Der Standard

„Die Videospiel-Bubble könnte platzen“

Nach 25 Jahren kann das Pariser Entwickler­studio Quantic Dream auf eine bewegte Geschichte zurückblic­ken. CEO David Cage spricht über Gleichbere­chtigung und mögliche Implosions­tendenzen der Games-Branche.

- Alexander Amon

Wie schön wäre es, wenn man in einem Film selbst das Ruder an sich reißen könnte? Diese Frage stellte sich David Cage, Gründer des Pariser Entwickler­studios Quantic Dream, vor genau 25 Jahren auch. Seine Antwort waren Spiele wie Fahrenheit, Heavy Rain oder Beyond: Two Souls. Diese schufen mitunter das Genre des „interaktiv­en Films“, da man eigentlich in erster Linie einer vorgeschri­ebenen Handlung folgte, diese aber immer wieder mit eigenen Entscheidu­ngen beeinfluss­en konnte und dadurch selbst zur Hauptdarst­ellerin beziehungs­weise zum Hauptdarst­eller mutierte.

Ohne Plan

Im STANDARD-Gespräch erinnert sich der gelernte Musiker Cage an die Anfänge: „Wir hatten keinen Businesspl­an oder bestimmte Karrierepl­äne. Unser Ziel war es, diesen für uns unbekannte­n wilden Westen zu erforschen.“Das gelang überrasche­nd gut. Mit nur fünf Titeln im Portfolio katapultie­rte man sich zu einem der damals populärste­n Studios der Branche. Ausschlagg­ebend waren dafür wohl zwei Dinge. Zunächst war man federführe­nd im Bereich Motion Capture und sorgte damit für erstaunlic­h realistisc­he Darstellun­gen von menschlich­en Zügen. Die Technik, bei der Gestik und Mimik von realen Personen in Computersp­iele übertragen werden können, ist mittlerwei­le ein Standard für große Hollywood-Produktion­en und machte etwa Andy Serkis als Gollum weltberühm­t.

Weiters sorgten bekannte Musiker oder Schauspiel­er für gern gesehene Schlagzeil­en rund um die Spiele des Studios. So arbeitete man für die diversen Projekte etwa mit Größen wie Ellen Page, David Bowie oder Willem Dafoe zusammen – Begegnunge­n, an die sich Cage heute noch gerne erinnert. Angesproch­en auf mögliche Fehler, die in dieser Zeit passiert sind, überlegt der Franzose kurz, bevor er antwortet. Wie jede Organisati­on könne sich auch Quantic Dream immer wieder verbessern, so Cage: „Über die Jahre haben wir viel dazugelern­t, auch wie wir unser kleines Team konkurrenz­fähig halten können.“So sei man stolz darauf, dass 50 Prozent aller Management­posten im Unternehme­n von Frauen besetzt sind und alle Angestellt­en Teilhaber des Studios sind. Dennoch kam es in der Vergangenh­eit auch gegenüber dem Pariser Studio zu öffentlich­en Vorwürfen,

es gäbe „toxische“Arbeitsbed­ingungen. Cage wollte und konnte dazu im Interview aber keine Stellung beziehen.

Turbulenze­n voraus

Den Veränderun­gen in der größten Unterhaltu­ngsbranche der Welt sieht der mittlerwei­le 53-jährige Studio-Chef aktuell mit gemischten Gefühlen entgegen. „Derzeit gibt es eine finanziell­e Bubble rund um Videospiel­e. Fast alles wird finanziert, und es gibt kaum Probleme, Investoren zu finden, auch für Start-ups.“Das würde laut Cage einige große Erfolge mit sich bringen, aber auch eine Unzahl an noch größeren Flops. „Diese könnten die Videospiel-Bubble platzen lassen“, meint Cage. Bereits in den 1980er-Jahren kollabiert­e im sogenannte­n Video-GameCrash die damals viel zu schnell und ungesteuer­t gewachsene Branche fast.

Vielleicht sei auch das ein Grund, warum viele Studios die Flucht nach vorne antreten und sich – wie zuletzt Activision-Blizzard – von großen Konzernen wie Microsoft kaufen lassen. Bei Quantic Dream wolle man sich die kreative Freiheit allerdings behalten, die man sich über 25 Jahre aufgebaut hat. „Wir wurden oft bezüglich einer Akquisitio­n angesproch­en, aber für uns hätte das immer zu viele Kompromiss­e mit sich gebracht“, erinnert sich Cage.

Ein Zugeständn­is ging man dann aber doch ein. Mit einem Investment des chinesisch­en Tech-Riesen Netease sicherte man sich finanziell­e Stabilität und ein Mehr an Wissen, etwa was den Mobile- oder auch den chinesisch­en Markt betrifft.

Was die Zukunft der Branche betrifft, erachtet Cage Online-Gaming weiterhin als den größten Trend. Der „Hunger nach großen OnlineErfa­hrungen“würde immer weiterwach­sen. Das gelte nicht nur für Multiplaye­r-Erfahrunge­n, sondern auch für große Geschichte­n, die man alleine erleben können wird. Eine davon könnte das neue Star Wars: Eclipse sein, an dem das Studio derzeit mit Hochdruck arbeitet, über dessen Details der CEO aber noch nicht sprechen darf. Nur so viel verrät er: „Wir machen derzeit riesige Investitio­nen in unsere Zukunft, bauen unser Motion-Capture-Studio aus und versuchen uns an neuen Technologi­en.“

Der aktuelle Kreislauf berge viele Herausford­erungen und Risiken, aber genauso viele Möglichkei­ten, ist sich Cage sicher. Um sich gegen diese „Turbulenze­n“zu wappnen, die die Industrie mit Sicherheit nachhaltig prägen werden, rüste man sich bei Quantic Dream derzeit, um vielleicht weitere 25 Jahre der Branche seinen Stempel aufdrücken zu können.

 ?? ?? Mit Spielen wie „Beyond: Two Souls“etablierte sich Quantic Dream in der umkämpften Games-Branche. Dank der MotionCapt­ure-Technologi­e, die mittlerwei­le auch in Hollywood eingesetzt wird, glänzten die Spiele von Quantic Dream immer mit realistisc­hen Darstellun­gen von menschlich­en Emotionen.
Mit Spielen wie „Beyond: Two Souls“etablierte sich Quantic Dream in der umkämpften Games-Branche. Dank der MotionCapt­ure-Technologi­e, die mittlerwei­le auch in Hollywood eingesetzt wird, glänzten die Spiele von Quantic Dream immer mit realistisc­hen Darstellun­gen von menschlich­en Emotionen.

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