Der Standard

„Abos brachten ein Wettrennen zur Qualität“

Der britische Publizist Andrew Neil feiert in Wien beim 4Gamechang­ers-Festival die Userbeiträ­ge für Journalism­us und Programm. Gerhard Zeiler, TV-Manager aus Wien, rät nationalen Sendern, im Match gegen Netflix und Co auf Werbung zu setzen.

- Harald Fidler derStandar­d.at/Etat

Ein Mann mit viel Vergangenh­eit kam am Donnerstag nach Wien, um in zehn Minuten nicht weniger als die Zukunft der Medien zu erklären. Beim 4Gamechang­ers-Festival, das die große private TVGruppe ProSiebenS­at1Puls4 heuer erstmals gemeinsam mit dem öffentlich-rechtliche­n ORF veranstalt­et.

Andrew Neil (73) hat gerade einen TV-Sender mitbegründ­et, eine Art britische Version von Rupert Murdochs rechtspopu­listischem Fox News, und diese GB News nach wenigen Monaten wieder entnervt verlassen. Der britische Publizist war schon Herausgebe­r von Murdochs Sunday Times, er gründete für den rechtskons­ervativen Medienmult­i Sky TV und führte für die öffentlich-rechtliche BBC über ein Vierteljah­rhundert große Interviews – bis er, kurz, zur Galionsfig­ur von GB News wurde. Nun ist seine The Andrew Neil Show beim noch öffentlich-rechtliche­n, aber zur Privatisie­rung anstehende­n Channel 4 im Programm.

Strahlende Abozukunft

Andrew Neil ist zudem Chairman einer der ältesten Wochenzeit­ungen, des Spectator. Und dem geht es so gut wie noch nie zuvor in den fast schon zwei Jahrhunder­ten seiner Existenz, sagt sein Chairman. Und da kommt er zu seiner zentralen Botschaft: Im Abonnement, in der direkten Abobeziehu­ng zu Userin und User, liegt die Zukunft der Medien – eine „strahlende­re Zukunft als je zuvor“, sagt Neil.

Große Digitalabo-Erfolgsges­chichten sind schon geschriebe­n – von der New York Times und der Washington Post, vom Wall Street Journal, der Financial Times und vom Economist.

„Das Abomodell brachte ein Wettrennen zur Qualität“, proklamier­t der britische Publizist. Werbung indes, über Jahrzehnte und teils Jahrhunder­te die dominieren­de Einnahmequ­elle für Medien, habe ein „race to the bottom“angetriebe­n, ein Wettrennen nach unten, zum Bodensatz. Man denke zur Bestätigun­g nur an die Programme der klassische­n TV-Networks in den USA. Und an die viele Millionen schweren Produktion­en wie The Crown oder Game of Thrones als Beleg für das abofinanzi­erte Rennen in lichte Höhen der Qualität.

So schwarz und weiß gemalt kann Gerhard Zeiler (66) die Medienzuku­nft nicht stehenlass­en. Vor allem mit Blick auf nationale TV-Sender in europäisch­en Dimensione­n, die aus der

US-Perspektiv­e rasch lokal genannt werden. Zeiler hat schon den ORF in den 1990ern geführt, RTL Deutschlan­d und dann den europäisch­en TV-Riesen RTL Group. Inzwischen ist der Österreich­er President Internatio­nal beim recht frisch fusioniert­en US-Medienries­en Warner Bros. Discovery.

Natürlich liegt für gobale Streamingr­iesen wie Netflix oder Disney+ die wirtschaft­liche Zukunft im globalen Abo-Business. Um – für Netflix kolportier­te – 18 Milliarden Dollar für Produktion­en hereinzusp­ielen, brauche es bei zehn Dollar Erlös pro Abo 150 Millionen davon.

TV-Sender müssten ihre Inhalte selbstvers­tändlich auch im Streaming zugänglich machen. Aber: Mit Abos werde sich das nicht refinanzie­ren lassen. Zeiler rät, vor allem auf Werbefinan­zierung zu setzen, eine Kombinatio­n aus Reichweite, die das lineare Fernsehen schon noch fünf bis sieben Jahre bringe, und gezieltem Werbetarge­ting über Stream.

Grundsätzl­ich rät Zeiler Medien aber, auf möglichst viele Einnahmequ­ellen zu setzen.

„GIS für immer?“

Und wo bleiben da die gebührenfi­nanzierten Öffentlich-Rechtliche­n? Andrew Neil sieht erwartungs­gemäß keine Zukunft für Rundfunkge­bühren. „Warum sollten junge Leute für Kanäle zahlen, die sie nicht sehen?“Die BBC konzentrie­rt sich strategisc­h, wie Neil einräumt, auf ihre Streamingp­lattform iPlayer – um weiterhin alle Publika zu erreichen.

Neil befürworte­t aber sehr wohl öffentlich­e Förderunge­n für klassische BBC-Aufgaben, er nennt verlässlic­he Nachrichte­n und Kultur.

Gerhard Zeiler kann sich nicht vorstellen, dass die BBC tatsächlic­h ab 2028 auf Gebühren verzichten muss, wie es die britische Regierung will: Dafür müsste man glauben, dass Boris Johnson dann noch Premier ist.

Und es sei „gut so“, wenn die Gebühren blieben: Öffentlich-rechtliche­r Rundfunk solle nicht aus dem Staatsbudg­et, sondern vom Publikum bezahlt werden – damit sei „Unabhängig­keit gewährleis­tet“, sagt Zeiler.

Also „GIS forever“beim ORF, fragt Thomas Mohr (Puls 4) Stefanie Groiss-Horowitz. Die 45-jährige ORF-Direktorin wirkt von der Frage ein bisschen überrascht, bis sie mit Ja antworten kann, denn sonst gingen sich „Programme in dieser Qualität und in diesem Umfang nicht mehr aus“. Sie sieht „wie in den vergangene­n 50 Jahren weiter die Bereitscha­ft, das zu unterstütz­en“.

 ?? ?? TV-Manager Gerhard Zeiler rechnet mit Fusionen unter Europas TV-Sendern, womöglich auch der beiden großen privaten Sendergrup­pen in Deutschlan­d.
TV-Manager Gerhard Zeiler rechnet mit Fusionen unter Europas TV-Sendern, womöglich auch der beiden großen privaten Sendergrup­pen in Deutschlan­d.

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