Landärztin schließt nach Morddrohungen Ordination
Mit Kellermayr verlieren Tausende ihre Hausärztin – sie kann die Sicherheitskosten nicht mehr tragen
Lisa-Maria Kellermayr, die in Seewalchen am Attersee für tausende Patientinnen und Patienten der Gegend als Hausärztin fungiert, verkündete Montagnacht via Twitter die Schließung ihrer Ordination. Kellermayr, die während der der Corona-Pandemie durch TVAuftritte und Interviews bekannt wurde, begründet die Entscheidung damit, dass sie „in unregelmäßigen Abständen Morddrohungen aus der Covid-Maßnahmen-Gegnerund Impfgegner-Szene“erhalte.
Dem STANDARD erzählt sie am Dienstag, dass sie durch Sicherheitsmaßnahmen wie einen privaten Security-Mann, Alarmanlagen, Bewegungsmelder, Sicherheitstüren, Pfeffersprays für ihr Team und ein Panikknopfsystem 100.000 Euro ausgegeben habe. „Ich habe sieben Monate gekämpft, ich weiß nicht, was ich noch tun soll“, sagt die Ärztin, die „alle im Parlament vertretenen Parteien, die Polizei und die Ärztekammer alarmiert“habe. Doch nur von Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober und dem Direktor der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, Omar Haijawi-Pirchner, würde sie sich ernst genommen fühlen. „Ich bin nervlich am Ende, mir droht die Zahlungsunfähigkeit“, so Kellermayr. Bedroht wurde sie u. a. mit Nachrichten über ein „Massaker“in ihrer Ordination und der in grausamen Details geschilderten Ermordung ihres gesamten Teams. Was sie brauche, sei Personenschutz durch die Polizei, so Kellermayr. Oberösterreichs Polizeisprecher David Furtner betont, dass man die Ärztin „sicherheitspolizeilich betreue“, sich aber bundesweit die Bedrohungslage beruhigt habe und keine neueren Drohungen bekannt seien. Der Verfassungsschutz habe ermittelt, doch in einem Fall sei man technisch an Grenzen gestoßen, da dieser „aus dem Darknet“kam. In einem anderen Fall habe die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Anonyme Schreiber wollten „Opfer vor allem in Furcht und Unruhe versetzen“, so Furtner, Auftritte der Ärztin in Medien seien kontraproduktiv.
Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser verweist auf die Notstandshilfe durch die Kammer für nicht selbstverschuldete Notlagen, es liege aber noch kein Ansuchen vor. „Ich sehe ein, dass man sich wehren muss, aber es ist eine andere Frage, ob man sich bei jedem Thema auf Twitter exzessiv zu Wort melden muss“, so Niedermoser, „manchmal ist es besser, man zieht sich zurück.“
Mitten in einer der größten medizischen Versorgungskrisen des Landes schließt eine Landärztin in Oberösterreich ihre Ordination. Weil sie sich nicht mehr sicher fühlt. Die 36-jährige Allgemeinmedizinerin wurde bekannt, weil sie sich in der Corona-Pandemie kein Blatt vor den Mund nahm. Weder, als es anfangs um die Vermeidung schwerer Verläufe durch Asthmasprays ging, noch, als sie Impfungen empfahl oder die Corona-Politik der Regierung kritisierte.
Selbstbewusst und bodenständig sagte die resolute Frau von der medizinischen Front ihre Meinung. In diversen TVStudios war sie bald ein gerngesehener Gast. Das konnte nicht lange gutgehen. Aus der Szene der Corona-Maßnahmen-Gegner und Impfgegner bekam die Frau mehrmals Morddrohungen, in denen detailreich geschildert wurde, wie man sie quälen und töten wolle. Von ihr organisierte Sicherheitsmaßnahmen kosteten sie ein kleines Vermögen. Jetzt sperrt sie zu.
Man kann über die richtige Reaktion auf Drohungen geteilter Meinung sein. Seitens Polizei und Ärztekammer hört man nun, es sei nicht klug gewesen, sich weiter öffentlich zu Wort zu melden. Auch wenn es Menschen mit Gewaltfantasien triggert, wenn ihre weiblichen Opfer nicht verstummen, kann Mundhalten keine Lösung sein. Stattdessen sollten auch Gesundheitsund Innenminister öffentlich Kante zeigen, sich mit der Ärztin solidarisieren – oder zumindest jenen, die anderen mit dem Tod drohen, ausrichten, den Mund zu halten.