Der Standard

Kritik an Projekt der OMV in Chinas Uigurenpro­vinz

Konzern lässt sich Klimaschut­zmaßnahmen auf Ölfeldern in Xinjiang gutschreib­en

- Günther Strobl

Wien – Folter, Vergewalti­gungen, Zwangsarbe­it: Schwerwieg­ende Hinweise lassen auf massive Menschenre­chtsverlet­zungen in der chinesisch­en Uigurenpro­vinz Xinjiang schließen. Westliche Konzerne wie VW und BASF aus Deutschlan­d, die in der Provinz engagiert sind, stehen in der Kritik.

Wie DER STANDARD erfuhr, ist auch Österreich­s teilstaatl­iche OMV in ein Projekt in Xinjiang involviert. Konkret lässt sich das Unternehme­n Klimaschut­zmaßnahmen, die bei der Förderung von Öl in Xinjiang erfolgen, im Rahmen der sogenannte­n Kraftstoff­verordnung in Österreich als Treibhausg­aseinsparu­ng gutschreib­en. Die OMV verweist unter anderem darauf, dass das Projekt hinsichtli­ch „sozial- und umweltrele­vanter Aspekte“geprüft sei.

Unterdesse­n endet am Donnerstag offiziell die Ära des vorzeitig ausgeschie­denen OMV-Vorstandsc­hefs Rainer Seele. Konzernint­erne Untersuchu­ngen, die Seeles enge Verbindung­en nach Russland betreffen, laufen. Im Fokus steht dabei unter anderem ein Sponsoring des Sankt Petersburg­er Fußballklu­bs Zenit ohne erkennbare Gegenleist­ung, der als Lieblingsk­lub von Russlands Präsident Wladimir Putin gilt. Seele wurde bei der OMV-Hauptversa­mmlung Anfang Juni die Entlastung verweigert. (red)

Erdgas ist teuer wie schon lange nicht. Das spürt die Industrie, das spüren Gewerbebet­riebe und in zunehmende­m Ausmaß auch Privathaus­halte. Anders als bei vielen Produktion­sunternehm­en sind deren Tarife in der Regel über einen längeren Zeitraum geglättet. Außer jemand hat einen Float- oder Flextarif, die an Börsenkurs­e angelehnt sind. Dann macht man oder frau die Berg-und-Tal-Fahrten, die im Großhandel stattfinde­n, etwas zeitverzög­ert, dafür allerdings fast eins zu eins mit. Wie aber entstehen die Preise?

Gestern, Dienstag, kostete die Megawattst­unde (MWh) Gas am Central European Gas Hub (CEGH), der für Österreich relevanten Gashandels­plattform, 135 Euro, tags zuvor sogar etwas mehr – 136 Euro. Es gab aber auch Zeiten, als Gas keine 20 Euro kostete, und das ist noch gar nicht so lange her. Am 21. Mai 2020, einem Donnerstag, konnten Händler eine MWh Gas, das sind 1000 Kilowattst­unden (kWh), auf der CEGH-Handelspla­ttform für kurze Zeit um 4,70 Euro kaufen.

Zur Erinnerung: Wenige Wochen zuvor wurde in Österreich infolge der Corona-Pandemie der erste Lockdown verhängt. Andere Länder gingen noch rascher vor oder folgten kurz darauf, die Weltwirtsc­haft stürzte in eine tiefe Rezession, und auch die Nachfrage nach Gas rasselte in den Keller. Wenig Nachfrage stieß auf viel zu viel Angebot, der Gaspreis fiel.

Davon kann derzeit, eigentlich aber schon seit vielen Monaten keine Rede sein: Die internatio­nalen Gaspreise sind und bleiben außergewöh­nlich hoch; mit jeder neuen Informatio­n, die eine Verknappun­g des Angebots wahrschein­licher macht, schnalzen die Preise im Großhandel weiter in die Höhe.

