Nächster Corona-Peak steht bevor
Noch im Sommer könnten sich die Zahlen vervielfachen
Wien – In seinem neuen Bericht fordert der Krisenstab Gecko, die Überwachung der Corona-Lage wieder zu verbessern. Sie habe sich „zuletzt verschlechtert“. Im April wurden bekanntlich die Gratis-Corona-Tests für alle limitiert, im Juni die Schultests abgeschafft. Die Zahlen werden jedenfalls weiter steigen, auf bis zu 70.000 Infektionen pro Tag, auch das steht in dem Bericht. Offen ist nur noch, ob das schon im Sommer oder erst nach den Ferien geschieht. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) befürchtet aber kein erneutes Testchaos an den Schulen, wenn die Ferien vorbei sind. (red)
In ihrem neuen Bericht fordert die Gecko-Kommission eine bessere Überwachung der Corona-Zahlen. Und: Sie geht von bis zu 70.000 Neuinfektionen am Tag aus – vielleicht sogar schon im Sommer. Die Bevölkerung sei außerdem so viel unterwegs wie schon lange nicht mehr, gleichzeitig trage sie immer seltener eine Maske. In den 24 Stunden auf Donnerstag wurden etwa 12.500 Neuinfektionen gezählt, dazu acht Todesfälle im Zusammenhang mit Corona.
Noch Mitte Mai ging man bei Gecko von einer maximalen Zahl der Neuinfektionen im Sommer von 30.000 aus. Jetzt nicht mehr. Der Verlauf der nächsten 100 Tage, so schreibt sie, hängt von drei Dingen ab: der Dominanz von BA.4 und BA.5, dem Verlauf der Immunisierung in der Bevölkerung und den individuellen Verhaltensänderungen. Daraus ergeben sich drei Szenarien.
Höhepunkt unklar
Was sie gemein haben: Die Welle wird einen Höhepunkt erreichen, und der wird bei zwischen 35.000 und 70.000 Neuinfektionen am Tag liegen. Was die Szenarien unterscheidet: der Zeitpunkt, zu dem dieser Höhepunkt erreicht wird.
Im ersten Szenario werden die „eigenverantwortlichen“Kontakte der Menschen nur um 15 Prozent reduziert. Das wird nicht ausreichen, um die nächste Welle frühzeitig abzuflachen, schreibt die Gecko. Dann würde Österreich schon im Sommer Spitzenwerte von bis zu 70.000 Neuinfektionen pro Tag erreichen.
Werden die Kontakte aber um zusätzliche 20 Prozent reduziert, würde die Welle schon im Juli auf 20.000 bis 30.000 Infektionen abflachen, bevor der Peak im Herbst erreicht werden würde. Sollten die Kontakte um 30 Prozent reduziert werden, dann wäre der „Zwischenpeak“ sogar geringer als bei der BA.1-Welle: Diese hatte ihren Peak im Jänner mit knapp 40.000 täglichen Neuinfektionen. Dann käme nach dem Sommer aber noch ein Höhepunkt, der mit der BA.2-Welle vergleichbar wäre – da war der Peak im März mit knapp unter 60.000 täglichen Neuinfektionen. Welches Szenario wahrscheinlicher ist, kann die Gecko nicht beurteilen.
Abhängig ist all das vom sogenannten Ferieneffekt. Der setzt sich laut Gecko zusammen aus urlaubswie bedingten Abwesenheiten am Arbeitsplatz, aus den Sommerferien und generell eben daraus, dass viele auf Urlaub sind. Fraglich ist aber ebenso, ob das Risikobewusstsein in der Bevölkerung wieder steigt. Gecko nimmt in seinen Modellrechnungen an, dass dieser Effekt seinen Höhepunkt dann hat, wenn wieder 20.000 tägliche Neuinfektionen gezählt werden.
Plausibel sei, so schreibt Gecko, dass die Belastung des Gesundheitssystems ähnlich hoch sein werde zu den Spitzenzeiten der BA.2Welle. Das heißt: 2500 bis 4500 belegte Betten im Normalbereich, 150 bis 300 belegte Betten auf Intensivstationen.
Dazu kommt wohl erneut eine „Massenquarantäne“, bei der massiv Personal ausfallen wird. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) denkt seit Wochen laut darüber nach, die Quarantäne irgendwann zu erleichtern oder abzuschaffen.
All diese Prognosen gelten unter der Annahme, dass sich das Testregime nicht maßgeblich ändern wird. Gleichzeitig, auch das steht im Gecko-Bericht, geht das Prognosekonsortium von einem Dunkelzifferanteil bei den Corona-Erkrankungen von 50 Prozent aus.
„Sinnvoll wäre eine Surveillance der aktuellen Dynamik, die sich zuletzt verschlechtert hat“, heißt es in dem Bericht.
