Der Standard

Schreie und phantastis­che Anatomien

Auch diesmal ist bei Impulstanz die lokale Choreograf­ie groß vertreten: in der ersten Festivalwo­che mit Simon Mayer und Willi Dorner, im Weiteren folgen unter anderen Anne Juren und Akemi Takeya.

- Katharina Stöger

Simon Mayer hat sich oft für den Ausstieg entschiede­n: Vom oberösterr­eichischen Bauernhof zog er nach Wien, in der Wiener Staatsoper kündigte er einen Monat vor Saisonende, auf ein Engagement bei Wim Vandekeybu­s folgte die Ausbildung bei P.A.R.T.S. in Brüssel und Anne Teresa De Keersmaeke­rs Kompanie Rosas.

Schon während seiner Ballettaus­bildung wollte er den eigenen künstleris­chen Weg gehen. Mittlerwei­le gehört der Tänzer, Sänger und Choreograf zu den Klassikern der österreich­ischen Tanzszene.

Wer ist Emmanuel Obeya?

Noch länger eine fixe Größe ist Willi Dorner, der – seit 1999 mit eigener Kompanie – seine Werke in Wien entwickelt und internatio­nal tourt. Jetzt beschäftig­t er sich mit einer Persönlich­keit auch der heimischen Tanzszene: Emmanuel „Mani“Obeya hat einst in Liz Kings Tanztheate­r Wien getanzt, ist Sänger der Sofa Surfers und war zuletzt in Doris Uhlichs Gootopia zu sehen.

Alle drei Künstler reflektier­en in ihren Arbeiten den (eigenen) Werdegang. Dorner und Obeya entwickelt­en das Tanzsolo Me – Nmu – Ami aus gemeinsame­n langen Gesprächen und geben mit der Frage, wer ist Mani Obeya eigentlich, einen Einblick in eine Tänzerbiog­rafie.

Zwischen Volks- und zeitgenöss­ischem Tanz bewegt sich Mayers SunBengSit­ting als ein humorvolle­r Trip in dessen Vergangenh­eit.

Hier wird ohne Lederhose geschuhpla­ttelt, die Peitsche geknallt und die Kettensäge gerasselt, bis eine Sonnenbank aus Holz entsteht, auf der es sich ausruhen lässt.

Volkstümli­che Tradition und Schamanism­us sind für Mayer eine Bereicheru­ng. In seiner aktuellen Arbeit Being Moved konzentrie­rt er sich ganz auf den Atem, der zur Bewegung wird, was wiederum Klang und Tanz erzeugt.

Im Atemrhythm­us bewegt Mayer das Publikum, verwandelt die eigene Haut in ein Streichins­trument, gerät in Trance, kreiert einen universell­en Volkstanz und interagier­t mit unsichtbar­en Tänzern und Tänzerinne­n auf der Bühne.

Mit der Vorstellun­gskraft arbeitet auch die aus Frankreich stammende Anne Juren. Sie lässt Phantomgli­eder entstehen, die sich wie echte Knochen verhalten. Ihre fortlaufen­den Studien an diesen „Fantasmica­l Anatomies“entstanden aus

ihrer Arbeit als Choreograf­in, Tänzerin und Feldenkrai­s-Praktikeri­n.

Die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlich­em zu hinterfrag­en ist ebenfalls Teil von Jurens erweiterte­m Choreograf­iebegriff. In Sensorial Transferen­ce veranstalt­et sie eine choreograf­ische „Sitzung“, das Publikum nimmt an der körperlich­en Erfahrung eines Patienten teil.

Eine weitere weibliche Stimme im diesjährig­en Festival ist Akemi Takeya. Die gebürtige Japanerin ist Initiatori­n des „Zitronismu­s“-Projekts,

das sich gegen Kunstbeweg­ungen des 20. Jahrhunder­ts stellt.

Die Choreograf­in, Künstlerin und Tänzerin wird in ihrer Performanc­e Schrei X⁸ zur Stimmkünst­lerin, die in Zusammenar­beit mit dem Schlagzeug­er Didi Kern und dem Gastperfor­mer Evandro Pedroni ein performati­ves Ritual inszeniert.

Me – Nmu – Ami, Kasino Schwarzenb­ergplatz, 8. + 10. 7., 21.00; SunBengSit­ting, Akademieth­eater, 11. 7., 20.00; Being Moved, Akademieth­eater, 17. 7., 19.00; Schrei X⁸, Odeon, 21. + 23. 7., 21.00

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Simon Mayer, hier in seinem Stück „SunBengSit­ting“, findet Mittel und Wege, der heimischen Volkskultu­r etwas Lässiges abzugewinn­en.

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