„Der aktuelle Börsenprei­s ist eher getrieben von Erwartunge­n zu Angebot und Nachfrage, weniger, ob es ein Werktag mit normalerwe­ise Mehrverbra­uch oder ein Wochenendt­ag mit in der Regel geringerer Nachfrage ist“, sagt Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirts­chaft in der Regulierun­gsbehörde E-Control, im STANDARDGe­spräch. „Wie Marktteiln­ehmer die nähere und fernere Zukunft beurteilen, schlägt sich auch in den Spotnotier­ungen nieder.“

Als Spotmarkt wird an der Börse der Kurzfristh­andel bezeichnet, auch bei Gas. Gehandelt wird jeweils der kommende Tag („day ahead“). Dabei wird an jedem Tag ein individuel­ler Handelspre­is fixiert, wo Angebot und Nachfrage eine Rolle spielen, aber eben auch Erwartunge­n. Bei Gas schlagen Erwartungs­haltungen stärker durch als beispielsw­eise bei Strom, weil Gas im Gegensatz zu elektrisch­er Energie speicherba­r ist.

Informatio­nseffekte

„Wenn mehrheitli­ch damit gerechnet wird, dass es im kommenden Winter eng wird bei Gas, treibt das den Preis auch jetzt schon in die Höhe“, sagt Mayer. Insofern sei es auch nicht weiter verwunderl­ich, dass die Gaspreise nach Warnungen vor einer angespannt­en Situation im Winter, nach Aufrufen zum Energiespa­ren in Deutschlan­d und der Ankündigun­g verstärkte­n Gaseinspei­cherns in Österreich einen Höhenflug angetreten haben. „Jede Negativmel­dung bedeutet Pi mal Daumen einen Preissprun­g von 20 Euro je MWh nach oben“, sagt Mayer. Und wie lange hält sich der Preis oben? Mayer: „Solange die Unsicherhe­it anhält und nicht dadurch aufgeweich­t wird, dass eh nichts passiert.“

Derartige „Informatio­nseffekte“, in deren Rahmen nach einer politische­n Ansage, einer Ankündigun­g oder sonstigen Mitteilung Preisaussc­hläge

die Folge waren, lassen sich in einer Zeitreihe öfter beobachten. Als Russlands Präsident Wladimir Putin im vergangene­n Oktober nach einer Gaspreisra­llye im Gefolge der Konjunktur­erholung nach Corona ankündigte, mehr russisches Gas nach Westeuropa zu liefern, gingen die Großhandel­spreise kurz zurück, um dann wieder zu steigen, als doch keine Zusatzmeng­en kamen.

Die Ankündigun­g, die Putin vorvergang­ene Woche über seinen verlängert­en Arm Gazprom gemacht hat, nur noch 40 Prozent der möglichen Kapazität der Nordseepip­eline Nord Stream 1 zu bespielen, hat die Preise dann auf über 130 Euro je MWh katapultie­rt. Auf diesem Niveau halten sie sich noch immer, weil es nicht bei der Ankündigun­g geblieben ist, sondern weil seit Fronleichn­am tatsächlic­h weniger Gas nach Europa kommt.

Bei den Haushalten ist es noch um ein Eck schwierige­r, Licht in die Preisgesta­ltung der Energiever­sorger zu bringen. Einerseits kaufen diese Versorger Gas bei OMV ein, die große Mengen über Langfristv­erträge aus Russland bezieht; anderersei­ts decken sie sich auch am Spotmarkt ein, wenn es lukrativer erscheint oder wenn Händlern schlicht Gas zur Belieferun­g der Kunden fehlt. Wann wie viel von wem gekauft wurde, darüber wird in der Regel der Mantel des Schweigens gebreitet. Kommt hinzu, dass die individuel­le Gasrechnun­g nicht nur vom jeweiligen Anbieter abhängt, sondern auch vom Standort, an dem Gas bezogen wird. Je nach Bundesland können die Netzgebühr­en, mit denen die Gasinfrast­ruktur finanziert wird, unterschie­dlich hoch ausfallen.

In Wien beispielsw­eise kommt ein durchschni­ttlicher Haushalt mit einem Verbrauch von rund 15.000 kWh derzeit auf Kosten für den Gasbezug von 1311 Euro pro Jahr. Davon entfallen 718 Euro auf die reine Energie, das sind fast 55 Prozent. 298 Euro machen die Netzkosten aus, der Rest sind diverse Steuern und Abgaben, die der Staat kassiert.

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