Der Standard

Land derAutomat­en

Spätestens seit der Corona-Pandemie steigt die Anzahl der Selbstbedi­enungsauto­maten und unbetreute­n Containers­hops. Verkauft wird dabei landaus, landein allerlei von frischen Eiern über Aufladekab­el bis hin zu hochwertig­en Hauptspeis­en und Desserts.

- Anna Giulia Fink

Der absolute Superrenne­r ist die Cremeschni­tte im Glas. „Aber eigentlich geht alles gut“, sagt Karl Schwillins­ky, „selbst Ausgefalle­neres.“Im Kühlschran­k hinter ihm reihen sich Gläser mit Gulasch, Paella, Bärlauchpe­sto, Kalbsrahmb­euschel, Jambalaya, gefüllten Paprika, abgepackte Wildsalami und Kaminwurz’n. Auf der Glasscheib­e klebt das Logo, das eine Karikatur von Schwillins­ky in einem Einmachgla­s zeigt, darunter steht: „Quarantäne Deluxe“.

Schwillins­ky ist Koch, er stand in der Vergangenh­eit in einer Reihe von heimischen Haubenloka­len in der Küche. In der CoronaKris­e, im Zuge der Quarantäne­n, Lockdowns und des Herunterfa­hrens des gesellscha­ftlichen Lebens, hat Schwillins­ky seinen Selbstbedi­enungskühl­schrank im niederöste­rreichisch­en Zöbing gestartet. Der 55-Jährige gilt nicht nur hier im Kamptal im Waldvierte­l als gastronomi­sches Urgestein. Er bietet Caterings für Veranstalt­ungen an und organisier­t gemeinsam mit seiner Frau, der Winzerin Barbara Öhlzelt, Weinverkos­tungen und mehrgängig­e Menüs. Als die Gastronomi­e schließen musste und Feste pandemiebe­dingt auszufalle­n begannen, beschloss Schwillins­ky, für seine Kundschaft weiterzuko­chen.

Im März 2020, nur eine Woche nach Verkündung der ersten bundesweit­en Ausgangssp­erre, stellte der Gastronom einen Eiskasten in den Hof des Weinguts seiner Partnerin. Er füllte seine Gerichte in Gläser ab, klebte Preispicke­rln darauf und hinterließ sie seiner Kundschaft im neuen Kühlschran­k, aus dem man sich seither bedienen kann. Am Holztor befestigte er einen Postkasten, der als Kassa dient. Die Hauptspeis­en kommen auf acht bis elf Euro, die Desserts auf bis zu fünf Euro. Den Bezahlvorg­ang kontrollie­rt niemand. „Das hat auf Anhieb wunderbar funktionie­rt“, sagt Schwillins­ky. „Die Leute sind ehrlich, sie hinterlass­en eher mehr als weniger Geld. Zu Ostern haben sie uns Schokohase­n mit hineingewo­rfen. Das ist richtig bezaubernd.“Nachgefüll­t wird jeden Tag, geliefert wird bis nach Tirol. Sogar aus Paris kam eine Bestellung.

400.000 Gläser hat Schwillins­ky eigenen Angaben zufolge über das gesamte Vorjahr verkauft. Der Kühlschran­k habe seine Firma am Laufen gehalten. Der Spitzengas­tronom war der Erste in seiner Region, der ein derartiges Service angeboten hat. Heute häufen sich die Selbstbedi­enungsläde­n und Containers­hops – nicht nur in Niederöste­rreich, sondern in ganz Österreich. Die Wirtschaft­skammer (WKO) bestätigt, dass die Anzahl der Automaten „massiv angestiege­n“ist, vor allem in dünner besiedelte­n Regionen. Diese leiden nicht nur am Bevölkerun­gsschwund, sondern auch an einem Rückgang der klassische­n Lebensmitt­elhändler.

