Der Standard

EU-Beschluss zu Verbrennun­gsmotoren sorgt für Kritik

Ab 2035 sollen keine Neuwagen mehr zugelassen werden, die einen Diesel- oder Benzinmoto­r haben. Für die Zulassung von E-Fuels wurde ein Kompromiss gefunden. Warum aber ist der umstritten? Und was ist noch geplant?

- FRAGE & ANTWORT: Jakob Pflügl, Bettina Pfluger Kommentar Seite 28

Brüssel – Die EU-Mitgliedss­taaten haben sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch darauf geeinigt, ab 2035 nur noch klimaneutr­ale Fahrzeuge zuzulassen. Für Kritik sorgt allerdings, dass es kein absolutes Verbot von neuen Verbrennun­gsmotoren geben wird. Autos, die mit sogenannte­n E-Fuels betrieben werden, dürften weiterhin erlaubt sein.

Darin sehen NGOs wie Greenpeace einen „faulen Kompromiss“. E-Fuels seien zwar CO₂-neutral, in der Erzeugung aber äußerst ineffizien­t. In ihrer nächtliche­n Sitzung einigten sich die EU-Staaten zudem auf den umstritten­en Klimazoll und auf eine Ausweitung des Emissionsh­andels. Jetzt liegt der Ball beim EU-Parlament, das zustimmen muss.

Ganze 16 Stunden haben die EU-Mitgliedss­taaten vergangene­n Dienstag über die Zukunft des Verbrenner­motors verhandelt. Spätnachts einigten sie sich schließlic­h auf einen Kompromiss: Demnach sollen ab 2035 nur noch klimaneutr­ale Neuwagen verkauft werden dürfen. Gegessen ist die Sache aber noch nicht. In einem nächsten Schritt müssen sich die Mitgliedss­taaten mit dem EU-Parlament einig werden. Vielen Abgeordnet­en geht der aktuelle Kompromiss nicht weit genug. Große Änderung sind jedoch nicht mehr zu erwarten.

Frage: Worauf haben sich die Mitgliedss­taaten konkret geeinigt?

Antwort: Ab 2035 sollen in der Europäisch­en Union nur noch klimaneutr­ale Fahrzeuge zugelassen werden. Die sogenannte­n Flottengre­nzwerte, die festlegen, wie viel CO₂ ein Auto im Betrieb ausstoßen darf, müssten dafür auf null gesenkt werden. Damit dürften ab 2035 zumindest keine herkömmlic­h betriebene­n Neuwagen mit Verbrenner mehr verkauft werden.

Frage: Es kommt also kein absolutes Verbrenner­verbot?

Antwort: Nein, im Gegensatz zum Vorschlag der EU-Kommission und zum Willen des EU-Parlaments soll der Verbrenner­motor an sich weiterhin erlaubt sein – jedoch nur dann, wenn er CO₂-neutral betrieben wird. Möglich ist das durch Wasserstof­f oder sogenannte E-Fuels.

Frage: Kann ich ab 2035 noch mit meinem alten Verbrenner fahren?

Antwort: Ja. Eingeschrä­nkt wird bei Inkrafttre­ten des Gesetzes nur der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennun­gsmotor. Zwar geht es bei den Flottengre­nzwerten um den Ausstoß von Klimagasen, während das Fahrzeug gefahren wird, die Emissionsv­orgabe würde aber nicht für bereits zugelassen­e Autos gelten.

Frage: Was passiert mit meinem alten Verbrenner?

Antwort: Bereits zugelassen­e Fahr- zeuge werden zwar nicht direkt be- troffen sein, es wird sich aber erst zeigen, wie sich diese Entscheidu­ng auf die Preise für gebrauchte Verbrenner auswirkt. Ein Verkaufsve­rbot für gebrauchte Autos mit Verbrennun­gsmotor ist derzeit nicht vorgesehen.

Frage: Warum haben die Staaten so lange verhandelt?

Antwort: Etlichen Mitgliedss­taaten geht das Verbot zu schnell. Italien schlug eine Verschiebu­ng um fünf Jahre vor. Bulgarien, Portugal, Rumänien und die Slowakei unterstütz­ten diesen Vorschlag. Meinungsve­rschiedenh­eiten zogen sich zum Teil aber auch durch die Staaten selbst. So hatte sich die deutsche Ampelregie­rung im Vorfeld etwa schwergeta­n, eine gemeinsame Position zu finden. Ähnlich war die Situation in Österreich: Während Umweltmini­sterin Leonore Gewessler (Grüne) ein Aus der Verbrenner befürworte­t, stand der türkise Koalitions­partner im Vorfeld des EU- Gipfels auf der Bremse.

Frage: Was sind E-Fuels, die für Verbrenner hergestell­t werden?

Antwort: Das sind synthetisc­he Treibstoff­e, die mittels Strom aus Wasser und CO₂ produziert werden.

Werden sie verbrannt, entstehen genauso viel umweltschä­dliche Abgase wie bei herkömmlic­hen Kraftstoff­en. Stammt der Strom für die Erzeugung der E-Fuels aus erneuerbar­en Quellen, sind sie aber CO₂neutral. Der Vorteil ist, dass damit herkömmlic­he Verbrenner weiterverw­endet werden könnten.

Frage: Warum ist die Lösung heftig umstritten?

Antwort: Die meisten Autoproduz­enten setzen mittlerwei­le ohnehin auf Elektromob­ilität, wollen sich laut Klara Maria Schenk von Greenpeace aber ein Schlupfloc­h offenlasse­n, um weiterhin Verbrenner produziere­n zu können. E-Fuels seien aber bisher nicht großflächi­g verfügbar und deutlich ineffizien­ter als Elektromob­ilität. Die grünen Treibstoff­e sollten daher in anderen Bereichen eingesetzt werden und nicht im Autoverkeh­r, wo es ohnehin Alternativ­en gibt.

Frage: Wollten nicht viele Länder schon vor 2035 aus dem Verbrenner aussteigen?

Antwort: Das ist richtig. Norwegen zum Beispiel will bereits ab 2025 keine Verkäufe von Fahrzeugen mit klassische­n Benziner- oder Dieselantr­ieben mehr zulassen. Großbritan­nien, Schweden, Dänemark, die Niederland­e und Belgien peilten dafür zuletzt das Jahr 2030 an. Österreich will dieses Ziel ebenfalls 2030 erreichen.

 ?? ?? Diesel und Benzin schlagen sich negativ auf die CO₂-Bilanz durch. Das Aus für die Verbrenner wurde nun auf EU-Ebene beschlosse­n.
Diesel und Benzin schlagen sich negativ auf die CO₂-Bilanz durch. Das Aus für die Verbrenner wurde nun auf EU-Ebene beschlosse­n.

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