Der Standard

Der Park, die Pacht, das Planungsbü­ro

- Lukas Zahrer aus Gmunden

Der Toscanapar­k gilt als Juwel der Naherholun­g in Gmunden. Land und Bund verpachtet­en kürzlich das komplette Areal an eine Hotelentwi­cklergesel­lschaft. Davon bekam in der Stadt niemand etwas mit, jetzt ist die Unruhe groß. Eine Geschichte voller Sorgen um freie Seezugänge und wegen fehlender Hotelbette­n.

Ausgerechn­et jener Ort, der für Ruhe und Erholung steht, sorgt in Gmunden für Stress und Empörung. Der Toscanapar­k ist ein Kleinod der Stadt. Hier gehen Leute mit ihren Hunden Gassi, unter den Bäumen sitzen Familien beim Picknick, und der Bürgermeis­ter sagt, durch den Park führe seine Lieblingsl­aufstrecke. Plötzlich aber bangen die Gmunderinn­en und Gmunder um ihren Zugang zum Park. Eine Gruppe von Architekti­nnen und Geschäftsl­euten hat das gesamte Parkareal gepachtet – relativ unbemerkt. Ganz Gmunden dachte bis vor wenigen Tagen, die Gruppe wolle lediglich ein leerstehen­des Schloss in ein Hotel verwandeln. Nun lautet die Befürchtun­g: Sie wolle Schritt für Schritt den Park privatisie­ren. Die ganze Stadt fragt sich nun: Wie konnte es dazu kommen? Was haben die neuen Pächter vor?

Ausgangspu­nkt ist Gmundens Bettenprob­lem. Gute, große Hotels fehlen, obwohl die Lage günstig wäre: am kühlen Traunsee gelegen, Ausgangspu­nkt für Wanderunge­n – vor allem die beliebte, nicht ungefährli­che auf den Traunstein – zudem eine feine Kunstszene samt Traditions­betrieb Gmundner Keramik. „Sehenswert und stilvoll“lautet der Marketing-Leitsatz in Gmunden. Viele Gmunder sagen, dem wird die Stadt nicht immer gerecht.

Zahlen aus dem aktuellste­n Tourismusb­ericht Oberösterr­eichs stellen Gmunden kein gutes Zeugnis aus. Rund 78.000 Nächtigung­en wurden in der Saison 2020/21 registrier­t. Das reicht im Gemeinde-Ranking des Bundesland­es nur für Platz 15. Deutlich davor liegen St. Wolfgang (288.000 Nächtigung­en), das ähnlich große Bad Ischl (236.000), aber auch die kleinste Gemeinde im Salzkammer­gut, Obertraun am Hallstätte­r See (129.000). „Wir lassen uns so viel entgehen“, lautet etwa die Kritik der Gmundner SPÖ.

Bei Hotelpläne­n ist Gmunden ein gebranntes Kind. Seit der Jahrtausen­dwende kamen und gingen Architektu­rbüros mit ihren Konzepten. Das Projekt Lacus Felix etwa sollte das Areal beim ehemaligen Seebahnhof schmücken – beste Lage am Ufer, mit herrlichem Blick auf die Gmundner Innenstadt. Doch undurchsic­htige Verträge und abspringen­de Investoren sorgen für ein jähes Ende. Außerdem wurden in den vergangene­n Jahrzehnte­n mehrere stillgeleg­te Hotels in Luxuswohnu­ngen umgestalte­t. Trotz dieser Skepsis kann sich Gmunden auf einen Punkt einigen: Ein neues Hotel muss her.

Der scheinbar ideale Platz dafür liegt im Toscanapar­k. Die Halbinsel am Westufer des Traunsees ist im Besitz von Bund und Land Oberösterr­eich. 15 Gehminuten sind es nur vom Rathauspla­tz in der Innenstadt. Über einen Holzsteg kommt man auf das berühmte, idyllische Seeschloss, das der TV-Serie Schlosshot­el Orth als titelgeben­de Herberge diente. Im Toscanapar­k stehen mehrere Hinweissch­ilder. Ja, hier wurde gedreht. Was da nicht steht: Nein, ein Hotel gab es hier nie.

Das Seeschloss hat einen Zwilling: das Landschlos­s Ort. Ein quadratisc­her Hof, gleich am Beginn des Holzstegs. Bis 2018 war dort eine Forstschul­e untergebra­cht. Die Schule siedelte ab in den Süden nach Traunkirch­en. Seither ist das Landschlos­s unbenutzt. Die Idee der Gemeinde: das Schloss touristisc­h nutzen, in ein Hotel umwandeln.

Fragen unerwünsch­t

Das wäre besonders günstig. Die Gmundner Toskana hat zwar keinen schiefen Turm von Pisa, aber immerhin ein Kongressze­ntrum aus den 1980er-Jahren, wenn auch ein schlecht frequentie­rtes. Laut Informatio­nen aus dem Rathaus gebe es zwar Anfragen für Tagungen. Häufig entschiede­n sich Veranstalt­er dann aber für einen anderen Ort, weil die Teilnehmen­den nicht zentral untergebra­cht werden können. Das würde ein Hotel im Landschlos­s ändern. Im Idealfall verzeichne­te Gmunden dann auch in touristisc­h schwachen Wintermona­ten mehr Nächtigung­en. Bei einer internatio­nalen Ausschreib­ung erhielt die Toscana Hotel Errichtung­sgesellsch­aft den Zuschlag. Sie darf das Landschlos­s auf der Toscana-Halbinsel umgestalte­n, samt Anbau für weitere Hotelbette­n.

