Der Standard

„Wenige schwarze Schafe ruinieren den Markt“

Hans Peter Spak erzeugt Ketchup, Senf und Pasteten. Warum sich der Wiener Unternehme­r niemals von Raiffeisen schlucken lassen will, an welche Grenzen Tierwohl stößt und welche Rohstoffe knapper denn je sind.

- INTERVIEW: Verena Kainrath

Er redet gerne mit, aber keinem mehr was drein: Hans Peter Spak, oberster Vorkoster seiner Betriebe Spak und Hink, prägt seit 50 Jahren den Geschmack der Gastronomi­e und des Lebensmitt­elhandels. Die Geschäftsf­ührung hat er vor vielen Jahren seinem Sohn übergeben. Einblicke in die Töpfe seiner Köche gibt er dennoch gern.

STANDARD: Welchen Delikatess­en können Sie nicht widerstehe­n?

Spak: Ich kann leider fast keinen widerstehe­n. Mir schmeckt alles gut. Schauen Sie mich an. Ich bin der erste Vorkoster in unserer Firma – das ist meine Ausrede dafür, ein bisserl dicker zu sein.

STANDARD: Österreich vermarktet sich als Feinkostla­den, stolpert jedoch regelmäßig über verstörend­e Skandale in der Tiermast. Was läuft hier falsch? Spak: Auf der einen Seite gibt es hohen Preisdruck des Handels und des Konsumente­n. Auf der anderen Seite soll der Produzent jedes Tier beim Namen kennen und streicheln. Das ist ein Zwiespalt. Wenige schwarze Schafe ruinieren den ganzen Markt.

STANDARD: Wie viel ist das Gütesiegel der AMA noch wert?

Spak: Die AMA wirbt viel. Sie informiert Konsumente­n darüber, dass Produzente­n, die das Siegel verwenden, den Gesetzen entspreche­n und gute Ware herstellen. Dass es unter ihren vielen Mitglieder­n einige gibt, die versuchen, das zu umgehen, darf man nicht ihr anlasten.

STANDARD: Versagt die Kontrolle? Spak: In der Lebensmitt­elprodukti­on ist sie sehr streng. Das gehört dazu. Über die Landwirtsc­haft kann ich nicht urteilen. Leider steht vielen kleinen Bauern finanziell das Wasser bis zum Hals.

STANDARD: Wissen Sie, wie Tiere gehalten werden, deren Fleisch und Eier Ihre Betriebe verarbeite­n?

Spak: Wir kaufen für Hink nur Edelteile. Entscheide­nd ist hier die Qualität, nicht der Preis. Für Spak verarbeite­n wir auch österreich­ische Tomaten zu Ketchup und Saucen, und das weisen wir aus. Ich habe nichts gegen Kennzeichn­ung. Warum sollen Konsumente­n nicht wissen dürfen, woher Lebensmitt­el kommen?

STANDARD: Spak produziert auch für viele Handelsmar­ken. Wie viel Transparen­z verlangen Supermärkt­e? Spak: Handelsmar­ken müssen sehr günstig, aber nicht billig sein. Kompromiss­e bei der Qualität gibt es keine. Wir sagen dem Handel klar, wo wir unsere Rohstoffe kaufen.

STANDARD: Wenig bis keine Einblicke geben Gastwirte. Stört Sie das? Spak: Für Gastronome­n, die Fleisch im Großhandel kaufen, ist es sicher schwierige­r. Sollen sie jeden Tag die Speisekart­en ändern? Gut machbar ist es, das Herkunftsl­and zu deklariere­n. Die Kennzeichn­ung auf einzelne Regionen und einzelne Bauern runterzubr­echen, das halte ich aber wirklich für übertriebe­n.

STANDARD: Die Preise für viele Rohstoffe sind explodiert. Werden die Österreich­er

langfristi­g für Lebensmitt­el deutlich mehr ausgeben müssen? Spak: Es wird sich etwas beruhigen. Aber aufs Preisnivea­u von vor dem Ukraine-Krieg kehren wir sicherlich nicht mehr zurück. Da müssen wir Unternehme­r nun durch, und leider auch der Konsument. Speiseöle und Tomatenmar­k haben sich in den vergangene­n eineinhalb Jahren im dreistelli­gen Prozentber­eich verteuert. Verpackung­en wurden um 20 bis 50 Prozent teurer. Der Preis für Zucker wird sich noch verdreifac­hen. Das größte Problem ist jedoch die Verfügbark­eit.

STANDARD: Wo gibt es Engpässe? Spak: Bei Speiseöl, Eigelb, Senfsaat, bei Essig, bei Kartons. Früher lagen die Vorlaufzei­ten für Bestellung­en bei sechs Wochen, heute kommt die Ware nach zwölf, 15 oder erst 20 Wochen. Wir müssen völlig anders disponiere­n. Verpackung, Transporte: Alles greift ineinander. Preisgaran­tie gibt es keine mehr. Jeder kämpft darum, überhaupt Ware zu bekommen. Wir leben in einem Markt der Beschaffun­g, nicht des Einkaufs.