Unsichere Lage an Schulen
Mit etwas Bauchweh ob der unsicheren Corona-Lage blicken wohl viele Direktorinnen und Lehrer auf das neue Schuljahr. Welche Maßnahmen anstehen, sollen die Schulen am 29. August, also eine Woche vor Schulstart, erfahren, wie Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) die Schulleitungen wissen ließ. Diese Kurzfristigkeit verteidigte der Minister kürzlich in der ZiB 2: Die Masken seien, so sagte er sinngemäß, schnell einsetzbar; auch die Gefahr eines erneuten Testchaos wie zu Beginn des Jahres sei nicht mehr gegeben. Man werde die Zahl der Testanbieter österreichweit auf fünf erhöhen – dazu laufen gerade die Auswahlverfahren. „Sollte der Bedarf da sein zu testen, sind wir dann vorbereitet“, sagte Polaschek.
Ähnlich vage verhält es sich auch bei den von der Lehrergewerkschaft für berufsbildende mittlere und höhere Schulen geforderten CO₂-Messgeräten in Schulklassen. Zwar ist die Forderung nicht neu, der Minister will sich das aber „anschauen und Expertinnen befragen“.
Das Arbeitsministerium hat währenddessen entschieden, die Dienstfreistellung, die Ende Juni ausläuft, vorerst nicht zu verlängern. Sollte es die epidemiologische Situation erfordern, sei eine rasche Wiedereinführung der Verordnung möglich. „Für die Betroffenen ist das eine Katastrophe“, sagt dazu der Gewerkschaftsbund.
Im Osten des Landes können die Kinder und Jugendlichen durchschnaufen: Sommerferien! Mit der Zeugnisverteilung endet am Freitag für die Schülerinnen und Schüler in Wien, Niederösterreich sowie dem Burgenland das dritte Schuljahr im Zeichen der Corona-Pandemie in Österreich – in allen anderen Bundesländern tickt die Uhr auch; da ist es kommende Woche so weit. Endlich.
Denn die durchaus holprigen Semester seit Auftreten der ersten Covid-Infektionen im Frühjahr 2020 fühlen sich wie eine kleine Ewigkeit an. Für jene Volksschulkinder, die kommendes Schuljahr in die Sekundarstufe eins wechseln, ist es das auch: Sie haben mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Schullaufbahn im Ausnahmezustand und mit Covid-Maßnahmen verbracht.
Und diese hielten urplötzlich, ohne große Vorwarnung Einzug in den Alltag des Nachwuchses. Beinahe über Nacht mussten Lehrerinnen und Lehrer mehr oder weniger im Alleingang ihre technischen Kompetenzen erweitern und perfektionieren. Dass dieses Kunststück im Großen und Ganzen gut gelungen ist, ist gleichermaßen überraschend wie beeindruckend. Und es ist vor allem den Schulen und engagierten Lehrkräften selbst zuzuschreiben, die über sich hinausgewachsen sind.
Seit fünf Semestern switchen Kinder und Jugendliche zwischen DistanceLearning, Homeschooling mit Eltern und wieder retour in den Unterricht vor Ort. Dort waren mit den zeitweise durchaus strengen Covid-Regeln einmal Masken angesagt, dann standen Testungen auf dem Stundenplan, und schließlich wechselte im vergangenen Semester alles wieder fast zurück zum Alten. Das Gefühl, die Pandemie sei vorbei, ist mittlerweile in den Klassen angekommen. Auch wenn es sich tatsächlich nur um eine kurze Durchschnaufpause bis zum Herbst handelt – Sommerferien eben.
All die Maßnahmen und Einschränkungen, die in den Schulen gesetzt wurden, hatten eine Eigenschaft gemein: Sie wurden kurzfristig – meist nur wenige Tage vor ihrem Inkrafttreten – von der Regierung verkündet. Für Direktionen, Lehrkräfte, Eltern und die Schülerinnen selbst war diese Plötzlichkeit alles andere als einfach. Planungssicherheit sieht anders aus. Und derzeit wirkt es nicht so, als würde das im kommenden Schuljahr ab Herbst anders werden. In einem Brief an die Schulen verkündete das Bildungsressort, mögliche Corona-Maßnahmen würden Ende August bekanntgegeben – also knapp eine Woche vor Schulbeginn. Aus Ministeriumssicht ist das ausreichend Zeit. Gelernt hat man aus den vergangenen Jahren fast nichts. Doch in der Regierung kann man sich offenbar sowieso nur vorstellen, auf Altbekanntes zurückzugreifen.
Dabei gibt es durchaus auch andere Überlegungen und Beispiele für Sicherheitsvorkehrungen in den Schulen und Klassenzimmern. Zum Teil liegen diese auch seit langem auf dem Tisch oder wurden sogar schon angekündigt – nur an der Umsetzung hapert es einmal mehr. Da wäre etwa der Einsatz von CO2Messgeräten in den Klassen oder die Ausstattung mit Luftreinigungsanlagen in Räumen, wo Lüften schwierig ist.
Kein Kind sollte in einem stickigen Klassenzimmer lernen müssen. Das galt schon vor der Pandemie. Nur wurde nie etwas getan. Wenigstens dieses Problem sollte die Regierung jetzt lösen. Die Sommerferien, wenn die Schülerinnen im Schwimmbad sind, statt die Schulbank zu drücken, wären ein guter Moment.