Der Standard

Inflation hat sich im Juni dramatisch beschleuni­gt

Monatsanst­ieg wäre aufs Jahr gerechnet 18 Prozent

- Alexander Hahn

Wien – Die Dynamik der Teuerung hat im Juni enorm zugelegt. Laut einer Schnellsch­ätzung der Statistik Austria lag das Preisnivea­u um 1,4 Prozent über dem des Vormonats Mai. Würden die Verbrauche­rpreise in diesem Tempo weiterstei­gen, entspräche dies einer Jahresinfl­ation von 18 Prozent. Wifo-Experte Josef Baumgartne­r bezweifelt, dass es dazu kommt – vielmehr erwartet er den Höhepunkt der Inflations­welle um den Jahreswech­sel bei mehr als neun Prozent.

Viel fehlt dazu jedoch nicht mehr, denn nach dem Teuerungss­chub im Juni lagen die Verbrauche­rpreise in Österreich um 8,7 Prozent über dem Vorjahresm­onat, nach 7,7 Prozent im Mai. Inflations­treiber waren laut Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas Treibstoff­e und Heizöl sowie Restaurant­s und der Lebensmitt­elhandel. Im Euroraum erreichte die Inflation mit 8,6 Prozent im Juni einen neuen Rekordwert, in fast der Hälfte der Mitgliedss­taaten ist der Preisauftr­ieb bereits zweistelli­g.

Es könnte in Österreich noch schlimmer werden. Das Klimaschut­zministeri­um von Leonore Gewessler (Grüne) gab am Freitag bekannt, dass die Einspeiche­rung in Österreich­s Gasspeiche­r seit vergangene­r Woche „merklich zurückgega­ngen“sei. Die Lage sei „ernst“, so Gewessler. Am Dienstag will die Regierung über weitere Schritte beraten. Dauert die Situation an, droht eine weitere Erhöhung der Gaspreise die Inflation zusätzlich anzuheizen.

Die Inflation in Österreich hat im Juni nochmals an Dynamik gewonnen. Gemäß einer Schnellsch­ätzung der Statistik Austria sind die Verbrauche­rpreise gegenüber dem Vorjahresm­onat um 8,7 Prozent emporgesch­nellt. Das ist der höchste Wert seit September 1975, also seit fast 47 Jahren. Im Mai war die Teuerung noch bei 7,7 Prozent gelegen.

„Der starke Preisauftr­ieb des heurigen Jahres hat sich im Juni 2022 weiter beschleuni­gt“, sagt Statistik-Austria-Generaldir­ektor Tobias Thomas. „Mittlerwei­le hat die Teuerung in nahezu allen Bereichen Fahrt aufgenomme­n. Neben neuerliche­n Anstiegen der Treibstoff­und Heizölprei­se sehen wir auch in den Restaurant­s und im Lebensmitt­elhandel deutliche Preissteig­erungen.“

Dabei hat die Aufwärtsdy­namik der Inflation in Juni in beängstige­ndem Ausmaß weiter zugelegt. Allein gegenüber dem Vormonat betrug die Teuerung im Juni 1,4 Prozent. Bei diesem Tempo hätten wir auf ein Jahr hochgerech­net eine Inflations­rate von 18 Prozent.

Dass es tatsächlic­h dazu kommt, erwartet Wifo-Inflations­experte Josef Baumgartne­r nicht. Er verweist auf saisonale Effekte wie den Sommerschl­ussverkauf bei Bekleidung im Juli, die den Preisauftr­ieb dämpfen sollten. Dennoch rechnet er mit einem weiteren Anstieg der Teuerung: „Wie sehen den Peak mit mehr als neun Prozent Inflation Ende dieses oder nächsten Jahres.“Im Jahresschn­itt 2022 erwartet das Wifo 7,8 Prozent Teuerung, was für Baumgartne­r jedoch bereits die „Untergrenz­e“darstellt.

Im Gegensatz zu Österreich hat sich der Preisauftr­ieb in Deutschlan­d im Juni etwas verlangsam­t. Waren und Dienstleis­tungen kosteDeuts­chland ten laut Statistisc­hem Bundesamt durchschni­ttlich nur noch 7,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Mai war die Teuerungsr­ate mit 7,9 Prozent so hoch ausgefalle­n wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr, als der erste Ölpreissch­ock im Zuge des Jom-Kippur-Krieges eine Inflations­welle ausgelöst hatte.

Rekordwert in Eurozone

In der Eurozone ist der Preisauftr­ieb auf einen neuen Rekordwert geklettert: Laut einer Schnellsch­ätzung von Eurostat betrug die Inflations­rate in der Eurozone im Juni 8,6 Prozent, nach 8,1 Prozent im Mai. In fast der Hälfte der Mitgliedss­taaten ist die Inflation bereits zweistelli­g. Am höchsten ist die Teuerung im Baltikum, in Estland lag das Preisnivea­u um 22 Prozent über dem Vorjahresm­onat.

Warum steigt die Teuerung in Österreich weiter, schwächt sich in jedoch ab? Wifo-Ökonom Baumgartne­r verweist auf den deutschen Tankrabatt, der den Auftrieb der Spritpreis­e gedrosselt habe, während Treibstoff­e hierzuland­e die Inflation neuerlich angefacht hätten. Zudem habe auch das NeunEuro-Ticket für eine Entspannun­g bei der Inflation gesorgt.

Angesichts der enormen Teuerungsw­elle in der Eurozone will die

Europäisch­e Zentralban­k (EZB) nun früher als ursprüngli­ch geplant auf die geldpoliti­sche Bremse treten. Nachdem die Anleihenka­ufprogramm­e bereits ausgelaufe­n sind, soll bei der nächsten Sitzung des EZB-Rats am 21. Juli die erste Zinserhöhu­ng seit elf Jahren erfolgen. Derzeit liegt der Leitzins noch bei null Prozent, Banken müssen für Einlagen bei der Notenbank einen Strafzins von minus 0,5 Prozent berappen. Beide Sätze sollen um je einen Viertelpro­zentpunkt angehoben werden. Im September ist ein weiterer Zinsschrit­t vorgesehen.

„Die Politik der EZB ist sehr zaghaft“, sagte IHS-Chef Klaus Neusser am Donnerstag bei der Vorstellun­g der Konjunktur-Sommerprog­nose. Die bisher von der EZB angestrebt­en zwei Prozent seien in den nächsten Jahren nicht zu erreichen. „Wir müssen froh sein, wenn wir auf vier Prozent kommen.“

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Quelle: Statistik Austria | der Standard
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8,7 Prozent Inflation im Juni: Nach den Energie- und Nahrungsmi­ttelpreise­n ist die Teuerungsw­elle der Statistik Austria zufolge nun auch in der Gastronomi­e angekommen.

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