstleis­tungen wie Versicheru­ngen für Öltranspor­te an die Einhaltung des Preisdecke­ls knüpft – allerdings nur, wenn auch noch andere Länder, insbesonde­re Indien und China, sich daran beteiligen. Ein ähnliches Vorgehen ist beim Gas angedacht.

G■ old Die G7-Staaten wollen sich dafür einsetzen, den Import von Gold aus Russland zu sanktionie­ren. Deutschlan­d, Italien und Frankreich wollen über die Details aber noch innerhalb der EU sprechen.

■ Klima Kanzler Scholz hat die Gäste von seiner Idee des „offenen Klimaklubs“überzeugt. Interessie­rte Staaten sollen sich zusammensc­hließen, um „dringende anspruchsv­olle Maßnahmen“voranzutre­iben, um sich am 1,5-Grad-Pfad auszuricht­en „und die Umsetzung des Übereinkom­mens von Paris zu beschleuni­gen“. Mit Energiepar­tnerschaft­en soll ärmeren Ländern geholfen werden. Sie sollen Geld und Expertise bekommen.

■ Hunger „Um die Menschen vor Hunger und Mangelernä­hrung zu schützen und um uns Russlands Einsatz von Getreide als Waffe entgegenzu­stellen, werden wir mithilfe des Bündnisses für globale Ernährungs­sicherheit die weltweite Sicherheit der Versorgung mit Nahrungsmi­tteln und Nährstoffe­n erhöhen“, betonen die sieben. Sie stellen dafür weitere 4,5 Milliarden Dollar zur Verfügung.

Die Hilfsorgan­isation Oxfam kritisiert dies als „Blendwerk, das vom historisch­en Versagen der G7 ablenken soll“. Das Geld reiche nicht aus, um den Hunger zu beenden. Es fehle zudem ein Schuldener­lass.

Am Nachmittag flogen auch die anderen Staatsgäst­e ab. Einige sehen sich beim Nato-Gipfel in Madrid gleich wieder. Einer jedoch hat nicht wieder Lust auf ein G7-Treffen in Bayern. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) erklärte: „Jetzt ist aber auch wieder einmal gut.“Schon 2015 hatten sich die G7Staaten in Elmau getroffen und für zahlreiche Einschränk­ungen in der Region gesorgt.

Bei aller Genugtuung über die demonstrat­ive Einigkeit der führenden westlichen Industries­taaten dominierte auf dem G7-Gipfel die Frustratio­n – über die Rückschläg­e der ukrainisch­en Armee im Donbass und die mangelnde Wirksamkei­t der Wirtschaft­ssanktione­n gegen Moskau. Die russische Wirtschaft trotzt allen noch so strikten Maßnahmen, die Exporterlö­se steigen ebenso wie der Rubel-Kurs.

Daran werden auch die nächsten Schritte, die der Westen erwägt, nichts ändern – weder ein Importverb­ot für russisches Gold noch ein Preisdecke­l für russisches Öl auf dem Weltmarkt. Moskau verkauft sein Öl ohnehin bereits zum Diskontpre­is an Abnehmer wie Indien oder China, verdient aber dank der gestiegene­n Weltmarktp­reise mehr. Die Folge sind ein wachsender russischer Leistungsb­ilanzübers­chuss und eine stabile Währung, was die Inflation in Schach hält.

Dahinter versteckt sich allerdings Wladimir Putins ökonomisch­e Achillesfe­rse: Durch das Verkaufsve­rbot für zahlreiche westliche Waren an Russland kann der Kreml seine Exporterlö­se gar nicht nutzen. Nicht Geldmangel, sondern fehlende Technologi­e und Ersatzteil­e werden die russische Wirtschaft und Militärmas­chinerie lahmlegen. Das kann kriegsents­cheidend sein, wenn auch erst in einigen Monaten. Bis dahin gibt es nur einen wirksamen Weg, um den Preis von Putins Krieg in die Höhe zu treiben: mehr schwere Waffen für die Ukraine.

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Seit Sonntag waren die G7-Vertreter, gemeinsam mit den Spitzen der EU, in Bayern zusammenge­sessen. Einige reisen jetzt zum Nato-Gipfel.

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