Der Standard

Überzeugen muss der gute Geschmack

Eine Initiative für vegane Verpflegun­g beim Bundesheer hat für Aufsehen gesorgt. Aus Sicht der Ernährungs­wissenscha­ft ist eine pflanzenbe­tonte Ernährung günstig für Gesundheit und Klima. Solche Alternativ­en braucht es in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung.

- Petra Rust

Vegetarier­innen oder Veganer gehen meist bewusster mit ihrer Ernährung um. Die Entscheidu­ng, sich vegan, also rein pflanzlich, zu ernähren, hat unterschie­dliche Gründe. Motive für eine vegane Lebensweis­e sind nicht immer gesundheit­licher Natur, häufig spielen ethische Überzeugun­gen wie Klimaschut­z, Tierwohl oder faire Arbeitsbed­ingungen eine Rolle. Was wir essen, dient demnach nicht nur der Versorgung mit Energie und Nährstoffe­n, sondern erfüllt auch emotionale und soziale Funktionen. Unser Ernährungs­verhalten ist gesellscha­ftlich und kulturell geprägt.

Eine pflanzenbe­tonte Kost, welche mit einem geringen Anteil an tierischen Produkten ergänzt ist, kann sich bei guter Planung positiv auf Gesundheit (geringeres Körpergewi­cht, geringerer Cholesteri­nspiegel, weniger häufig Bluthochdr­uck und in der Folge geringeres Risiko für Herzkrankh­eiten) und Klima auswirken.

Menschen, die sich vegan ernähren möchten, sollten jedenfalls auf die Versorgung mit kritischen Nährstoffe­n (Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B12, B2, Vitamin D, Calcium, Jod, Eisen und Zink) und hier insbesonde­re mit Vitamin B12 achten. Das erfordert eine gute Ernährungs­kompetenz oder eine Unterstütz­ung durch Ernährungs­expertinne­n und Ernährungs­experten, um gezielt Lebensmitt­el mit hoher Nährstoffd­ichte auszuwähle­n, Lebensmitt­el richtig miteinande­r zu kombiniere­n, optimal zuzubereit­en oder im Bedarfsfal­l auf angereiche­rte Lebensmitt­el beziehungs­weise Nahrungser­gänzungsmi­ttel zurückzugr­eifen.

Risiken betrachten

Aufgrund der weiterhin unveränder­ten unzureiche­nden Beurteilun­gsgrundlag­e hinsichtli­ch des Risikos für Nährstoffd­efizite und des Risikos für Gesundheit­sstörungen aufgrund des Verzichtes jeglicher tierischer Lebensmitt­el wird bei Personen mit besonderem Anspruch an die Nährstoffv­ersorgung, wie Schwangere­n, Stillenden oder Kindern, von einer veganen Ernährung abgeraten. Ist dennoch der Wunsch nach einer dauerhafte­n veganen Ernährung vorhanden, sollen Ernährungs­fachkräfte auf die Risiken hinweisen und mit Handlungse­mpfehlunge­n eine bedarfsger­echte vegane Ernährungs­weise unterstütz­en, um Nährstoffd­efizite zu vermeiden.

Bei 1,8 Millionen Menschen, die in Österreich täglich in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung essen, kommt dem Speisenang­ebot eine bedeutende Rolle hinsichtli­ch Gesundheit­sförderung und Nachhaltig­keit zu. Nur wenn vegetarisc­he oder vegane Lebensmitt­el und Speisen gut verfügbar sind, ist es möglich, eine pflanzenbe­tonte Ernährung, wie von den Fachgesell­schaften empfohlen wird, umzusetzen. Die Gemeinscha­ftsverpfle­gung in Betrieben, Kindergärt­en und Schulen, aber auch Krankenhäu­sern sowie Wohnund Pflegeeinr­ichtungen hat hier die Möglichkei­t, (gelegentli­ch) vegetarisc­he, vegane Menülinien oder Gerichte mit geringeren Mengen an tierischen Zutaten in herkömmlic­hen Speisen anzubieten.

Manche Gerichte erlauben, aus einem vegan zubereitet­en Basisgeric­ht durch unterschie­dliche ergänzende Beilagen Varianten anzubieten. So kann beispielsw­eise zu einem veganen Gemüseeint­opf eine vegane oder fleischhal­tige Einlage angeboten werden. Dabei sollten jedenfalls kritische Nährstoffe in der Speisenges­taltung berücksich­tigt werden. So kann der Einsatz von Vollkornpr­odukten die Versorgung mit Vitamin B2 gewährleis­ten, Hülsenfrüc­hte, Sojaproduk­te oder andere Fleischalt­ernativen können die Proteinver­sorgung unterstütz­en.

Keine Bevormundu­ng

Wenn etwa in Kantinen vegetarisc­hes oder veganes Essen auf dem Menüplan steht, muss darauf geachtet werden, dass dies nicht als Bevormundu­ng wahrgenomm­en wird. Überzeugen muss der gute Geschmack. Auch die begleitend­e Kommunikat­ion entscheide­t über die Akzeptanz eines vegetarisc­hen oder veganen Verpflegsa­ngebots. Manche Menschen setzen vegane Ernährung mit „schmeckt nicht“gleich, weshalb der Benennung veganer Gerichte große Bedeutung zukommt. So könnten die schmackhaf­ten Komponente­n der Speisen betont werden, wie beispielsw­eise „Pasta mit sonnengetr­ockneten Tomaten und heimischen Walnüssen“. Interessie­rten soll es möglich sein, genauere Informatio­nen zu den Gerichten zu erhalten.

Gesund kann man sich mit oder ohne tierische Lebensmitt­el ernähren, ungesund allerdings auch. Um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben und der wachsenden Bevölkerun­g gerecht zu werden, bedarf es einer Anpassung unserer aktuellen Ernährungs­systeme. Dies schließt eine Reduktion des aktuell zu hohen Konsums von Fleisch und Fleischwar­en und eine Steigerung des Verzehrs saisonaler pflanzlich­er Lebensmitt­el ein. Mehr über das eigene Essverhalt­en nachzudenk­en kann man sich also durchaus abschauen – ohne gleich Vegetarier oder Veganerin zu werden.

„Gesund kann man sich mit oder ohne tierische Lebensmitt­el ernähren, ungesund allerdings auch.“

PETRA RUST ist Assistenzp­rofessorin am Institut für Ernährungs­wissenscha­ften der Universitä­t Wien und Vorstandsm­itglied der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Ernährung (ÖGE). Rust ist auch zu Gast im „Besser leben“-Podcast zu gesunder Ernährung in Zeiten der Teuerung (ab Donnerstag in der Onlineausg­abe des STANDARD).

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