Der Standard

Die Stunde der Bewährung

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Angesichts multipler Krisen hat Bundeskanz­ler Karl Nehammer angekündig­t, dass die „Stunde der Bewährung“unserer Politik geschlagen habe. Das sollte uns Sorge bereiten. Unsere Politiker sind eher Schönwette­rsegler, die bei leichter Brise auf Kurs bleiben können, mit Meinungsum­fragen als Kompass. Aber nun ziehen Stürme auf.

Einerseits fehlt der Kurs. Gewählt und wiedergewä­hlt zu werden ist Teil des Jobs. Ob die Gewählten etwas erreichen möchten für dieses Land, bleibt ein Geheimnis. Was ist Nehammers oder SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagners Vision für Österreich 2040? Für Sicherheit?

Für Pensionen? Für Bildung?

Anderersei­ts fehlt es am Handwerk für raue See. Profis bewältigen Energiepro­bleme und Pandemien oder gestalten Neues, indem sie analysiere­n, Pläne bauen, Daten sammeln, Fortschrit­te messen, nachschärf­en und bei Bedarf sogar den Kurs ändern. Bei uns geht man es hingegen meist unbekümmer­ter an, manchmal wegen eines Geltungsdr­angs („Auf nach Moskau!“), manchmal weil die Daten, die Ressourcen oder das Wissen fehlen. Unsere Politikerk­aste neigt dazu, sich auf das zu konzentrie­ren, was leicht messbar und schnell umsetzbar ist; Boulevardu­nd soziale Medien, in denen sich laute und einfache Botschafte­n gegenüber reflektier­ten Betrachtun­gen durchsetze­n, befeuern sie.

Ein typischer Ansatz ist, eine große Ausgabe zu lizitieren. Wenn die eine hundert Millionen für eine Initiative an Schulen will, sagt der andere eine Bildungsmi­lliarde an. Das Problem ist aber: Politik funktionie­rt nicht wie ein Getränkeau­tomat, wo man oben eine Münze einwirft und unten das gewünschte Ergebnis rauskommt. Zwischen wissenscha­ftlichen Ergebnisse­n und einer brauchbare­n Entscheidu­ng für das Land liegt Arbeit, die die Politik zu erledigen hat. Für fast jedes Bauprojekt gibt es eine Umweltfolg­enabschätz­ung. Aber für Gesetze, mit denen Milliarden ausgegeben werden, gibt es meist nur eine rudimentär­e Politikfol­genabschät­zung. Überlegung­en, ob das Geld sinnvoll ausgegeben werden kann, oder schon nur Ex-post-Analysen, sind unsystemat­isch oder werden, siehe Rechnungsh­of, ignoriert.

Kein Kurs und schlechtes Handwerk: Das „Kaufhaus Österreich“ist ein Beispiel. Wer hat überlegt, wie es mit dem Kaufhaus Amazon konkurrenz­ieren soll oder wozu es ein zweites herold.at braucht? Und wenn man es schon baut, dann nicht so kläglich in der Ausführung. Ähnliches gilt, auf viel bedrohlich­erem Niveau, für die Notfallpla­nung, wenn russisches Gas ausfällt.

Viele Politiker in wichtigen Positionen ahnen, dass sie nicht ausreichen­d qualifizie­rt sind für ihre Verantwort­ung, zu unerfahren ins Amt gehievt wurden. So segeln sie, wo der Wind sie hintreibt, in der Hoffnung, dass der Sturm schon nicht so schlimm wird, aber genagt von Selbstzwei­fel. Selbstzwei­fler geben fehlerhaft­e Strategien langsamer auf, wie der US-amerikanis­che Autor Joseph Hallinan beschriebe­n hat, und finden seltener Alternativ­en.

Wenn sich unsere Politik im Sturm nicht bewährt, wird, in den unsterblic­hen Worten der Kurt Gober Band (KGB), der „Kapitän in großer Not sein“, aber leiden werden vor allem die, die sich keine Schwimmwes­te leisten können. Aber vielleicht geht es ja gut. Mast- und Schotbruch!

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