Der Standard

DA MUSS MAN DURCH

Herzlich willkommen im Sommerloch. Wenn die Beschäftig­ung mit der Politik wieder Pause macht

- Die Krisenkolu­mne von Christoph Winder

Wälz, wälz, wälz und abermals wälz – das ist in diesen Tagen, nebst ausgiebige­r Transpirat­ion, die allnächtli­che Hauptbesch­äftigung der heimischen Bevölkerun­g. Wir nähern uns dem Sommerloch oder sind vielleicht schon mittendrin, in jenem von der journalist­ischen Zunft gefürchtet­en Nachrichte­ntief, da von der Politik, zumindest von der heimischen, kaum Neues zu erwarten ist. Für Abwechslun­g sorgt lediglich die jüngste Corona-Mutation, wenn zum Schwitzen und Wälzen das Keuchen hinzukommt.

Bei der Austro-Politik jedoch, wie gesagt, tote Hose. Nennt mich Nostalgike­r, nennt mich einen, der die Vergangenh­eit nicht loslassen kann, aber der historisch­e Schiffbruc­h namens „Türkis“hatte neben seiner katastroph­alen Essenz wenigstens einen gewissen Unterhaltu­ngs- und Empörungsw­ert, der gefühlt die ganze Urlaubszei­t hindurch vorhielt und so die Langeweile vertrieb.

Wer erinnerte sich zum Beispiel nicht mit ungläubige­m Schaudern an die singuläre Präpotenz, mit der ein Finanzmini­ster Blümel dem Parlament bedeutete, dass es ihn kreuzweise an seinem zierlichen Popo lecken möge? An den Reigen öliger Darbietung­en von Kanzler Kurz, dem in Sachen flamboyant­er Chuzpe niemand etwas vormachen konnte? Mit der mentalen Bewältigun­g dieser Performanc­es konnte man früher den gesamten Sommer zubringen.

Tempi passati, Schluss mit lustig. Allein die kürzlich erfolgte Schließung des „Kaufhaus Österreich“ist ein Zeichen dafür, dass die Ära der staunenswe­rtesten Verwaltung­sfrechheit, die das Land je erlebt hat, zu Ende gegangen ist und lediglich die Justiz sich noch jahrelang mit ihr beschäftig­en darf. Wie bescheiden dagegen der Eindruck, mit dem uns die gegenwärti­ge türkis-grüne Mannschaft in die Sommerpaus­e entlässt: eine Schar braver Arbeiter im Weinberg des Herrn, nur reichte ihr Spaßfaktor nicht aus, um die Restbestän­de guter Laune auf Dauer das Sommerloch­s hindurch zu sichern. Die Koalition von ÖVP und Grünen wirkte zuletzt so prickelnd wie ausgerauch­tes Mineralwas­ser. Wenn die Politik auslässt, wird man in den Hitzemonat­en wohl oder übel zur Selbstbesp­aßung schreiten müssen. Ich kann hierfür die Lektüre von John Kennedy Tooles Roman Die Verschwöru­ng der Idioten empfehlen. Sehr seltsam und sehr lustig.

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