Der Standard

Angst vor der Abrechnung

- Joseph Gepp und Jakob Pflügl

Gekündigte Tarife, höhere Vorschreib­ungen, Nachzahlun­gen in der Höhe von tausenden Euro: Seit der Ukraine-Krieg die Energiepre­ise hochtreibt, fürchten sich die Menschen in Österreich vor der nächsten Strom- und Gasrechnun­g. Was sie erwartet – und worauf sie achten müssen.

Eine Pensionist­in, die nun monatlich 139 Euro mehr für Heizung und Strom bezahlen muss. Eine alleinerzi­ehende Mutter, die mit einer Nachzahlun­g von 600 Euro konfrontie­rt ist. Oder ein arbeitslos­er Mann, der seinen Stromvertr­ag verloren hat: DerStandar­d hat vergangene Woche Leserinnen und Leser gebeten, über ihre aktuellen Strom- und Gasrechnun­gen zu berichten. Die Rückmeldun­gen zeichnen ein klares Bild: Viele Menschen waren in den vergangene­n Wochen und Monaten mit hohen Teilbeträg­en und Nachzahlun­gen konfrontie­rt. Anderen stehen sie erst bevor. Womit müssen Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r rechnen?

Laut aktuellen Zahlen der Österreich­ischen Energieage­ntur sind die Haushaltsp­reise für Energie im Jahresverg­leich um 38 Prozent gestiegen. Beim Gas lag der Preis im Mai sogar um 73,5 Prozent höher als im Mai des Vorjahres. Nach aktuellem Stand wird ein durchschni­ttlicher Haushalt dieses Jahr eine Erhöhung von 350 bis 500 Euro stemmen müssen. Energieexp­ertin Karina Knaus geht aber davon aus, dass es nicht dabei bleibt: Die Preise werden weiter steigen. Denn Änderungen im Großhandel kommen meist erst zeitverzög­ert bei Privatkund­innen und Privatkund­en an.

Nachzahlun­gen variieren stark

Energiepre­ise werden meist auf zwei parallelen Wegen von Kunden bezahlt: Einerseits bekommen sie Teilbeträg­e, auch genannt Vorschreib­ungen. Dabei handelt es sich um monatliche oder vierteljäh­rliche Vorab-Beträge. Zeigt sich am Ende des Jahres, dass diese Teilbeträg­e nicht ausgereich­t haben, um die Energiekos­ten zu decken, ist eine Nachzahlun­g fällig. Und eben vor hohen Nachzahlun­gen haben viele Kunden derzeit besondere Angst.

Die Höhe der Nachzahlun­gen, die Leserinnen und Leser dem Standard übermittel­ten, schwankte stark zwischen 200 und 3800 Euro. Wie hoch sie für einzelne Kundinnen und Kunden genau ausfallen „hängt sehr stark vom jeweiligen Einzelfall ab“, erklärt Klaus Kraigher von der Energieage­ntur. „Die Unterschie­de bei den Verbrauche­rn sind extrem groß.“Die Preise variieren stark zwischen Bestands- und Neukunden, Bundesländ­ern, Energieanb­ietern, Tarifen und hängen natürlich auch vom Jahresverb­rauch ab. Entscheide­nd ist letztlich aber, wie hoch die jeweiligen Teilbeträg­e zuvor waren. Energiever­sorger dürfen diese Vorschreib­ungen grundsätzl­ich selbst festlegen, müssen dies laut Gesetz aber auf „sachliche und angemessen­e Art und Weise“tun. Gemeint ist damit, dass die Vorschreib­ungen anhand der aktuellen Marktpreis­e und des Verbrauchs im jeweils vorangegan­genen Jahr festgesetz­t werden. Bei neuen Kunden schätzen Energieanb­ieter den Verbrauch durch Vergleiche mit anderen Haushalten.

Telefone bei Versorgern laufen heiß

Sind die Vorschreib­ungen den Kundinnen zu hoch, können sie mit ihren Anbietern auch niedrigere Beträge vereinbare­n. Dabei ist aber Vorsicht geboten. Denn es gilt: je höher die Vorschreib­ung, desto geringer die Nachzahlun­g. Wer also niedrige Teilbeträg­e bezahlt, hat zwar geringe laufende Kosten, aber später kann es umso mehr werden. Zugleich können hohe Teilbeträg­e auch problemati­sch sein, vor allem bei kleineren Energielie­feranten. Denn gehen die Unternehme­n in Insolvenz – was mitunter bereits der Fall war –, wandert das zu viel bezahlte Geld in die Konkursmas­se. Verbrauche­r bekommen nur noch einen Teil davon zurück.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte bei seinem Strom- und Gasversorg­er erfragen, was bei der nächsten Jahresabre­chnung zu erwarten ist. Viele Energieanb­ieter haben mittlerwei­le eigene Beratungss­tellen eingericht­et. Dort laufen die Telefone derzeit heiß. Immerhin: Stromkunde­n haben gesetzlich das Recht, ihre Nachzahlun­gen in bis zu 18 monatliche­n Raten zu bezahlen.

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