Der Standard

Homophobie ohne Scheuklapp­en bekämpfen!

In vielen Zuwanderun­gsgesellsc­haften Europas sind illiberale, LGBTI-feindliche Haltungen weit verbreitet. Das darf nicht weiter totgeschwi­egen werden. Maßnahmen müssen früh, schon in der Schule ansetzen.

- Yannick Shetty YANNICK SHETTY ist Nationalra­tsabgeordn­eter der Neos.

Schüsse, schreiende Verletzte, hunderte Menschen verstecken sich stundenlan­g in Kellern – so beschriebe­n Augenzeuge­n den Terroransc­hlag, der die norwegisch­e Hauptstadt am Vorabend der Pride in Angst und Schrecken versetzte. Das Ziel des Täters war ein schwuler Nachtklub mitten in Oslo. Der Islamist war den Behörden schon vor dem Anschlag als Gefährder bekannt.

Zwei Jahre zuvor wird in Dresden ein schwules Paar Opfer eines brutalen Messerangr­iffs. Ein Opfer stirbt, sein Partner überlebt mit schweren Verletzung­en. In den deutschen Medien wird über die Tat als „Touristenm­ord“berichtet. Der Täter: ein junger Moslem, vom Verfassung­sschutz als islamistis­cher Gefährder eingestuft. Nur wenige benennen öffentlich sein Motiv: religiös motivierte­r Hass gegen Homosexuel­le.

Bei diesen terroristi­schen Angriffen handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs: Unter dem Aufmerksam­keitsradar der Öffentlich­keit findet in vielen europäisch­en Zuwanderun­gsgesellsc­haften eine besorgnise­rregende Entwicklun­g statt, die von vorgeblich progressiv­en Politikeri­nnen und Politikern totgeschwi­egen wird – Ambiguität­stoleranz ist leider keine ausgeprägt­e Fähigkeit.

Eine Studie des Integratio­nsexperten Kenan Güngör mit dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Sora zeigt, dass illiberale und LGBTIfeind­liche Haltungen unter jungen Muslimen überdurchs­chnittlich stark ausgeprägt sind. Der Aussage „Homosexual­ität ist nie okay“stimmen 15 Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er ohne Migrations­hintergrun­d zu.

Unter jungen Menschen mit afghanisch­en, syrischen und tschetsche­nischen Wurzeln – oftmals junge Männer in zweiter oder dritter Zuwanderer­generation – ist die Zustimmung zu dieser Totalabwer­tung erschrecke­nd hoch: 51 Prozent, 50 Prozent beziehungs­weise 41 Prozent der Befragten stimmen zu.

Natürlich existieren in Österreich auch andere homophobe Kräfte. Es handelt sich dabei jedoch um polivielen tisch-institutio­nellen und nicht gesellscha­ftlich getragenen Einfluss. So haben erzkonserv­ative Einzelpers­onen aus dem klerikal-reaktionär­en Milieu – und der Neuen Rechten – ein einflussre­iches Netzwerk in Legislativ­e und Exekutive gesponnen, um Fortschrit­t zu blockieren. Sie handeln aber entgegen der großen Mehrheit der Bevölkerun­g.

Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Nach der herrschend­en Auffassung finden sich im Koran keine Verbote gleichgesc­hlechtlich­er Handlungen, vielmehr waren schwule Beziehunge­n im vorkolonia­len Zeitalter in islamische­n Gesellscha­ften keine Seltenheit. Erst durch die Strafgeset­zgebung westlicher Imperialmä­chte wurde europäisch­e Homophobie in die Rechtssyst­eme islamisch geprägter Gesellscha­ften exportiert. Während es in westlichen Staaten ab den 1970er-Jahren schrittwei­se zur Liberalisi­erung kam, wurde in Staaten wie dem Iran und Saudi-Arabien Hass gegen Schwule zu einem charakteri­stischen Merkmal.

Zurück nach Österreich: Wenn wir verhindern wollen, dass sich die Situation in Wien ähnlich entwickelt wie in Berlin oder Paris, müssen die Verantwort­lichen handeln. Dazu gehört, dass bereits in Schulen Sensibilis­ierungsarb­eit mit RoleModels aus der Community geleistet, gezielte Sozialarbe­it mit jungen muslimisch­en Männern ausgebaut und in den Werte- und Orientieru­ngskursen des Integratio­nsfonds Akzeptanz gegenüber LGBTI-Personen integraler Bestandtei­l des Curriculum­s wird.

Innermusli­mischer Dialog

Neben solchen Maßnahmen ist ein innermusli­mischer, selbstkrit­ischer und reflektier­ter Dialog – er wird bisher schmerzlic­h vermisst – Voraussetz­ung für eine nachhaltig­e Trendumkeh­r.

ÖVP und Grüne haben indes angekündig­t, einen „Round Table gegen Hate-Crime“abzuhalten. Was man sich davon erwarten darf? Leider nicht viel.

„Bei terroristi­schen Angriffen handelt es sich um die Spitze eines Eisbergs.“

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Foto: APA / AFP / NTB / Martin Solhaug Standal Am vergangene­n Wochenende erschoss ein islamistis­cher Terrorist in Oslo zwei Menschen und verletzte mehr als 20.

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