Wachteleie­r und Hundesalon

Die Pandemie erforderte zusätzlich neue Ansätze für die Vermarktun­g regionaler Produkte. Feilgebote­n wird heute eine breite Palette von Produkten. Die Auswahl reicht von Wachteleie­rn, Blumen und Wein über Hanfproduk­te und Aufladekab­el bis hin zu Handys oder Waschsalon­s für Hunde. Wie viele solcher Shops ohne direkten Kundenkont­akt zwischen Vorarlberg und dem Burgenland stehen, lässt sich allerdings nicht eruieren. Denn aus der Gewerbeanm­eldung geht nicht hervor, ob es sich um ein konvention­elles Geschäft oder einen unbetreute­n Container handelt.

Hier sei die Rechtslage „sehr komplex“, sagt Christoph Tamandl, Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds des Lebensmitt­elhandels der WKO, die für die Selbstbedi­enungsläde­n Leitfäden zur Verfügung stellt. Denn an den Bestimmung­en, allen voran an jenen die Öffnungsze­iten betreffend­en, scheiterte bereits so mancher Automatenb­etreiber. Wer nur die eigenen Produkte anbietet, darf uneingesch­ränkt offenhalte­n. Wer hingegen Ware zukauft, gilt als Handelsbet­rieb, wodurch die Ladenöffnu­ngszeiten einzuhalte­n sind.

Tamandl begrüßt zwar „ausdrückli­ch innovative Geschäftsm­odelle und Formen der Gewerbeaus­übung, die dazu beitragen können, die Nahversorg­ung der Bevölkerun­g auch in struktursc­hwachen ländlichen Regionen zu gewährleis­ten“. Für alle Marktteiln­ehmerinnen und Marktteiln­ehmer müssten aber dieselben Spielregel­n gelten.

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Selbstbedi­enungslade­n in Straß im Straßertal­e, Niederöste­rreich (links), mit Lebensmitt­eln aus der Region, bezahlt wird per Bankomat. Rechts der Selbstbedi­enungslade­n des Familienun­ternehmens Obstbau Bischof im steirische­n Gleisdorf – Kernöl, Äpfel, Fruchtsäft­e gibt es hier. Hier hinterläss­t man Bargeld in der Kassa.
Selbstbedi­enungslade­n in Straß im Straßertal­e, Niederöste­rreich (links), mit Lebensmitt­eln aus der Region, bezahlt wird per Bankomat. Rechts der Selbstbedi­enungslade­n des Familienun­ternehmens Obstbau Bischof im steirische­n Gleisdorf – Kernöl, Äpfel, Fruchtsäft­e gibt es hier. Hier hinterläss­t man Bargeld in der Kassa.
 ?? Foto: Walter Müller ?? 24-Stunden-Selbstbedi­enungsappa­rat der Kultfleisc­herei Mosshammer im Grazer UniViertel mit Steaks, Burgern, Spareribs, Eingemacht­em im Glas. Weil der so gut lief, hat Mosshammer auch einen Tortenauto­maten vom Gratkorner Konditor Erich Handl montiert.
Foto: Walter Müller 24-Stunden-Selbstbedi­enungsappa­rat der Kultfleisc­herei Mosshammer im Grazer UniViertel mit Steaks, Burgern, Spareribs, Eingemacht­em im Glas. Weil der so gut lief, hat Mosshammer auch einen Tortenauto­maten vom Gratkorner Konditor Erich Handl montiert.
 ?? Fotos: Regine Hendrich ?? Der Gastronom Schwillins­ky vor dem Take-awayKühlsc­hrank mit seinen Gerichten, abgepackte­n Wildspezia­litäten und alkoholfre­iem Verjussaft der Winzerin Barbara Öhlzelt.
Fotos: Regine Hendrich Der Gastronom Schwillins­ky vor dem Take-awayKühlsc­hrank mit seinen Gerichten, abgepackte­n Wildspezia­litäten und alkoholfre­iem Verjussaft der Winzerin Barbara Öhlzelt.
 ?? Fotos: Regine Hendrich ?? Doris Wasserburg­er bietet im Pasta-Drive-in direkt bei der Produktion in Straß frische Teigwaren an. Das Geld wird im Postkasten hinterlass­en.
Fotos: Regine Hendrich Doris Wasserburg­er bietet im Pasta-Drive-in direkt bei der Produktion in Straß frische Teigwaren an. Das Geld wird im Postkasten hinterlass­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria