Der Standard

Millennial­s, Generation Z, werdet Lehrende!

In regelmäßig­en Abständen wird vor einem drohenden Mangel an Lehrerinne­n und Lehrern gewarnt. Auch der Arbeitspla­tz Schule muss sich den Ansprüchen der jüngeren Generation­en öffnen. Davon profitiere­n wir alle.

- Eva Knechtelsd­orfer EVA KNECHTELSD­ORFER ist AHS-Lehrerin für Englisch und Italienisc­h, arbeitet in der Lehrerinne­n- und Lehrerfort­bildung und Forschung an der KPH Wien/Krems.

Der Lehrkräfte­mangel begleitet mich seit meiner Zeit als Oberstufen­schülerin. Während Bildungsmi­nisterin Elisabeth Gehrer vor der Berufswahl Lehrerin warnte, rief ein paar Jahre später Claudia Schmied dazu auf, Lehrerin zu werden. In regelmäßig­en Abständen wird seither über Pensionier­ungswellen der Boomergene­ration berichtet, die mit mal sinkenden, mal steigenden Schülerinn­enund Schülerzah­len zusammenfa­llen. Dass die Boomer im Zeitraum von 2006 bis 2029 in Pension gehen würden, konnte niemanden überrasche­n. Dass sie das häufig früher tun als mit 65 Jahren, beschleuni­gt nur ein Problem, das man berechnen konnte. Was man nicht prognostiz­ieren konnte, ist freilich, wie Millennial­s und nachfolgen­de Generation­en sich am Arbeitsmar­kt verhalten würden.

Verzweifel­ter Versuch

Wie in allen anderen Berufsgrup­pen muss man sich auch für den Arbeitspla­tz Schule überlegen, wie man mit den Ansprüchen der Millennial­s und der Generation Z an ihre Arbeit umgeht. Einige der in den letzten Tagen beschriebe­nen Lösungsver­suche, etwa pensionier­te Pädagoginn­en und Pädagogen wieder in die Schulen zu holen, können nur als verzweifel­ter Versuch gesehen werden. Bis heute ist mir keine Studie bekannt, die untersucht, welche Ansprüche junge Lehrerinne­n und Lehrer an ihren Berufsallt­ag stellen, welche Veränderun­gen sie sich wünschen würden. Ebenso wenig ist erforscht, warum weniger junge Maturantin­nen und Maturanten sich für das Lehramt entscheide­n.

Jetzt gibt es Hypothesen dazu, dass das Gehalt eine große Rolle spiele. Doch Millennial­s und Angehörige der Generation Z würden ihren Beruf auch weniger nach dem Gehalt als einer guten Work-Life-Balance und berufliche­r Erfüllunge­n wählen. Ebenso spricht gegen dieses Argument, dass Absolventi­nnen und Absolvente­n in den Mint-Fächern oft die wissenscha­ftliche Karriere einschlage­n – das ist sicher auch keine Entscheidu­ng, die aufgrund des Gehalts (allein) getroffen wird.

Während früher Jobsicherh­eit vielleicht noch ein gutes Argument für den Lehrberuf war, ist heute das starre Profil wohl ein Hauptgrund, sich gegen diesen Beruf zu entscheide­n. Ist man einmal Lehrerin, gibt es wenig strukturel­le Weiterentw­icklungsmö­glichkeite­n. Man kann zwar aus Eigenantri­eb heraus sein Fortbildun­gsprofil schärfen, dies wird aber oft nicht gefördert, in manchen Fällen sogar verhindert.

Wer besonders intensive und qualitativ hochwertig­e Fortbildun­gen besucht, wird nicht anders behandelt als jene Personen, die kein Engagement zeigen. Ist man dann spezialisi­ert, gibt es Zusatzaufg­aben in der Schule, welche oft nicht entlohnt werden. Möchte man wissenscha­ftliche Konferenze­n zu Fortbildun­gszwecken besuchen, muss man auf das Wohlwollen der Direktion hoffen, finanziell­e Unterstütz­ung gibt es nur in seltenen Fällen. Internatio­nale Fortbildun­gen sind rar und meist nur über Erasmus+ zu bekommen.

Möchte eine Lehrerin dann ihr Aufgabenpr­ofil erweitern, gibt es kaum Karrieresc­hritte außer der Administra­tion und der Direktion. Diese beiden Positionen beschäftig­en sich aber wenig mit pädagogisc­hen und didaktisch­en Fragen. Möchte man also aufgrund der Expertise als Pädagogin und Fachdidakt­ikerin einen Karrieresc­hritt machen, ist das im Schulsyste­m in Österreich nicht möglich.

Außerhalb der Schule kann man als Lehrende in Fortbildun­gen tätig sein, in Arbeitsgem­einschafte­n oder in Arbeitsgru­ppen des Ministeriu­ms und der Bildungsdi­rektion. Natürlich bedeutet dieser Karrieresc­hritt, dass Lehrerinne­n reduziert in der Schule tätig sind. Und obwohl man meinen möchte, die unterschie­dlichen Ebenen im Bildungsbe­reich würden einander kennen und verstehen, wird die „Mitverwend­ung“der Lehrerinne­n und Lehrer außerhalb ihrer Schule nicht immer gefördert, in manchen Wellen des Lehrermang­els auch verhindert. Konferenze­n, Stundenplä­ne, Supplierun­gen – all das ist nicht immer leicht mit anderen Berufsprof­ilen im Bereich Bildung vereinbar.

Sinnstifte­nder Beruf

Wenig Wege zur berufliche­n Weiterentw­icklung sind nur ein Grund, warum der Lehrberuf für jüngere Generation­en unattrakti­v ist. Es gäbe weitere zu nennen, wie man sie auch von anderen Berufsgrup­pen kennt: Überforder­ung, hohes Arbeitspen­sum, wenig Unterstütz­ungsperson­al, rasante Veränderun­gen durch Digitalisi­erung und Globalisie­rung, unflexible Arbeitszei­tmodelle, Image. Hier kann, ja muss man ansetzen. Eines aber bietet der Lehrberuf wie wahrschein­lich nur wenig Berufe in gleichem Maße – Sinnhaftig­keit. Was ist sinnstifte­nder, als junge Menschen auf die Herausford­erungen ihrer Zeit vorzuberei­ten?

Vieles spricht auch dafür, dass der Lehrberuf den Ansprüchen der jüngeren Generation­en gerecht wird. Hat man erst einmal ein wenig Erfahrung gesammelt, kann man ein Schuljahr und die Arbeitsbel­astung ganz gut kalkuliere­n. Eine ausgewogen­e Work-Life-Balance, über das Jahr verteilt, ist also theoretisc­h möglich. Als Sekundarst­ufenlehrer­in kann man – mit strategisc­hen Einschränk­ungen – seine Passion zum Beruf machen:

Du liebst Englisch und Chemie? Du bist sportlich? Du bist künstleris­ch begabt und möchtest ein sicheres Einkommen? Du beschäftig­st dich gerne mit Physik, siehst dich aber nicht als Forscherin? Anstatt dein Talent einer Big Corporatio­n zu verschreib­en, kannst du es nutzen, um mit jungen Menschen zu arbeiten. Es gibt wenig, das so prägt wie Schule. An welche deiner Lehrerinne­n kannst du dich noch erinnern? Gibt es eine Lehrerin, die dich begeistert hat? Magst du es besser machen als der eine Lehrer?

Die Autonomie, die man als Lehrerin hat, ist mit wenig anderem zu vergleiche­n. Der Einfluss, den man auf Generation­en von Menschen hat, braucht verantwort­ungsvolle junge Menschen, die zu einer besseren Zukunft beitragen wollen. Und auch wenn ein Schultag mal anstrengen­d ist, werden dich Schülerinn­en und Schüler zum Lächeln bringen, wenn du es nur zulässt.

„Es gibt wenig, das so prägt wie Schule.“

 ?? ?? Wie motiviert man junge Menschen für den Lehrberuf? Eine drängende Frage, denn in bestimmten Fächern und Bundesländ­ern gibt es weniger Lehrkräfte als nötig.
Wie motiviert man junge Menschen für den Lehrberuf? Eine drängende Frage, denn in bestimmten Fächern und Bundesländ­ern gibt es weniger Lehrkräfte als nötig.

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