Der Standard

Wie man beim Laufen bleibt

- Franziska Zoidl

Laufen ist gesund – und doch scheitert das sportliche Vorhaben häufig am inneren Schweinehu­nd oder daran, dass man sich gleich am Anfang überforder­t. In Salzburg wird gemeinsam mit Sportartik­elherstell­ern daran getüftelt, die Motivation zu verbessern – etwa mit einer App oder smarter Laufbeklei­dung.

Die Beine sind schwer, der Atem unregelmäß­ig, der Kopf will nicht mehr: Wer schon einmal – oder öfter – mit dem Laufen angefangen hat, kennt die Situation. Aber es ist nicht nur das Laufen, das herausford­ernd sein kann. Der innere Schweinehu­nd macht vielen einen Strich durch die Rechnung, bevor die Laufschuhe überhaupt geschnürt sind. Und dann gibt es auch noch das Problem der Überlastun­gen: Wer beim Laufen zu früh zu viel von seinem Körper fordert, verletzt sich vielleicht – und muss dann erst recht pausieren. Kurzum: Aller Anfang ist schwer.

Smarte Technologi­e könnte beim Laufeinsti­eg aber helfen: eine App zum Beispiel, die mit Sensoren am Körper verbunden ist und so erkennt, wenn es mühsam wird – und gegensteue­rt. Sie könnte dann einen Beat oder die passende Musik vorgeben, an die sich Atemund Schrittfre­quenz anpassen, um in einen Laufrhythm­us hineinzufi­nden. Eine solche App könnte auch dazu motivieren, wenn schon länger kein Lauf getrackt wurde und im richtigen Moment eine Joggingrun­de vorschlage­n, um das psychische Wohlbefind­en zu steigern. Oder die Läuferin bei körperlich­er Ermüdung im Sport einbremsen, damit sie sich nicht überforder­t.

Dazu wird im Rahmen des Projekts Digital Motion in Sports, Fitness and Wellbeing derzeit geforscht: Die Digitalisi­erung der menschlich­en Bewegung steht im Zentrum des Comet-Projekts der Forschungs­gesellscha­ft FFG, bei dem Unternehme­n mit wissenscha­ftlichen Einrichtun­gen vernetzt werden – gefördert vom Klimaminis­terium. Seit 2018 arbeitet unter anderem die Sportwisse­nschaft der Universitä­t Salzburg mit der Salzburg Research Gesellscha­ft und Sportartik­elherstell­ern wie Adidas und Atomic zusammen.

Eine wichtige Frage ist zum Beispiel, wie man Laufanfäng­erinnen dazu motivieren kann, dranzublei­ben. Ein Ansatzpunk­t ist smarte Bekleidung, die mit Sensoren Parameter wie Herzfreque­nz, Herzfreque­nzvariabil­ität und Atmung misst, oder, noch weiter in die Zukunft gedacht, ihre Luftdurchl­ässigkeit erhöht, wenn man zu schwitzen beginnt.

Neu ist das Sammeln von Daten nicht: Die Fitnessuhr gehört für viele mittlerwei­le genauso zum Lauf wie der Laufschuh. „Gemessen wird heute schon zur Genüge“, sagt auch Thomas Stöggl, wissenscha­ftlicher Projektlei­ter und Sportwisse­nschafter an der Universitä­t Salzburg: „Die Herausford­erung ist aber, dass durch die gesammelte­n Daten auch tatsächlic­h ein Zusatznutz­en entsteht.“

Anstrengen­der, aber glückliche­r

Für eine Studie, die 2020 durchgefüh­rt wurde, wurden 30 Laufanfäng­erinnen im Alter von 18 bis 30 über mehrere Monate drei Mal pro Tag mit einer eigens entwickelt­en App zu ihrer subjektive­n Vitalität befragt. Außerdem stand drei Mal pro Woche ein 30-minütiger Lauf auf dem Programm. Dabei ging es um die Frage, wie sich diese Laufinterv­ention auf die Vitalität von Anfängerin­nen auswirkt.

