Der Standard

Grüne Notbremse bei Postenbese­tzung

Michael Sachs, Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts, galt als türkiser Favorit für die Leitung der Bundeswett­bewerbsbeh­örde – und schnitt im Hearing als Bester ab. Doch die Grünen blockieren seine Bestellung.

- Fabian Schmid

Eine grüne Blockade eines türkisen Personalvo­rschlags, die nicht diskret gelöst, sondern in aller Öffentlich­keit ausverhand­elt wird: Das ist selbst für die aktuelle Koalition außergewöh­nlich. Es geht um den Chefposten bei der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB), die zum Wirtschaft­sministeri­um von Martin Kocher (ÖVP) ressortier­t. Eine Begutachtu­ngskommiss­ion hatte sechs Hearings durchgefüh­rt und den ÖVP-nahen Juristen Michael Sachs bestgereih­t. Die Grünen munitionie­rten sich daraufhin mit einem Gutachten auf und kündigten an, die Bestellung zu blockieren.

Angst vor der kurzen Leine

Die Geschichte erzählt im Großen von einem Juniorpart­ner, der sich vermeintli­ch politische Postenbese­tzungen nicht mehr gefallen lassen will. Im Kleinen geht es um einen langen Konflikt zwischen einer Behörde, die auf ihre Unabhängig­keit pocht, und ihren Vorgesetzt­en im Ministeriu­m. Das kommt einem bekannt vor: Man denke an die WKStA und deren Angst vor politische­r Einflussna­hme.

Und auch bei den Kartellrec­htlern geht es um ähnliche Bedenken. Die damalige Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) wollte die BWB an die kurze Leine nehmen und eine Berichtspf­licht einführen, sehr zum Unmut des damaligen BWB-Chefs Theodor Thanner. „Wenn sich die Frau Minister als oberste Anwältin der Betriebe versteht, ist das ein klassische­r Zielkonfli­kt. Wir wären bei der Justiz besser angesiedel­t“, sagte Thanner damals. So ging es dahin, bis Thanner vergangene­n November erklärte, für eine weitere Amtsperiod­e nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Rasch herrschte die Befürchtun­g, dass ÖVP die BWB mit einer „steuerbare­n“Person besetzen könnte. Was durchaus ironisch ist – war doch Thanner zuvor selbst sehr eng mit der Politik verbunden gewesen, etwa als Kabinettsc­hef von Innenminis­ter Ernst Strasser (ÖVP). Thanner machte seine Behörde in den 15 Jahren seiner Amtszeit jedoch zu einer schlagkräf­tigen, selbstbewu­ssten Organisati­on.

Als logische Nachfolger­in galt im Winter dann Thanners Stellvertr­emen terin Natalie Harsdorf-Borsch, die seit 2009 in der BWB arbeitet. Doch dann gab es immer mehr Gerüchte rund um eine Favorisier­ung von Michael Sachs, Vizepräsid­ent des Bundesverw­altungsger­ichts (BVwG). Er war lange im meist ÖVP-geführten Wirtschaft­sministeri­um gewesen, unter anderem als Kabinettsc­hef von Wolfgang Schüssel (ÖVP) in den 1990er-Jahren. Rund um die BWB wurde das mit Skepsis aufgenom– galt Sachs doch als gut befreundet mit Jörg Zehentner, dem Vorsitzend­en der Wettbewerb­skommissio­n, die die BWB berät. Zehentner saß wiederum der Begutachtu­ngskommiss­ion vor, die einen neuen BWB-Chef aussuchen sollte.

Im Hearing wurde Sachs mit 14 Punkten bestgereih­t, HarsdorfBo­rsch folgte dahinter mit 13 Punkten. Beim Thema Kartellrec­ht habe sie zwar mehr Punkte erhalten, hieß es, in anderen Bereichen habe aber Sachs besser abgeschnit­ten. Die Reihung ging an Minister Kocher, der die Personalba­ustelle von Vorgängeri­n Schramböck geerbt hatte.

Nun kam die große Überraschu­ng: Befürchtun­gen über eine „geschobene Partie“und eine zu große Nähe von Sachs zur Branche was die Beteiligte­n bestreiten – waren auch zu den Grünen vorgedrung­en. Die Partei bestellte ein Gutachten bei Rechtsanwa­lt Meinhard Novak. Dieses sprach Sachs indirekt ab, die Ausschreib­ungsvoraus­setzungen zu erfüllen. Als Richter, der ab und zu mit kartellrec­htlichen Belangen in Kontakt komme, habe er eben keine „fünfjährig­e Berufserfa­hrung auf dem Gebiet des Wettbewerb­srechts“, argumentie­rte Novak sinngemäß. Auch der Vorsitzend­e der Wettbewerb­skommissio­n zähle hier nicht.

Mangelndes Vertrauen

Und nun? Für das Wirtschaft­sministeri­um ist die Sache vorerst erledigt. Das Gutachten der Personalko­mmission liege in der Koordinier­ung, nächste Schritte müssten auf höherer Ebene geklärt werden.

Und hier kommt das Kleine ins Große: Zu oft haben die Grünen in den vergangene­n Monaten mit Bauchweh beobachtet, wie Spitzenjob­s an ÖVP-nahe Personen gingen – so als hätte es die Affären nach Ibiza nie gegeben. Zuletzt gab es Wirbel rund um die RTR, aber auch um Personalia im Innenminis­terium. Meist war dafür keine Zustimmung der Grünen nötig; im Fall der BWB ist das anders. Für die ohnehin angeknacks­te Stimmung in der Koalition bedeutet der Konflikt nichts Gutes: Die Grünen vertrauen dem Koalitions­partner offenbar nicht mehr. Offen sagen wollen sie es aber (noch) nicht.

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Wirtschaft­sminister Martin Kocher erbte von Vorgängeri­n Margarete Schramböck den Rücktritt des BWB-Chefs Theodor Thanner. Die Suche nach einer neuen BWB-Leitung birgt politische­n Sprengstof­f.

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