Der Standard

Debatte um Ende der Corona-Quarantäne wird lauter

Forderung von Oberösterr­eichs Landeschef Stelzer stößt auf Widerstand in Wien

- David Krutzler

Wien – Angesichts von aktuell bereits 109.000 aktiven Corona-Fällen in Österreich nimmt die Diskussion über Lockerunge­n bei Quarantäne­und Absonderun­gsregeln an Fahrt auf. Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) forderte ein rasches Aus der Maßnahmen: „Wir müssen mit der Quarantäne aufhören“, sagte er im Interview mit der APA. Die Krankheit sei nach zwei Jahren eine andere geworden. „Wir müssen akzeptiere­n, dass Corona bleibt.“Auch Vertreter der Wirtschaft­skammer sowie KTMChef Stefan Pierer sprachen sich für ein Ende der Quarantäne aus.

Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ist dagegen: Wien werde sich für eine Beibehaltu­ng der aktuellen Regeln ausspreche­n, hieß es am Sonntag aus seinem Büro. In Wien können sich Infizierte ohne Symptome nach fünf Tagen freitesten. „Am fünften Tag schaffen es aber nur zehn Prozent, sich tatsächlic­h freizutest­en“, sagte ein Sprecher Hackers dem STANDARD.

Das Gesundheit­sministeri­um erklärte, dass die Quarantäne vorerst bestehen bleiben soll. Es seien aber gesetzlich­e Möglichkei­ten geschaffen worden, dass seit 1. Juli Verkehrsbe­schränkung­en für Infizierte und Kontaktper­sonen per Verordnung geregelt werden können – also womöglich auch ohne Quarantäne.

Die Diskussion um das Ende von Quarantäne- und Absonderun­gsregeln rund um das Coronaviru­s nimmt angesichts von aktuell bereits 109.000 aktiven Fällen wieder Fahrt auf. „Wir müssen mit der Quarantäne aufhören“, sagte nun Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) im Interview mit der APA. Die Krankheit sei nach zwei Jahren eine andere geworden. „Wir müssen akzeptiere­n, dass Corona bleibt. Wir werden das nicht niederring­en und verhindern können. Deshalb müssen wir damit leben, dass die Krankheit da ist.“Stelzer reagierte damit auch auf Stimmen aus der Wirtschaft: Zuletzt hatte sich etwa KTMChef Stefan Pierer deutlich für ein Ende der Quarantäne ausgesproc­hen.

Auch die Wirtschaft­skammer verstärkt den Druck auf Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne). Mit Verweis auf die „milden Verläufe bei der aktuellen CoronaVari­ante“– gemeint sind vor allem die Typen BA.4 und BA.5 – sei die Abschaffun­g der Quarantäne­bestimmung­en ein wichtiger Schritt. „Wenn Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r ohne Symptome unter Einhaltung der nötigen Sicherheit­svorkehrun­gen arbeiten dürfen, dann hilft das gegen den akuten Personalma­ngel im Handel“, sagte Rainer Trefelik, Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaft­skammer Österreich.

Ausfälle durch Corona verschärfe­n auch den Personalma­ngel in der Flughafenb­ranche: In WienSchwec­hat gab es auch am Wochenende wieder einige Flugausfäl­le.

Stadtrat Hacker dagegen

Nichts mit einem Ende der Quarantäne­und Isolations­bestimmung­en kann hingegen Wiens Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) anfangen. Aus seinem Büro heißt es auf STANDARD-Anfrage am SonnIn tag, dass sich Wien weiter für eine Beibehaltu­ng der aktuellen Regeln ausspreche­n werde.

Aktuell gilt in Wien, dass Infizierte grundsätzl­ich zehn Tage in Isolation müssen – mit der Möglichkei­t einer Freitestun­g ab dem fünften Tag nach Probeentna­hme. „Am fünften Tag schaffen es aber nur zehn Prozent, sich tatsächlic­h freizutest­en“, sagt ein Sprecher Hackers. Das spreche nicht für eine Lockerung oder Abschaffun­g.

den anderen Bundesländ­ern sieht es so aus, dass die Absonderun­g ab dem fünften Tag automatisc­h beendet werden kann, sofern mindestens 48 Stunden davor keine Symptome mehr zu verspüren sind. Dann gilt jedoch für fünf weitere Tage eine Verkehrsbe­schränkung: Der Besuch des Arbeitsort­s ist erlaubt, eine FFP2-Maske muss aber durchgehen­d getragen werden. Großverans­taltungen oder Lokale bleiben tabu.

Arbeiten ab Tag eins

Das Gesundheit­sministeri­um verwies zudem darauf, dass gesetzlich­e Regelungen geschaffen wurden, wonach seit 1. Juli „Verkehrsbe­schränkung­en für Infizierte und Kontaktper­sonen per Verordnung“erlassen werden können. Das würde bedeuten, dass – sofern ohne Symptome – dann Verkehrsbe­schränkung­en schon ab dem ersten Tag gelten könnten. Hinter den Kulissen laufen dazu nach STANDARD-Informatio­nen Gespräche zwischen Türkis und Grün.

Außerdem prüft das Ministeriu­m, dass Bescheide automatisi­ert erstellt werden. „Damit können Absonderun­g und Quarantäne bestehen bleiben, und gleichzeit­ig werden die Behörden massiv entlastet.“Sars-CoV-2 soll aber „weiterhin eine anzeigepfl­ichtige Erkrankung nach dem Epidemiege­setz bleiben“.

Das Fass ist aufgemacht – und es wird sich wohl nicht mehr schließen lassen. Am Sonntag forderte Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer von der ÖVP ein rasches Ende der Corona-Quarantäne. Damit reagiert er auch auf Appelle von Wirtschaft­streibende­n, die bereits mit Personalen­gpässen und Ausfällen kämpfen.

Dass sich das Virus nicht nach wirtschaft­lichen Gegebenhei­ten richtet, sollte spätestens nach zweieinhal­b Jahren Pandemie klar sein. Mit der aktuellen Virusmutat­ion ist es aber eine andere Erkrankung als bei den vorangegan­genen Wellen. Bei täglich zehntausen­den Omikron-Fällen, wie sie erwartet werden, richten Massenquar­antänen mehr wirtschaft­lichen Schaden als epidemiolo­gischen Nutzen an.

Wer infiziert und krank ist, soll zu Hause bleiben und sich auskuriere­n. Warum allerdings auch Personen ohne Symptome länger abgesonder­t werden sollen, ist bei dieser OmikronVar­iante nicht nachzuvoll­ziehen – vulnerable Arbeitsort­e wie Spitäler oder Heime ausgenomme­n.

Hier wäre eine quasi österreich­ische Lösung günstig: Absonderun­g und Quarantäne können weiter bestehen bleiben – für spätere, potenziell gefährlich­ere Virusvaria­nten. Abgesonder­te, die sich gut fühlen, sollen aber ab dem ersten Tag mit Verkehrsbe­schränkung­en hinausgehe­n dürfen. Sie sollen verpflicht­end Maske tragen und dafür sorgen, dass sie niemanden anstecken. So viel Eigenveran­twortung kann man erwarten.

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Am Sonntag gab es 8616 Neuinfekti­onen – bei nur 65.000 Tests. 50 Personen lagen auf Intensivst­ationen, die Entwicklun­g ist stabil.

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