Zahlungsunfähig, aber nicht pleite
Russland kann ausstehende Zinsen an Investoren nicht auszahlen. Moody’s erklärte damit einen Zahlungsausfall. Schuld daran seien die Sanktionen, sagt Russland. Eine Staatspleite gibt es aber nicht.
Die Ratingagentur Moody’s hat am Dienstag offiziell den Zahlungsausfall Russlands festgestellt. Mehrere Investoren aus Taiwan beklagen, keine Zinszahlungen für ihre russischen Staatsanleihen erhalten zu haben. Es geht um die Zinsen für zwei Fremdwährungsanleihen, um 29 Millionen Euro für die eine und um 71 Millionen US-Dollar für die andere. Die Anleihen selbst laufen noch länger, das Euro-Papier bis 2036, die Dollar-Anleihe bis 2026.
Russland gilt damit als zahlungsunfähig. Aber ist das Land damit auch pleite? Ganz und gar nicht. Der russische Staatsfonds, quasi die Finanzreserve des Landes, gespeist aus den Öl- und Gaseinnahmen, ist mit fast 200 Milliarden US-Dollar prall gefüllt. Hinzu kommen die teilweise eingefrorenen Devisenreserven der russische Zentralbank, knapp 600 Milliarden Dollar.
Russland hat also Geld und will auch seine Schulden zahlen. Nur geht das nicht wegen der Sanktionen. Man habe die Zahlung an den zentralen Wertpapierverwahrer NSD geleistet, wegen der Finanzsanktionen könne das Geld aber nicht ausgezahlt werden. Die Zahlung über den NSD ist ein Verfahren, das Russland wegen der Sanktionen eingeführt hat. Gläubiger müssen gegenüber dem NSD das Eigentum an den Anleihen nachweisen. Danach würden die Zinsen weitergeleitet werden.
Russland beschuldigt den Westen, das Land in einen künstlichen
Zahlungsausfall zu treiben. Der russische Finanzminister Anton Siluanow sieht das Ganze als „Farce“. Dass die Zahlungen wegen der Sanktionen blockiert würden, sei „nicht unser Problem“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag laut Agentur Interfax.
Angesichts der Sanktionen kommt der nominelle Zahlungsausfall wenig überraschend. An den Finanzmärkten ist das Risiko seit Monaten fest einkalkuliert und gilt als überschaubar.
Und die Investoren? Sie müssten nicht sofort handeln, berichtet die Züricher Handelszeitung. Die Forderungen würden erst drei Jahre nach dem Zahlungsdatum ungültig. Die Anleger könnten in Ruhe darauf hoffen, dass die Sanktionen bald gelockert würden. „Die meisten Anleihegläubiger werden abwarten“, erklärt Takahide Kiuchi, Ökonom beim Nomura Research Institute.
Der Zahlungsausfall ist also eher symbolisch. Die erste Staatspleite gab es 1918. Die Bolschewiki unter Lenin konnten die Schuldenlast aus der Zarenzeit nicht bedienen. Eine Finanz- und Zahlungskrise gab es auch 1998. Im Unterschied zu heute war damals Russland aber in einer schweren Wirtschaftskrise. Heute ist die Staatskasse dank gestiegener Öl- und Gaspreise prall gefüllt. Und keine Spur von einer Versorgungskrise wie Ende der 90er-Jahre. Im Supermarkt gibt es alles reichlich, eklatant gestiegen sind nur die Preise für Importe aus dem Westen.