„Die Videospiel-Bubble könnte platzen“
Nach 25 Jahren kann das Pariser Entwicklerstudio Quantic Dream auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. CEO David Cage spricht über Gleichberechtigung und mögliche Implosionstendenzen der Games-Branche.
Wie schön wäre es, wenn man in einem Film selbst das Ruder an sich reißen könnte? Diese Frage stellte sich David Cage, Gründer des Pariser Entwicklerstudios Quantic Dream, vor genau 25 Jahren auch. Seine Antwort waren Spiele wie Fahrenheit, Heavy Rain oder Beyond: Two Souls. Diese schufen mitunter das Genre des „interaktiven Films“, da man eigentlich in erster Linie einer vorgeschriebenen Handlung folgte, diese aber immer wieder mit eigenen Entscheidungen beeinflussen konnte und dadurch selbst zur Hauptdarstellerin beziehungsweise zum Hauptdarsteller mutierte.
Ohne Plan
Im STANDARD-Gespräch erinnert sich der gelernte Musiker Cage an die Anfänge: „Wir hatten keinen Businessplan oder bestimmte Karrierepläne. Unser Ziel war es, diesen für uns unbekannten wilden Westen zu erforschen.“Das gelang überraschend gut. Mit nur fünf Titeln im Portfolio katapultierte man sich zu einem der damals populärsten Studios der Branche. Ausschlaggebend waren dafür wohl zwei Dinge. Zunächst war man federführend im Bereich Motion Capture und sorgte damit für erstaunlich realistische Darstellungen von menschlichen Zügen. Die Technik, bei der Gestik und Mimik von realen Personen in Computerspiele übertragen werden können, ist mittlerweile ein Standard für große Hollywood-Produktionen und machte etwa Andy Serkis als Gollum weltberühmt.
Weiters sorgten bekannte Musiker oder Schauspieler für gern gesehene Schlagzeilen rund um die Spiele des Studios. So arbeitete man für die diversen Projekte etwa mit Größen wie Ellen Page, David Bowie oder Willem Dafoe zusammen – Begegnungen, an die sich Cage heute noch gerne erinnert. Angesprochen auf mögliche Fehler, die in dieser Zeit passiert sind, überlegt der Franzose kurz, bevor er antwortet. Wie jede Organisation könne sich auch Quantic Dream immer wieder verbessern, so Cage: „Über die Jahre haben wir viel dazugelernt, auch wie wir unser kleines Team konkurrenzfähig halten können.“So sei man stolz darauf, dass 50 Prozent aller Managementposten im Unternehmen von Frauen besetzt sind und alle Angestellten Teilhaber des Studios sind. Dennoch kam es in der Vergangenheit auch gegenüber dem Pariser Studio zu öffentlichen Vorwürfen,
es gäbe „toxische“Arbeitsbedingungen. Cage wollte und konnte dazu im Interview aber keine Stellung beziehen.
Turbulenzen voraus
Den Veränderungen in der größten Unterhaltungsbranche der Welt sieht der mittlerweile 53-jährige Studio-Chef aktuell mit gemischten Gefühlen entgegen. „Derzeit gibt es eine finanzielle Bubble rund um Videospiele. Fast alles wird finanziert, und es gibt kaum Probleme, Investoren zu finden, auch für Start-ups.“Das würde laut Cage einige große Erfolge mit sich bringen, aber auch eine Unzahl an noch größeren Flops. „Diese könnten die Videospiel-Bubble platzen lassen“, meint Cage. Bereits in den 1980er-Jahren kollabierte im sogenannten Video-GameCrash die damals viel zu schnell und ungesteuert gewachsene Branche fast.
Vielleicht sei auch das ein Grund, warum viele Studios die Flucht nach vorne antreten und sich – wie zuletzt Activision-Blizzard – von großen Konzernen wie Microsoft kaufen lassen. Bei Quantic Dream wolle man sich die kreative Freiheit allerdings behalten, die man sich über 25 Jahre aufgebaut hat. „Wir wurden oft bezüglich einer Akquisition angesprochen, aber für uns hätte das immer zu viele Kompromisse mit sich gebracht“, erinnert sich Cage.
Ein Zugeständnis ging man dann aber doch ein. Mit einem Investment des chinesischen Tech-Riesen Netease sicherte man sich finanzielle Stabilität und ein Mehr an Wissen, etwa was den Mobile- oder auch den chinesischen Markt betrifft.
Was die Zukunft der Branche betrifft, erachtet Cage Online-Gaming weiterhin als den größten Trend. Der „Hunger nach großen OnlineErfahrungen“würde immer weiterwachsen. Das gelte nicht nur für Multiplayer-Erfahrungen, sondern auch für große Geschichten, die man alleine erleben können wird. Eine davon könnte das neue Star Wars: Eclipse sein, an dem das Studio derzeit mit Hochdruck arbeitet, über dessen Details der CEO aber noch nicht sprechen darf. Nur so viel verrät er: „Wir machen derzeit riesige Investitionen in unsere Zukunft, bauen unser Motion-Capture-Studio aus und versuchen uns an neuen Technologien.“
Der aktuelle Kreislauf berge viele Herausforderungen und Risiken, aber genauso viele Möglichkeiten, ist sich Cage sicher. Um sich gegen diese „Turbulenzen“zu wappnen, die die Industrie mit Sicherheit nachhaltig prägen werden, rüste man sich bei Quantic Dream derzeit, um vielleicht weitere 25 Jahre der Branche seinen Stempel aufdrücken zu können.