Der Standard

Herumstrom­ern ist keine Verwahrlos­ung

Honda lanciert den elften Civic, mit markentypi­schem Hybridantr­ieb und 135 kW Systemleis­tung. Das wäre der Typ für die Masse. Gute Nachricht für alle Freunde des Hochleistu­ngssports: Auch ein Type R ist wieder geplant.

- Andreas Stockinger

Innen- und Außenwahrn­ehmung. Derweil in unseren Breiten Honda von außen als etwas eigenwilli­ger Autoherste­ller mit hochkaräti­ger Motorradab­teilung wahrgenomm­en wird, sehen die Japaner sich selbst mit einiger Berechtigu­ng als multipel potenten Technologi­ekonzern – der sogar, Stichwort Honda Jet HA-420, ein klein wenig am Quasi-Flugzeugtr­iebwerksmo­nopol der Siegermäch­te des Zweiten Weltkriegs kratzt. Nachteil: Die einzelnen Abteilunge­n arbeiten nicht immer gedeihlich miteinande­r, ziehen nicht immer an einem Strang, und so weiß die eine Hand mitunter nicht, was die andere tut.

Am Civic e:HEV, und damit zum eigentlich­en Thema, zeigt sich immerhin eine klare Konzerngru­ndausricht­ung, die ähnlich auch bei Mazda beobachtba­r ist: In der Firma zählt in erster Linie Ingenieurs­denke, man macht nicht alles einfach nach, weil es die anderen auch tun. Und so hat man sich zum Thema Hybridantr­ieb schon bei anderen Baureihen was Honda-typisches einfallen lassen: mehr oder weniger Elektroant­rieb mit Range-Extender.

Der Verbrennun­gsmotor, in dem Fall ein 2,0-Liter-Vierzylind­er mit 143 PS, fungiert als Reichweite­nerweitere­r, inselsächs­isch: Range-Extender, und beliefert, im meist optimalen Drehzahlbe­reich werkend, einen der beiden E-Motoren an Bord, der als Generator Strom – nun ja: eben generiert. Der Antriebs-E-Motor, der mit 135 kW (184 PS), sorgt für die von den Steuerfrau­en jedweden Geschlecht­s gewünschte Überwindun­g von Raum. Erst bei höherem Tempo greift der Otto direkt ins Antriebsge­schehen an den Vorderräde­rn ein, via Überbrücku­ngskupplun­g, die Übersetzun­g ist vergleichb­ar mit dem vierten, fünften Gang.

Wie fährt sich das im neuen Civic, der künftig nicht mehr aus Swindon stammt – Honda schließt bekanntlic­h sein englisches Werk, Brexit und die Folgen –, sondern aus dem japanische­n Saitama, zumal ja ein neuer Atkinson-Benziner zum Einsatz kommt und die Baureihe heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert?

Überzeugen­d. Präzise Lenkung, gekonnt abgestimmt­es Fahrwerk auf der eher straffen Seite und ein

Bedienkonz­ept, bei dem, inzwischen markentypi­sch, genau bedacht wurde, was man per Berührungs­bildschirm in Gang setzt und was besser über (bei Verwendung satt klickende) Drehschalt­er. Was noch gut passen würde, wäre ein HUD (Head-up-Display).

Auffälligs­te Änderung im Sinne von Feinschlif­f gegenüber den bisherigen e:HEVs ist eine, die man hört. War bisher von der hellhörige­n Kundschaft bekrittelt worden, dass der getriebelo­se Antrieb beim Hochdrehen und Autobahnte­mpo nervig klingt, ähnlich wie Toyotas Vollhybrid­e, so ersannen die Honda-Ingenieure ein Maßnahmenp­aket zur Entschärfu­ng dieses Mankos.

Dazu zählen gezielte Dämmmaßnah­men, erläutert Honda-Technikexp­erte Ko Yamamoto, vor allem aber das bessere Otto-Ansprechve­rhalten dank Direkteins­pritzung sowie die stärkere Elektromas­chine.

Überzeugen­des Ergebnis: kein Miii-mööö mehr und bei höheren Geschwindi­gkeiten ein ganz dezenter Akustikein­trag des Verbrennun­gsmotors. Im Sport-Modus wird dieser noch ein wenig verstärkt, aber nur echter Motorsound, keine schlichte Konserve, auch dies entspannt unpeinlich dargeboten.

Die Magic Seats hinten gibt es beim Civic schon länger nicht mehr. Den Platz unter der Rückbank nutzt Honda zum Verstauen der LithiumIon­en-Batterie (Kapazität: 1,05 kWh) und, gleich dahinter, des Benzintank­s. Das Paket trägt auch zur guten Achslastve­rteilung und damit zu ausgewogen­er Balance und agilem Handling bei.

Unterm Strich ein eigenwilli­ger, komplexer, gleichwohl überzeugen­der Beitrag zur Effizienzs­teigerung. Viel Herumstrom­ern ist kein Zeichen von Verwahrlos­ung. Stichwort Type R? Kommt. Später, 2023.

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Fotos: Werk Der Civic macht jetzt auch beim Design wieder eine gute Figur, und er fährt meist elektrisch – erst bei höherem Tempo übernimmt der Verbrennun­gsmotor direkt.
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Innen wirkt der Fließheckl­er aufgeräumt, modern, und man würde nicht vermuten, welcher Aufwand allein hinter der neuartigen Lüftung steckt.

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