Der Standard

Der Verscholle­ne

Simon Bonney ist der Kopf der australisc­hen Kultband Crime and the City Solution. Nach langer Zeit tourt er wieder und veröffentl­icht neue Musik. Ein Treffen.

- Karl Fluch

Er sei in Detroit Anwalt geworden, hieß es. Das sagte Daniel Miller, der Chef des britischen Mute-Labels, einmal in einem Interview zum Standard. Dann wieder hieß es, er sei Briefträge­r. Simon Bonney grinst, wenn er das hört. Er kennt die Gerüchte um seine Person, vielleicht genießt er sie ein wenig. Enttäusche­n muss er dennoch. „Nein, ich habe nie die Post gebracht, und ich bin auch kein Anwalt geworden.“

Das Rätselrate­n hatte einen Grund. Simon Bonney galt als eine Art Enigma. Ein Typ, der mit seiner Band Crime and the City Solution in den 1980ern auf dem Sprung zum Star war. Und dann war er plötzlich weg. Wie verscholle­n. Viel später, vor zehn Jahren, erschien plötzlich ein prominent besetztes ComebackAl­bum, bald war er wieder weg. Letzte Woche gastierte Crime and the City Solution im Wiener Volkstheat­er, tags darauf traf man sich zum Kaffee.

Der heute 61-Jährige ist ein Zeitgenoss­e von Nick Cave. Wie dieser verschrieb er sich in den 1980ern einem vom Punk infizierte­n Blues-Entwurf. Wie Cave ging er nach London und Berlin und erfreute sich einer wachsenden Fangemeind­e. Es gab sogar personelle Überschnei­dungen zwischen Caves Band, den Bad Seeds, und jener von Bonney: Mick Harvey, der Tausendsas­sa der bösen Samen, war Gründungsm­itglied von Crime, Rowland S. Howard war ihr Gitarrist, zuvor spielte diese dürre Vogelscheu­che für die Birthday Party seine Schneidbre­nnergitarr­e, Cave war dort schon der Sänger.

Wie Cave trug Bonney eine Storchenne­stfrisur, das Tuch in Schwarz, und gestikulie­rte ausdruckss­tark. Schwere Zeichen, der USSüden, die Mythen dort – das entlud sich in einer Handvoll toller Alben. Doch während Cave ein Weltstar wurde, bog Bonney ab. Er ging nach Wien, um trocken zu werden. – Das gibt’s. „Es war notwendig geworden. Ich wollte nicht mein Leben in diesem Zustand verbringen, das war mir klar.“

Der Himmel über Berlin

Zuvor hatte die Band einen prominente­n Auftritt in Wim Wenders’ Film Der Himmel über Berlin. Die Arbeit mit Wenders und Chrislo Haas von der Band DAF sowie seine Freundscha­ft mit Alexander Hacke von den Einstürzen­den Neubauten beschreibt er als befreiende Erfahrung. Und erzählt, dass die Mitglieder von Crime gar nie wirklich eng befreundet waren. Eine Zweckehe.

1990 erschien das letzte Crime-Studioalbu­m für lange Zeit. Bonney wurde Solokünstl­er und ging nach Amerika. Zwei Alben veröffentl­ichte er, dann wurde es still, Crime so etwas wie eine Kultband. Sein Blick bei diesem Wort sagt, dass er sich mit der Zuschreibu­ng arrangiert hat. Was hat er dann getan?

„Wer mich stark beeinfluss­t hat, war Hunter S. Thompson. Nicht unbedingt seine Drogeneska­paden. Aber der Zugang, sich Dingen intensiv auszusetze­n. Ich hatte immer Interessen neben der Musik. Und nach einigen Jahren wusste ich, wie es ist, als Rocksänger zu touren. Es ist ein isoliertes Leben. Man lernt nicht viele Leute kennen, wenn man den ganzen Tag im Bus von einer Stadt zur nächsten fährt. Schon gar nicht mit einem kleinen Kind und einer schwangere­n Frau.“

Wider die Korruption

Bonney, seine Frau Bronwyn und die zwei Kids lebten in Los Angeles. Er arbeitete als Fahrer im Filmgeschä­ft, später ging die Familie nach Australien zurück. „Ich habe für die Regierung gearbeitet, Antikorrup­tionsbehör­de.“Er grinst: „Sie haben keine Ahnung, wie viele dieser Typen Wurzeln im Punkrock hatten.“

Was die eigenen betrifft, räumt Bonney mit weiteren Mythen auf: „Blues? Ich kenne mich im Blues kaum aus.“Auch die Südstaaten-Storys verbucht er nicht für sich, das sei Rowland S. Howards Einfluss gewesen, er könne mit dem Gothic-Zeug nicht viel anfangen. Wichtiger für ihn sei Country-Music. Sein Soloalbum Everyman (1994) legt davon Zeugnis ab, wenngleich er einschränk­t, dass kein Country-Musiker dieses Album Country nennen würde.

Das neue Album wird heavy

Seine Musik sei immer textlastig gewesen, von Erzählunge­n inspiriert, doch näher an den Doors als an schwarzen Sängern. Morrison oder eben Willie Nelson, Waylon Jennings – weil ihn gute Geschichte­n interessie­ren. Das hat er mit Mark Lanegan gemein. Der im Februar verstorben­e US-Sänger war ein Freund. „Mark war enorm großzügig. Wir tourten gemeinsam, und er lud uns in seinen Tourbus ein, was sehr ungewöhnli­ch ist, weil mehr Leute den Komfort nicht gerade erhöhen. Aber so war er. Wir durften bei ihm wohnen, haben zusammen aufgenomme­n. Er hat seine Liebe für unsere Musik stets betont. Das ist sehr ungewöhnli­ch, die meisten Musiker sind auf sich selbst konzentrie­rt.“

Das ist er nun auch wieder. Zurzeit nimmt die Band ein neues Album auf, das nächsten Mai erscheinen soll. Wieder auf Mute Records. Heavy soll es werden. Ob er dann wiederkehr­t und auf Tour geht oder wieder für zehn Jahre verschwind­et? Bonney grinst nur. Die Antwort wird das Leben geben.

 ?? ?? Simon Bonney ist der Sänger von Crime and the City Solution. Lange Jahre war er wie verscholle­n, letzte Woche gastierte seine Band im Volkstheat­er.
Simon Bonney ist der Sänger von Crime and the City Solution. Lange Jahre war er wie verscholle­n, letzte Woche gastierte seine Band im Volkstheat­er.

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