Schreie und phantastische Anatomien
Auch diesmal ist bei Impulstanz die lokale Choreografie groß vertreten: in der ersten Festivalwoche mit Simon Mayer und Willi Dorner, im Weiteren folgen unter anderen Anne Juren und Akemi Takeya.
Simon Mayer hat sich oft für den Ausstieg entschieden: Vom oberösterreichischen Bauernhof zog er nach Wien, in der Wiener Staatsoper kündigte er einen Monat vor Saisonende, auf ein Engagement bei Wim Vandekeybus folgte die Ausbildung bei P.A.R.T.S. in Brüssel und Anne Teresa De Keersmaekers Kompanie Rosas.
Schon während seiner Ballettausbildung wollte er den eigenen künstlerischen Weg gehen. Mittlerweile gehört der Tänzer, Sänger und Choreograf zu den Klassikern der österreichischen Tanzszene.
Wer ist Emmanuel Obeya?
Noch länger eine fixe Größe ist Willi Dorner, der – seit 1999 mit eigener Kompanie – seine Werke in Wien entwickelt und international tourt. Jetzt beschäftigt er sich mit einer Persönlichkeit auch der heimischen Tanzszene: Emmanuel „Mani“Obeya hat einst in Liz Kings Tanztheater Wien getanzt, ist Sänger der Sofa Surfers und war zuletzt in Doris Uhlichs Gootopia zu sehen.
Alle drei Künstler reflektieren in ihren Arbeiten den (eigenen) Werdegang. Dorner und Obeya entwickelten das Tanzsolo Me – Nmu – Ami aus gemeinsamen langen Gesprächen und geben mit der Frage, wer ist Mani Obeya eigentlich, einen Einblick in eine Tänzerbiografie.
Zwischen Volks- und zeitgenössischem Tanz bewegt sich Mayers SunBengSitting als ein humorvoller Trip in dessen Vergangenheit.
Hier wird ohne Lederhose geschuhplattelt, die Peitsche geknallt und die Kettensäge gerasselt, bis eine Sonnenbank aus Holz entsteht, auf der es sich ausruhen lässt.
Volkstümliche Tradition und Schamanismus sind für Mayer eine Bereicherung. In seiner aktuellen Arbeit Being Moved konzentriert er sich ganz auf den Atem, der zur Bewegung wird, was wiederum Klang und Tanz erzeugt.
Im Atemrhythmus bewegt Mayer das Publikum, verwandelt die eigene Haut in ein Streichinstrument, gerät in Trance, kreiert einen universellen Volkstanz und interagiert mit unsichtbaren Tänzern und Tänzerinnen auf der Bühne.
Mit der Vorstellungskraft arbeitet auch die aus Frankreich stammende Anne Juren. Sie lässt Phantomglieder entstehen, die sich wie echte Knochen verhalten. Ihre fortlaufenden Studien an diesen „Fantasmical Anatomies“entstanden aus
ihrer Arbeit als Choreografin, Tänzerin und Feldenkrais-Praktikerin.
Die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem zu hinterfragen ist ebenfalls Teil von Jurens erweitertem Choreografiebegriff. In Sensorial Transference veranstaltet sie eine choreografische „Sitzung“, das Publikum nimmt an der körperlichen Erfahrung eines Patienten teil.
Eine weitere weibliche Stimme im diesjährigen Festival ist Akemi Takeya. Die gebürtige Japanerin ist Initiatorin des „Zitronismus“-Projekts,
das sich gegen Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts stellt.
Die Choreografin, Künstlerin und Tänzerin wird in ihrer Performance Schrei X⁸ zur Stimmkünstlerin, die in Zusammenarbeit mit dem Schlagzeuger Didi Kern und dem Gastperformer Evandro Pedroni ein performatives Ritual inszeniert.
Me – Nmu – Ami, Kasino Schwarzenbergplatz, 8. + 10. 7., 21.00; SunBengSitting, Akademietheater, 11. 7., 20.00; Being Moved, Akademietheater, 17. 7., 19.00; Schrei X⁸, Odeon, 21. + 23. 7., 21.00