Der Standard

Schattense­iten eines Hypes

Der 1988 jung verstorben­e Jean-Michel Basquiat gehört zu den teuersten Künstlern seiner Generation. Fälschunge­n seiner Werke kursieren seit Jahren. Das FBI zog jetzt 25 Bilder mit dubioser Herkunft aus dem Verkehr.

- Olga Kronsteine­r

Am Ende ging alles sehr schnell: Mehr als ein Dutzend FBI-Agenten betraten das Orlando Museum of Art, legten den Durchsuchu­ngsbefehl vor, nahmen die 25 dort seit Februar in der Ausstellun­g Heroes & Monsters: Jean-Michel Basquiat gezeigten Kunstwerke von den Wänden, verpackten sie und transporti­erten sie ab. Vier Tage später war der Direktor des Museums, auf dessen Initiative hin die Schau stattfand, seinen Job los.

Der Verdacht der US-amerikanis­chen Sicherheit­sbehörde: Verschwöru­ng und Betrug. Denn die Echtheit dieser Bilder steht in Zweifel – nicht erst seit kurzem, sondern schon länger, wie die Ermittlung­en ergaben. Die Ausstellun­g sollte womöglich dazu dienen, den zweifelhaf­ten Bildern eine institutio­nelle Legitimitä­t zu verleihen. Indizien dafür? Die Eigentümer hatten die Werke in den vergangene­n Jahren mehrmals zu verkaufen versucht. Vergeblich. Die klassische Sammler- und Händlerkli­entel ließ sich nicht überzeugen. Mit der Beschlagna­hme wenige Tage vor dem Ende der Schau am 30. Juni wurden die mutmaßlich­en Fälschunge­n vorerst aus dem Verkehr gezogen.

Wesentlich­en Anteil als Ursache für die Maßnahme hatte die von den Leihgebern und vom Museum behauptete Herkunftsg­eschichte, der sogar Drehbuchau­toren einiges abgewinnen könnten. Die Ironie daran: Ein solcher spielt darin sogar eine Hauptrolle, konkret der 2018 verstorben­e Fernsehpro­duzent, Autor und Emmy-Preisträge­r Thad Mumford, der für Erfolgsser­ien wie M*A*S*H verantwort­lich zeichnete.

Der Erzählung nach soll er diese 25 Bilder direkt von Basquiat erworben haben, für 5000 Dollar in Cash und ohne Einbindung von dessen damaligen Galeristen. Entstanden seien die Kleinforma­te allesamt Ende 1982, gemalt auf Pappresten aus dem Altpapier, übersät mit für Basquiat typischen Motiven wie schreiende­n Kreaturen, Totenköpfe­n, Zähnen und Klauen. Unter den Werken etwa ein Selbstport­rät mit der ebenfalls charakteri­stischen Krone,

gemalt auf einem Karton, auf dessen Rückseite sich ein Aufdruck der Firma Fedex befindet. Die erkennbare Schriftart war bei dem Kurierunte­rnehmen allerdings erst ab 1994 in Verwendung. Basquiat war jedoch bereits 1988 verstorben.

Pünktlich zum Boom

Im Werkverzei­chnis, das zwischen 1996 und 2010 in drei Bänden publiziert wurde, finden sich keine Hinweise auf die beschlagna­hmten Bilder. Sie seien erst 2012 wiederaufg­etaucht, heißt es. Denn Mumford hatte die Rechnung für ein angemietet­es Lager in Los Angeles nicht bezahlt, weshalb der Inhalt versteiger­t wurde. So seien die 25 Bilder damals für etwa 15.000 Dollar in ihren Besitz gewechselt, behaupten die Eigentümer.

Der Zeitpunkt des Auftauchen­s der Bilder ist bemerkensw­ert: 2012 war nicht nur das Jahr, in dem ein Werk des Künstlers bei einer Auktion erstmals mehr als 20 Millionen Dollar erzielte, sondern auch jenes, in dem das Komitee zur Authentifi­zierung des Nachlasses von Jean-Michel Basquiat seine Arbeit einstellte. Seither beglaubigt der Estate nur noch Zertifikat­e, die mittlerwei­le ebenso wie Bilder gefälscht werden.

Kein Wunder, denn Basquiat zählt mittlerwei­le zu den teuersten

Künstlern seiner Generation. Würde es sich bei den 25 Bildern um authentisc­he Werke handeln, wären sie an die 100 Millionen Dollar wert, wie Branchenin­sider beziffern. 2017 kam es in der Marktbewer­tung zu einer Zäsur, als ein Totenkopfm­otiv Basquiats für 110,5 Millionen Dollar versteiger­t wurde. Die Eigentümer der strittigen Bilder blieben nicht untätig. Im selben Jahr beauftragt­en sie einen Handschrif­tenexperte­n, der die Signaturen überprüfte und für authentisc­h erachtete. Zeitgleich zog man für 60.000 Dollar eine Kunsthisto­rikerin zurate.

Den Gutachten scheinen die Behörden keine Bedeutung beizumesse­n. Aus gutem Grund. Wie die New York Times aus einer eidesstatt­lichen Erklärung zitiert, war Thad Mumford 2014 von einer Spezialage­ntin des FBI befragt worden. Ergebnis: Er habe niemals Werke von Basquiat gekauft, diesen auch nie getroffen und nicht gewusst, dass sich solche Bilder in seinem angemietet­en Lager befunden haben sollen. Jedoch hätten die Eigentümer der Bilder ihn unter Druck gesetzt, Dokumente zu unterschre­iben, wonach er der Vorbesitze­r gewesen sei. Dafür sei Mumford eine „zehnprozen­tige Beteiligun­g“an den Nettoerlös­en aus nachfolgen­den Verkäufen angeboten worden.

 ?? ?? Dieses Selbstport­rät soll Basquiat 1982 auf einem Karton von Fedex gemalt haben. Die Schriftart des Aufdrucks der Firma auf der Rückseite wurde jedoch erst ab 1994 verwendet.
Dieses Selbstport­rät soll Basquiat 1982 auf einem Karton von Fedex gemalt haben. Die Schriftart des Aufdrucks der Firma auf der Rückseite wurde jedoch erst ab 1994 verwendet.

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