STANDARD: Wie stark verändert sich der Konsum? Hat Hink mit kostspieli­geren Spezialitä­ten das Nachsehen? Spak: Schauen Sie einmal, wie teuer Benzin wurde und wie viele Autos da draußen noch immer umeinand’fahren. Schlecht geht es den meisten nicht. Aber wo kann man sparen? Beim Wohnen und Auto nicht, in den Urlaub will man auch. Also am ehesten beim Essen. Wir spüren das bei Hink dennoch nur wenig, weil wir viel an die Gastronomi­e liefern. Sie hat starken Personalma­ngel und kauft gute Qualität zu. Küchenchef­s brauchen sich für uns ja nicht zu genieren. Einbußen haben wir nur, wenn uns Rohstoffe fehlen.

STANDARD: Sie füllen österreich­ische Süßwasserf­ische, Kalb, Wild, Geflügel, Ketchup, Senf und allerlei Saucen in Gläser und Dosen ab. Das ideale Essen zum Horten. Waren Sie ein Gewinner der Lockdowns?

Spak: Ich darf mich nicht über unseren Umsatz beschweren. Bevor sich die Leute hinstellte­n und Zwiebel schnitten, kauften sie unser Rindsgulas­ch. Bei Ketchup und Mayonnaise­n haben wir uns manchmal schon gefragt, wo das alles hingeht.

STANDARD: Wie halten Sie es mit dem zunehmende­n Verzicht auf Fleisch? Spak: Veganes muss halt gut schmecken. Und das gelingt uns. Die Leute kaufen es und kommen dann drauf, so grauslich ist das gar nicht. Unsere vegane Mayonnaise wächst zwei- bis dreistelli­g. Aber echte Veganer sind ja nur zwei Prozent der Österreich­er. Der überwiegen­de Teil isst weniger Fleisch, dafür aber gutes.

STANDARD: Sie sind mit Ihrem Senf in fast jedem Wiener Würstelsta­nd vertreten. Was, wenn hier die veganen Eitrigen überhandne­hmen?

Spak: Irgendwann kaufen sich die meisten wieder normale Würstel. Aber auch zu einer veganen Burenwurst gehört ein guter Senf.

STANDARD: Das Geschäft mit Ketchup wird von Branchenri­esen dominiert. Wie geht man in diesem Markt als Familienbe­trieb nicht unter? Spak: Ich bin ja ein Auslaufmod­ell, aber unser Geschäftsf­ührer schupft das. Wir sind kleinstruk­turiert, haben kurze Entscheidu­ngswege, an

dere Kostenstru­kturen. Wir schmecken halt einfach gut. Wer nur billig will, muss anderswo einkaufen.

„Warum sollen Konsumente­n nicht wissen dürfen, woher Lebensmitt­el kommen?“

STANDARD: Sie stellen viel Ketchup nicht unter Ihrem eigenen Namen her. Wie hoch ist das Risiko, dadurch einfach austauschb­ar zu werden?

Spak: Bei uns ist ohne Kompromiss­e drinnen, was draufsteht. Darauf kann sich der Handel verlassen. In Tschechien ist Spak als Marke aber sehr stark etabliert – wir sind dort das zweitmeist­verkaufte Ketchup.

STANDARD: Auch viele Gastronome­n tischen Sulzen und Parfaits als Spezialitä­t des Hauses auf, die Ihre Manufaktur liefert. Warum lassen Sie andere Köche das Lob einheimsen?

Spak: Das ist nun einmal so. Wir machen ja dasselbe wie die Köche, nur eben spezialisi­ert.

STANDARD: Der Gastronomi­e rennen die Mitarbeite­r davon. Woran liegt das? Finden Sie ausreichen­d Köche? Spak: Sie hat die ungünstigs­ten Arbeitszei­ten: Samstag, Sonntag, bis spät in die Nacht. Dieses Problem ist unlösbar. In der Pandemie wechselten viele Mitarbeite­r in andere Branchen, in denen sie vielleicht ein bisserl weniger verdienen, aber wo sie mehr Mensch sind. Wir plagen uns bei Spak natürlich auch, genug gute Leute zu finden. Bei Hink bieten wir unseren Köchen aber genau die Arbeitszei­ten, die sie gerne haben.

STANDARD: Sie haben Spak einst an Mautner Markhof verkauft, den Betrieb nach zwei Jahren zurückgeka­uft, um ihn kurz darauf wieder abzugeben.

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Hans Peter Spak: „Preisgaran­tien gibt es keine mehr. Jeder kämpft darum, Ware zu bekommen. Wir leben in einem Markt der Beschaffun­g, nicht des Einkaufs.“

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