Debatte um Ende der Corona-Quarantäne wird lauter
Forderung von Oberösterreichs Landeschef Stelzer stößt auf Widerstand in Wien
Wien – Angesichts von aktuell bereits 109.000 aktiven Corona-Fällen in Österreich nimmt die Diskussion über Lockerungen bei Quarantäneund Absonderungsregeln an Fahrt auf. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) forderte ein rasches Aus der Maßnahmen: „Wir müssen mit der Quarantäne aufhören“, sagte er im Interview mit der APA. Die Krankheit sei nach zwei Jahren eine andere geworden. „Wir müssen akzeptieren, dass Corona bleibt.“Auch Vertreter der Wirtschaftskammer sowie KTMChef Stefan Pierer sprachen sich für ein Ende der Quarantäne aus.
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist dagegen: Wien werde sich für eine Beibehaltung der aktuellen Regeln aussprechen, hieß es am Sonntag aus seinem Büro. In Wien können sich Infizierte ohne Symptome nach fünf Tagen freitesten. „Am fünften Tag schaffen es aber nur zehn Prozent, sich tatsächlich freizutesten“, sagte ein Sprecher Hackers dem STANDARD.
Das Gesundheitsministerium erklärte, dass die Quarantäne vorerst bestehen bleiben soll. Es seien aber gesetzliche Möglichkeiten geschaffen worden, dass seit 1. Juli Verkehrsbeschränkungen für Infizierte und Kontaktpersonen per Verordnung geregelt werden können – also womöglich auch ohne Quarantäne.
Die Diskussion um das Ende von Quarantäne- und Absonderungsregeln rund um das Coronavirus nimmt angesichts von aktuell bereits 109.000 aktiven Fällen wieder Fahrt auf. „Wir müssen mit der Quarantäne aufhören“, sagte nun Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) im Interview mit der APA. Die Krankheit sei nach zwei Jahren eine andere geworden. „Wir müssen akzeptieren, dass Corona bleibt. Wir werden das nicht niederringen und verhindern können. Deshalb müssen wir damit leben, dass die Krankheit da ist.“Stelzer reagierte damit auch auf Stimmen aus der Wirtschaft: Zuletzt hatte sich etwa KTMChef Stefan Pierer deutlich für ein Ende der Quarantäne ausgesprochen.
Auch die Wirtschaftskammer verstärkt den Druck auf Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Mit Verweis auf die „milden Verläufe bei der aktuellen CoronaVariante“– gemeint sind vor allem die Typen BA.4 und BA.5 – sei die Abschaffung der Quarantänebestimmungen ein wichtiger Schritt. „Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Symptome unter Einhaltung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen arbeiten dürfen, dann hilft das gegen den akuten Personalmangel im Handel“, sagte Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich.
Ausfälle durch Corona verschärfen auch den Personalmangel in der Flughafenbranche: In WienSchwechat gab es auch am Wochenende wieder einige Flugausfälle.
Stadtrat Hacker dagegen
Nichts mit einem Ende der Quarantäneund Isolationsbestimmungen kann hingegen Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) anfangen. Aus seinem Büro heißt es auf STANDARD-Anfrage am SonnIn tag, dass sich Wien weiter für eine Beibehaltung der aktuellen Regeln aussprechen werde.
Aktuell gilt in Wien, dass Infizierte grundsätzlich zehn Tage in Isolation müssen – mit der Möglichkeit einer Freitestung ab dem fünften Tag nach Probeentnahme. „Am fünften Tag schaffen es aber nur zehn Prozent, sich tatsächlich freizutesten“, sagt ein Sprecher Hackers. Das spreche nicht für eine Lockerung oder Abschaffung.
den anderen Bundesländern sieht es so aus, dass die Absonderung ab dem fünften Tag automatisch beendet werden kann, sofern mindestens 48 Stunden davor keine Symptome mehr zu verspüren sind. Dann gilt jedoch für fünf weitere Tage eine Verkehrsbeschränkung: Der Besuch des Arbeitsorts ist erlaubt, eine FFP2-Maske muss aber durchgehend getragen werden. Großveranstaltungen oder Lokale bleiben tabu.
Arbeiten ab Tag eins
Das Gesundheitsministerium verwies zudem darauf, dass gesetzliche Regelungen geschaffen wurden, wonach seit 1. Juli „Verkehrsbeschränkungen für Infizierte und Kontaktpersonen per Verordnung“erlassen werden können. Das würde bedeuten, dass – sofern ohne Symptome – dann Verkehrsbeschränkungen schon ab dem ersten Tag gelten könnten. Hinter den Kulissen laufen dazu nach STANDARD-Informationen Gespräche zwischen Türkis und Grün.
Außerdem prüft das Ministerium, dass Bescheide automatisiert erstellt werden. „Damit können Absonderung und Quarantäne bestehen bleiben, und gleichzeitig werden die Behörden massiv entlastet.“Sars-CoV-2 soll aber „weiterhin eine anzeigepflichtige Erkrankung nach dem Epidemiegesetz bleiben“.
Das Fass ist aufgemacht – und es wird sich wohl nicht mehr schließen lassen. Am Sonntag forderte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer von der ÖVP ein rasches Ende der Corona-Quarantäne. Damit reagiert er auch auf Appelle von Wirtschaftstreibenden, die bereits mit Personalengpässen und Ausfällen kämpfen.
Dass sich das Virus nicht nach wirtschaftlichen Gegebenheiten richtet, sollte spätestens nach zweieinhalb Jahren Pandemie klar sein. Mit der aktuellen Virusmutation ist es aber eine andere Erkrankung als bei den vorangegangenen Wellen. Bei täglich zehntausenden Omikron-Fällen, wie sie erwartet werden, richten Massenquarantänen mehr wirtschaftlichen Schaden als epidemiologischen Nutzen an.
Wer infiziert und krank ist, soll zu Hause bleiben und sich auskurieren. Warum allerdings auch Personen ohne Symptome länger abgesondert werden sollen, ist bei dieser OmikronVariante nicht nachzuvollziehen – vulnerable Arbeitsorte wie Spitäler oder Heime ausgenommen.
Hier wäre eine quasi österreichische Lösung günstig: Absonderung und Quarantäne können weiter bestehen bleiben – für spätere, potenziell gefährlichere Virusvarianten. Abgesonderte, die sich gut fühlen, sollen aber ab dem ersten Tag mit Verkehrsbeschränkungen hinausgehen dürfen. Sie sollen verpflichtend Maske tragen und dafür sorgen, dass sie niemanden anstecken. So viel Eigenverantwortung kann man erwarten.