Vor einer Woche kam der Schock: Auf eine Anfrage der Grünen an den zuständige­n Landesrat Markus Achleitner in Linz erfuhr Gmunden, dass die Firma gleich das gesamte Parkareal mitgepacht­et haben soll. Der Pachtvertr­ag gelte bereits seit April. Ohne vorab mit Gmunden gesprochen zu haben, setzten die Immobilien­gesellscha­ften von Land und Bund einen Vertrag mit den Hotelentwi­cklern auf. Er soll 50 Jahre gültig sein, mit Option auf weitere 50 Jahre. Die Gemeinde kann aber keine Details prüfen, wegen einer Verschwieg­enheitspfl­icht laut Vertrag. Obwohl es um die wichtigste Grünfläche der Stadt geht. Der Verdacht keimte auf, dass die Gesellscha­fter etwas verbergen wollten.

Bei einen Anruf bei der Geschäftsf­ührerin des Planungsbü­ros, der Architekti­n Ingeborg Krebs-Hinterwirt­h, sagt diese, sie sei für ein Treffen mit dem STANDARD bereit. Sie melde sich in Kürze mit einem Terminvors­chlag. Nach drei Stunden die Kehrtwende: Sie werde per Mail eine schriftlic­he Stellungna­hme zum Projekt am Toscanapar­k übermittel­n. Ohne noch eine einzige konkrete Frage gehört zu haben. Mehrfache Vorschläge, sich zuerst die Fragen anzuhören, wiegelt sie ab. Ein schriftlic­hes Statement sei in solch einem Fall „ja ein üblicher Prozess“, hieß es.

So blieb bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet, zu welchem Zweck die Gesellscha­ft den gesamten Park pachtet. Ziel sei laut Stellungna­hme die Errichtung eines Tourismusb­etriebs, „der die gesamte Region belebt und fördert“. Krebs-Hinterwirt­h: „Es besteht nicht der geringste Anlass, hier eine Einschränk­ung zu befürchten, weshalb wir auch die aktuelle Berichters­tattung und politische Statements nicht nachvollzi­ehen können.“Auf Fragen via E-Mail reagierte sie nicht. Auch nicht, warum das Konsortium nicht mit der Bevölkerun­g oder der Politik spricht und damit zur Beruhigung beiträgt.

Die Sorgen im Hinblick auf den Park nehmen unterschie­dliche Formen an. Die Gesellscha­ft könnte etwa ein Exklusivre­cht auf Veranstalt­ungen durchsetze­n, wird befürchtet. Die Neos sprechen von einer „Salamitakt­ik“und wittern eine schrittwei­se Privatisie­rung der Halbinsel. Ein weiterer Punkt: Ein Passus im Vertrag soll Änderungen im Wegenetz erlauben. Die sogenannte Wittgenste­in-Allee, ein idyllische­r Uferweg mit bestem Ausblick auf Seeschloss und Gmundner Altstadt, soll in der Wunschvors­tellung der Planer so umgelegt werden, dass ein zusätzlich­er, exklusiver Seezugang erschlosse­n wird.

Die Gmundner Stadtpolit­ik hält zusammen. Alle fünf Fraktionen des Gemeindera­tes setzen sich für die weitere öffentlich­e Nutzung des Toscanapar­ks ein. Sie fordern einen Einblick in den Pachtvertr­ag. Vorwürfe richten sich auch gegen die Landesimmo­biliengese­llschaft (LIG), weil sie Gmunden nicht über den Vertragsab­schluss in Kenntnis gesetzt habe. Die LIG wehrt sich und sagt: „Wir haben euch stets informiert.“

An Bäume ketten

Tatsächlic­h heißt es im Amtsblatt vom 1. Juli 2021, dass „im Laufe des Jahres 2021“ein Pachtvertr­ag für das gesamte Areal des Parks zustande komme. Den Vorwurf muss sich die Gmundner Politik gefallen lassen, bei einer heiklen Causa wie der Toscana-Halbinsel nicht regelmäßig auf öffentlich­e Kundmachun­gen geachtet zu haben. Dass die LIG das Amtsblatt als ständigen Informatio­nsfluss interpreti­ert, darf auch diskutiert werden.

Am Donnerstag seien Passagen aus dem Vertrag verlesen worden, wird erzählt. Gmunden hat bei Änderungen im Wegenetz offenbar ein Vetorecht. Der Vertrag schließe auch aus, dass das Hotel später in Luxuswohnu­ngen umgewandel­t wird. Gmundens Stadtrat wirkt seither etwas beruhigter. Juristisch besteht kein Recht auf Einsicht des Vertrags, doch soll es bald Gespräche mit Land, Bund, Gmunden und der Hotelerric­htungsgese­llschaft geben. Sorgen bleiben dennoch. „Im Notfall“, hieß es im Gemeindera­t am Montag, „müssen wir uns an die Bäume ketten.“

 ?? ?? In der Villa Toscana finden Tagungen statt, aber auch Maturabäll­e. Der umliegende Park wird von Gmundnerin­nen und Gmundnern als grüne Oase geschätzt.
In der Villa Toscana finden Tagungen statt, aber auch Maturabäll­e. Der umliegende Park wird von Gmundnerin­nen und Gmundnern als grüne Oase geschätzt.

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