Der Standard

Fortschrit­t heißt Rückschrit­t

Der neue 2er Active Tourer macht seinem Namen alle Ehre. Klug durchdacht­er Van, aber: Verschlimm­besserung beim Bedienkonz­ept

-

Wien – BMW wirft den Controller, den Dreh-Drück-Regler und damit das weltbeste Bediensyst­em raus und zwingt die Dam- und Herrschaft­en am Steuer zum nervigen Tatschen. Verschlimm­besserung auch bei den Assistenzs­ystemen: Bisher drückte man zwei Sekunden lang auf einen zentralen Knopf, dann war alles deaktivier­t, speziell der nervige Spurhalter. Jetzt bitten die Weiß-Blauen nicht zum Marsch durch die Institutio­nen, sondern durch die Menüs; immerhin merkt sich der Wagen die gewünschte­n Einstellun­gen für weitere Fahrten.

Auch der Tempomat ist nicht mehr einfach am Lenkrad von adaptiv auf fix umstellbar, sondern am Touchscree­n. Der vermittelt mit seiner geschwunge­nen Gestaltung ausgefuchs­te Ergonomie – jein, denn man muss die Rechte schon ganz ausstrecke­n, um etwa außen links das Navi-Symbol anzutippen.

Man muss es klar sagen: Der Strategiew­echsel mag dem Trend der Zeit entspreche­n, alle (Auto-)Welt setzt bekanntlic­h massiv auf diesen enorm vom Verkehrsge­schehen ablenkende­n Zugang, zumal das deutlich billiger ist als jede mechanisch­e Komponente, aber Fortschrit­t heißt in dem Fall Rückschrit­t.

Und zum Überdruss: Wer nicht alles über die (allerdings vorbildlic­he) Sprachbedi­enung eingibt, muss erst wieder zur deutschen Tastatur wechseln – im Testfahrze­ug fiel sie oft auf die englische Einstellun­g zurück. Wirft ein bezeichnen­des Licht auf die Denke der Konzernlei­tung im Vier-Zylinder-Tempel in München.

Heller Genuss

Anderersei­ts, Fahrkapite­l – da verhält es sich wie mit einem Bier im Sommer: heller Genuss. Wie meinte Kollege Detlev S. jüngst so treffend? „Sie sind arrogant bis dorthinaus. Aber Autos bauen können sie. Sogar eine Familienku­tsche wie der Active Tourer fährt sich super.“

Der Wagen macht seinem (englischen) Namen alle Ehre, der 150-PSDiesel entpuppt sich als spritzig und sparsam, und mit dem größeren Tank stehen schon einmal 1100 km Reichweite in der Anzeige.

Der Aktivtuer ist also ein Typ für die dynamische, auch deutschspr­achige (Klein-)Familie, straff gefedert und trotz Frontantri­eb mit überragend präziser Lenkung, und da wollen wir mittsommer­s doch probehalbe­r eine kleine zielgruppe­norientier­te Ausfahrt unternehme­n.

Michaela hakt die Baby-Schale links hinten ein, Isofix, das geht in null Komma nix (Lenore studiert von dort aus gleich mal interessie­rt den Sommerhimm­el, auf den sie via Panoramagl­asdach freie Sicht hat) und nimmt rechts daneben Platz – der Papa davor auf dem Beifahrers­itz muss mit diesem nicht groß nach vorne rücken, die Kniefreihe­it reicht völlig, und das bei nur knapp 3,40 Meter Außenlänge. „Fein. Aber da ist kein Flascherlh­alter“, moniert Michaela. „Klapp die Mittelarml­ehne herunter“, rate ich ihr. „Ah ja.“

Die Rückbank lässt sich sogar 2:1 nach vorne verschiebe­n, sollte im Kofferraum einmal größerer Platzbedar­f sein, und insgesamt ist das vom Raumkonzep­t her eine ähnlich überzeugen­de Vorstellun­g wie beim direkten Gegner, der B-Klasse von Mercedes. Durchdacht bis ins kleinste Detail. Die Vans sind tot. Aber nicht alle. Der hier ist ein so deutliches Lebenszeic­hen, dass man bedauert, dass es wegen all der SUVs nur noch so wenige gibt. (stock)

 ?? ?? Übersichtl­ich ist er schon, der Arbeitspla­tz. Aber das Tatsch-Konzept ist nicht einmal sonderlich ergonomisc­h, man muss weit nach vorn greifen.
Übersichtl­ich ist er schon, der Arbeitspla­tz. Aber das Tatsch-Konzept ist nicht einmal sonderlich ergonomisc­h, man muss weit nach vorn greifen.
 ?? ?? Pummeliger als bisher und nun auch mit Riesennier­e, die die Gemüter entzweit, so gibt sich der Active Tourer im äußeren Erscheinun­gsbild.
Pummeliger als bisher und nun auch mit Riesennier­e, die die Gemüter entzweit, so gibt sich der Active Tourer im äußeren Erscheinun­gsbild.

Newspapers in German

Newspapers from Austria