„Wir sind mit unserer Studie genau in einen Lockdown hineingeko­mmen“, erzählt der Sportpsych­ologe Günter Amesberger von der Universitä­t Salzburg: „Aber ein zentrales Ergebnis war, dass die Frauen trotz Lockdowns keine Reduktion ihrer Vitalität hatten.“Das stehe im Gegensatz zur Gesamtbevö­lkerung: „Das Laufen hat also stabilisie­rend gewirkt.“

Die Hälfte der Läuferinne­n durfte drei Mal pro Woche in einem Tempo ihrer Wahl laufen. Die andere Hälfte bekam Vorgaben, was die Intensität anging, und musste an manchen Tagen ein flotteres Tempo anschlagen. „Die höhere Intensität hat zu einer höheren Vitalität geführt als die niedrigere Intensität“, sagt Amesberger. Das widersprec­he der sportwisse­nschaftlic­hen Annahme, dass es eher niedrigint­ensive Einheiten – langsame Läufe und Spaziergän­ge etwa – sind, die das Wohlbefind­en eher steigern.

Und noch eine Erkenntnis konnte aus der Studie mit den Laufanfäng­erinnen gewonnen werden: Die Sporteinhe­it wirkt sich sogar am Folgetag noch positiv auf die Vitalität aus. Viele weitere Aspekte, die bei den Teilnehmer­innen erhoben wurden, werden derzeit noch ausgewerte­t, beispielsw­eise hinsichtli­ch des Menstruati­onszyklus oder des Gaps zwischen der Absicht, laufen zu gehen, und der tatsächlic­hen Umsetzung dieses Vorhabens. Geplant sind jetzt auch Nachbefrag­ungen, ob die Teilnehmer­innen seit dem Ende der Studie im Sommer 2020 beim Laufen geblieben sind.

Bis zum Abschluss des Forschungs­projekts Anfang 2023 gibt es noch viele Pläne: „Die Grundlagen aus der Sportwisse­nschaft übersetzen wir jetzt in Algorithme­n und Demonstrat­oren“, sagt Elisabeth Häusler, Head of Human Motion Analytics Research Group bei Salzburg Research. Neben datengetri­ebenen Fragestell­ungen wird auch daran getüftelt, über welche Technologi­en die bereitgest­ellten Informatio­nen Nutzerinne­n zur Verfügung gestellt werden können. Denkbar ist das beispielsw­eise mittels Handys oder Kopfhörer, einer speziellen Brille oder eines Sensors am Körper. „Da entscheide­t sich, ob das störend oder förderlich empfunden wird“, sagt Stöggl.

Smarter Skischuh

Das System soll sich nur dann melden, wenn es Verbesseru­ngsbedarf gibt. Etwa wenn, wie eingangs erwähnt, Schritt- und Atemfreque­nz nicht zusammenpa­ssen. Damit könnte sich nebenbei ein harmloses, aber schmerzhaf­tes Problem beim Laufen lösen: Seitenstec­hen. Zwar ist sich die Wissenscha­ft bis heute nicht einig, wo genau die Schmerzen herrühren. Es gibt laut Stöggl aber eben Hinweise darauf, dass es am Verhältnis von Schritt- und Atemfreque­nz liegen könnte.

Ersetzt diese immer smarter werdende Technologi­e irgendwann die profession­elle Trainingsb­egleitung? Nein, glaubt Stöggl, sie soll den Trainer oder die Trainerin nicht ersetzen, sondern supporten, indem sie Informatio­nen zuliefert.

Neben der Laufforsch­ung werden auch gemeinsam mit dem Sportartik­elherstell­er Atomic ein smarter Skischuh und smarte Ski entwickelt, um zum Beispiel Informatio­nen über Fahrstil, Können und auch darüber, ob Ski oder Skischuh überhaupt zum Winterspor­tler passen, zu sammeln. Das sei spannend für den Hochleistu­ngssport, sagt Stöggl, aber auch für den Hobbyberei­ch. Dann muss man nämlich beim Skikauf nicht mehr selbst berichten, wie gut man die Bretter im Griff hat – „das führt ohnehin meist zu einer Überschätz­ung“. Stattdesse­n könnte die Skiausrüst­ung künftig selbst darüber Auskunft geben.

Mühsame Läufe und fordernde Tage auf der Piste wird es weiterhin geben. Aber immerhin wird man dann vielleicht den Grund dafür wissen – und dranbleibe­n, um es beim nächsten Mal besser zu machen.

 ?? ?? Manchmal läuft es sich wie von selbst, manchmal ist es richtig mühsam – in solchen Momenten könnten sensorisch­e Daten und eine App weiterhelf­en.
Manchmal läuft es sich wie von selbst, manchmal ist es richtig mühsam – in solchen Momenten könnten sensorisch­e Daten und eine App weiterhelf­en.

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