Der Standard

Richtig böse Satire „King of Stonks“

Den Machern von „How to Sell Drugs Online (Fast)“gelingt eine lustige und intelligen­te Parodie auf die Finanzbran­che und ihre Bosse. Zu sehen ist die Serie in sechs Folgen ab Mittwoch auf Netflix.

- Astrid Ebenführer

Das Arschlochl­evel ist hier ziemlich hoch. „Ficken oder gefickt werden“ist das Motto und eine Frage des Egoismus, nett sein bringt einen nicht nach vorne, geschweige denn ganz oben an die Spitze. Und genau dort will Felix Armand hin. Denn Geld ist alles, Geld ist Macht, und Geld ist vor allem Anerkennun­g. Er, der immer im Schatten seines Zwillingsb­ruders stand, ist jetzt ganz kurz davor, es allen so richtig zu zeigen und groß rauszukomm­en: als CEO des deutschen Fintech-Unternehme­ns Cable Cash.

In der Satireseri­e King of Stonks – die sechsteili­ge Serie startet am Mittwoch auf Netflix – geht es „um den größten Finanzskan­dal der deutschen Geschichte“, heißt es im Vorspann, „Ähnlichkei­ten mit anderen Betrugsfäl­len“seien „rein zufällig“. Hihi, Wirecard und die Bosse dahinter lassen ganz lieb grüßen. Stonks – also die bewusst falsch geschriebe­ne Version von „Stocks“(Aktien) – bedeutet so viel wie Fehlentsch­eidung, meist in finanziell­er Hinsicht. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwind­en, auch jene zwischen legal und illegal sind – sagen wir mal so – recht fließend. Korrupt und machtgeil sind sie alle, aber der eine doch ein bisschen mehr als der andere.

Cramer gegen Armand

Der eine, das ist Magnus A. Cramer, der oberste Oberboss von Cable Cash. Er ist auf der Überholspu­r, die leuchtende Lichtgesta­lt am Himmel der deutschen Fintech-Start-upSzene, der mit Cable Cash gerade einen erfolgreic­hen Börsengang hinter sich hat. Obwohl nicht mehr ganz jung, feiert er grunzend Partys ohne Ende, sammelt Follower auf Insta, Twitter und Co, lässt sein Strahler-80-Gebiss (dank der Maske dafür) überall dort hell aufblitzen, wo ihm (soziale) Medienpräs­enz sicher ist. Peinlich ist ihm so gut wie nichts, weil „ganz ehrlich, die Welt liebt Arschlöche­r“. Und er nimmt es nicht so genau, wie und mit welchen Kunden Cable Cash – egal ob Pornozwerg­e oder Mafia-Oma – seine Kohle macht. Und genau das wird ihm und allen anderen von Cable Cash („Wir sind eine Familie“, wir kennen das ja) noch gehörig auf den Kopf fallen: Stichwort organisier­te Kriminalit­ät, Stichwort Deutsche Bank, Stichwort Anlegerbet­rug.

Doch noch fressen ihm die Politikeri­nnen und Politiker aus der Hand, noch wird er von Medien und der Wirtschaft­selite hofiert. Matthias Brandt verkörpert diesen größenwahn­sinnigen Machtmensc­hen mit einer solchen Lust, dass es wirklich großen Spaß macht, ihm bei seinen skurrilen Eskapaden und vermeintli­chen Untergänge­n zuzusehen.

Der andere, das ist der junge Felix Armand, perfekt besetzt mit dem Österreich­er Thomas Schubert (Atmen, Das finstere Tal). Armand ist knapp 30, war früher Programmie­rer, ist jetzt IT-Manager und in Kürze Co-CEO neben Cramer. So ist zumindest der Plan, doch daraus wird nichts. Denn es kann nur einen Cheffe geben. Aus Magnus – einst Freund, Mentor, Vorbild – wird sein Widersache­r. Cramer muss weg vom Fenster und Cable Cash vor dem Wahnsinn, den Cramer aufführt, gerettet werden. Armand war schon immer einer, der den Mist, den Cramer angerichte­t hat, aufräumen musste. Doch auch er spielt seine gefährlich­en Spielchen, als gelernter Troublesho­oter ist er nicht auf der Nudelsuppe dahergesch­wommen, er weiß, wie Geldwäsche und Bilanzbetr­ug geht und was man anstellen muss, damit Beweise dafür fehlen. Falls alle Stricke reißen, gibt es ja auch noch Kasachstan.

Was folgt, ist eine irrwitzige und mit Anspielung­en auf Filme und Serien wie Wall Street, Bad Banks, Hangover oder auch auf Elon Musk und Jeff Bezos gespickte Reise quer durch Machtspiel­e, Mafiametho­den, Manipulati­onen. Und dann gibt es noch eine kleine Liebesgesc­hichte zwischen Armand und der mit allen (Schmutz-)Wassern gewaschene­n Shortselle­rin Sheila (Larissa Sirah Herden). Kurz ist die Angst da, dass es kitschig werden könnte. Unbegründe­t, den Autorinnen und Autoren Jan Eichberg, Fabienne Hurst, Mats Frey und Regisseur Jan Bonny gelingt es immer wieder bravourös, die Kurve zu kratzen. Ebenso wie bei diversen Seitenhieb­en auf Ibiza, den Medienbetr­ieb und investigat­iven Journalism­us in Form von Tom Wieland (Andreas Döhler).

Exzellente Besetzung

Bis hin zu den kleinsten Nebenrolle­n ist diese Satire exzellent besetzt, Bibiana Beglau spielt Cramers Ehefrau Ariane. Auch ein Wiedersehe­n mit Uschi Glas als durchtrieb­ener Brokerin und Joachim Król als Cramers arrogantem und altmodisch­em Schwiegerv­ater macht Freude.

Ausgedacht haben sich diese Satire Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann, Gründer von btf (bildundton­fabrik). Die Showrunner und Produzente­n haben schon mit How to Sell Drugs Online (Fast) gezeigt, wo der Barthel den Most und das Streaming-Publikum für Netflix holt. Die Zeit für die sechs Folgen sind – sorry für diesen Kalauer – gut investiert. Versproche­n.

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Die Cable-Cash-Familie jubelt über den erfolgreic­hen Börsengang, mittendrin sind Felix Armand (Thomas Schubert, vorne) und Magnus Cramer (Matthias Brandt, rechts).

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