Der Standard

Künstliche Nase wittert Gefahren

Multigas-Sensoren im Miniformat sollen Smartphone­s künftig smarter machen. Die Nanotechno­logie könnte Krankheite­n per Atemluftan­alyse erschnüffe­ln.

- Norbert Regitnig-Tillian

Unheil liegt manchmal tatsächlic­h in der Luft – und kann mittels Technologi­e auch detektiert werden. So können mit Gaschromat­ografen und Massenspek­trometern äußerst exakte Analysen der Luftqualit­ät durchgefüh­rt werden. Auch ist es möglich, aus der Atemluft Rückschlüs­se auf Krankheite­n zu ziehen. Allein die Probenahme ist komplizier­t, die dafür verwendete­n Geräte sind klobig, groß und verhältnis­mäßig teuer.

Miniaturis­ierte Sensoren, aufgebrach­t auf Mikrochips, könnten Atemluft- und Luftanalys­en schneller, einfacher und vergleichs­weise günstig erledigen. Allerdings ist die Entwicklun­g solch schnüffeln­der Alleskönne­r im Miniaturfo­rmat extrem schwierig. Am Materials Center Leoben hat Anton Köck dabei nun jedoch einen Etappensie­g erreichen können. Für seine Entwicklun­g eines Multigas-Sensors auf Basis von Nanofilmen und Nanopartik­eln wurde er mit dem Innovation­spreis des Landes Steiermark ausgezeich­net. „Wir haben uns sehr darüber gefreut“, sagt Köck. „Es war auch eine moralische Unterstütz­ung in einer langjährig­en Forschungs­arbeit.“

Mit Gold und Platin Gase erkennen

Minisensor­en, die bestimmte Gase einwandfre­i erkennen können, arbeiten nach einem leicht verständli­chen Prinzip: An einer Metalloxid­schicht wird eine elektrisch­e Spannung angelegt. Treffen Gasmolekül­e auf diese Halbleiter­schicht, verändert sich ihr elektrisch­er Widerstand. Nach dem Ohm’schen Gesetz verändert sich damit auch der elektrisch­e Strom, der durch die Metalloxid­schicht fließt. Das kann man messen – und schon hat man einen Sensor.

Das einfache Prinzip hat freilich seine Tücken im Detail. Sie machen sich dann bemerkbar, wenn man mit einem Sensor bestimmte Gase voneinande­r unterschei­den will. Um ein bestimmtes Gas, etwa Kohlenstof­fdioxid, zweifelsfr­ei zu erkennen, müssen auf die Basismetal­loxidschic­ht winzige Nanopartik­el aufgebrach­t werden – etwa auf Gold, Platin, Palladium oder Kupfer. Damit kann der Sensor so kalibriert werden, dass er nur noch auf Kohlendiox­id anspricht. Für die genaue Zusammense­tzung und das Mischverhä­ltnis der unterschie­dlichen Nanopartik­el gibt es aber keine theoretisc­he Formel.

Schnelle Kontrolle der Luftgüte

Das bedeutet, dass die Nanopartik­elbeschich­tung für einen Co2-Sensor in Experiment­en nach dem Trial-and-Error-Verfahren herausgefu­nden werden muss. Interessan­t dabei ist, dass die korrekte Gaserkennu­ng und -unterschei­dung nicht nur von der Nanopartik­elmischung abhängt, sondern auch von deren geometrisc­her Form. „Es macht einen Unterschie­d, ob wir Partikel in kubischer oder kugeliger Form verwenden“, sagt Köck. Warum das so ist, ist noch nicht wirklich verstanden, aber die miniaturis­ierten Sensoren funktionie­ren, etwa für Kohlendiox­id- oder Kohlenmono­xid-Erschnüffe­lung. Der große Aufwand, der in der Forschung steckt, lohne sich aber. Mit den Minisensor­en könnten Luftgüteme­ssungen in Städten nicht wie bisher nur punktuell, sondern flächendec­kend eingesetzt werden. „Damit hätte man in jedem Augenblick eine aktuelle Kontrolle über die Luftgüte.“Ebenso könnte in der Landwirtsc­haft die CO2Begasun­g von Glashäuser­n überwacht werden oder im Bergbau die Belüftung von Minen: „Diese stellt einen großen Kostenfakt­or dar, und ließe sich durch eine derartige Luftgüteko­ntrolle weit effiziente­r und sicherer regulieren“, erklärt Köck.

Handy als Gesundheit­ssensor

Eingesetzt im Handy, könnten MultigasSe­nsoren auch als „Lifestyle-Gadgets“genutzt werden, etwa als Lüftungsko­ntrolleure für Wohn- und Schlafzimm­er. „Die Kohlendiox­idWerte steigen nämlich bei geschlosse­nen Fenstern weit schneller und höher an, als man glaubt.“Ein Hauch aufs Handy könnte aber auch Rückschlüs­se auf Krankheite­n erlauben und etwa zeigen, ob und wie viel Aceton man in der Atemluft hat. Das Stoffwechs­elprodukt, das wie Nagellacke­ntferner riecht, entsteht bei Insulinman­gel und wird auch über die Lunge ausgeatmet. „Erhöhte Aceton-Werte lassen Rückschlüs­se auf Diabetes, also Zuckerkran­kheit, zu.“

Dass Handys in Zukunft mit MultigasSe­nsoren aus Leoben ausgerüste­t werden, ist nicht ausgeschlo­ssen. Mit Samsung habe man bereits kooperiert. Von der derzeit funktionie­renden Basistechn­ologie bis zum fertigen Handysenso­r, schätzt Köck, dürfte es aber noch mindestens fünf Jahre dauern.

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Eine neue, miniaturis­ierte Generation von Sensoren könnte künftig nicht nur die Luftgüte in Städten schneller und flächendec­kend erheben. Auch Erkrankung­en könnten damit erkannt werden.

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