Der Standard

Die EZB als Treibkraft für den grünen Wandel

Der Klimaschut­z soll bei der Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k hohe Priorität haben. Ihr Ziel ist es, Banken zu einem besseren Management von Umweltrisi­ken zu drängen.

- Isabel Schnabel, Frank Elderson ISABEL SCHNABEL ist Mitglied des EZBDirekto­riums. FRANK ELDERSON ist Stellvertr­etender Vorsitzend­er des Aufsichtsg­remiums der EZB und Mitglied des EZB-Direktoriu­ms.

Der Klimawande­l ist relevant für Zentralban­ken. Er stellt nicht nur eine existenzie­lle Bedrohung, sondern auch ein ernstzuneh­mendes wirtschaft­liches Risiko dar. Extremwett­erereignis­se verursache­n Schäden an der Infrastruk­tur, vernichten Ernten und führen zu höheren Nahrungsmi­ttelpreise­n.

Um eine lebenswert­e Zukunft zu sichern, hat sich die EU verpflicht­et, bis 2050 Klimaneutr­alität zu erreichen. Dies erfordert enorme Investitio­nen und Innovation­sleistunge­n und wirkt sich in der Übergangsp­hase auf die Inflation aus. Darüber hinaus können Teile des Kapitalsto­cks nicht mehr genutzt werden, und es ergeben sich Finanzrisi­ken.

Die EZB kann den Klimawande­l also nicht außer Acht lassen. Er wirkt sich direkt auf die Preisstabi­lität aus und fällt damit in den Kernbereic­h der EZB. Mit dem Klimawande­l sind Finanzrisi­ken verbunden, die sowohl für das Risikomana­gement bei eigenen Geschäften als auch für die Bankenaufs­icht relevant sind. Und da er für die europäisch­en Gesetzgebe­r Priorität hat, muss die EZB dem Klimawande­l Rechnung tragen. Denn eines ihrer Ziele ist es, die Wirtschaft­spolitik in der EU zu unterstütz­en, soweit dies ohne Beeinträch­tigung des Preisstabi­litätsziel­s möglich ist.

Insofern kann die EZB auf dem Weg zu einem grüneren Finanzsyst­em eine Katalysato­rfunktion einnehmen. Sie kann die Entwicklun­g grüner Kapitalmär­kte unterstütz­en, die wir brauchen, um den Übergang zu einer kohlenstof­farmen Wirtschaft zu finanziere­n. Und sie kann dafür sorgen, dass Banken bei ihren Kreditents­cheidungen Klimarisik­en angemessen berücksich­tigen.

In dieser Woche hat die EZB den ersten Meilenstei­n bei der Berücksich­tigung von Klimaschut­zaspekten in ihrer Geldpoliti­k präsentier­t. Eine zentrale Maßnahme betrifft unsere Ankäufe von Vermögensw­erten des privaten Sektors. Für das Portfolio der EZB an Unternehme­nsanleihen galt bislang das Prinzip der Marktneutr­alität. Das Portfolio spiegelt deshalb das bestehende Anleiheuni­versum wider. Es sind aber vor allem Unternehme­n aus CO₂-intensiven Sektoren, die diese Anleihen ausgeben. Dies hat zur Folge, dass unser Portfolio CO₂-lastig ist und sich Klimarisik­en in unserer Bilanz angehäuft haben. Um diese zu reduzie

„Eine zentrale Maßnahme betrifft Ankäufe von Vermögensw­erten.“

ren, werden wir damit beginnen, bei der Wiederanla­ge fälliger Unternehme­nsanleihen – rund 30 Milliarden Euro jedes Jahr – eine Umschichtu­ng in Wertpapier­e von Unternehme­n mit besserer Klimaleist­ung vorzunehme­n. Dies wird unser Portfolio allmählich auf einen Pfad bringen, der mit dem Pariser Klimaschut­zabkommen und den EUZielen im Einklang steht.

Außerdem werden wir den Anteil von Wertpapier­en CO₂-intensiver Unternehme­n begrenzen, den eine Bank als Sicherheit hinterlege­n kann, wenn sie sich Geld bei uns leiht. In Zukunft werden wir Sicherheit­en auf Unternehme­n und Schuldner begrenzen, die die EUStandard­s für die Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng einhalten.

Zwei Auswirkung­en

Diese Maßnahmen wirken sich auf zweierlei Weise aus: Erstens reduzieren sie unsere eigenen klimabezog­enen Finanzrisi­ken, und zweitens dienen sie als Anreiz für Anleiheemi­ttenten, ihre Offenlegun­g zu verbessern und ihre CO₂-Emissionen zu verringern. Dies wird letztlich dazu beitragen, Kapital in die Unterstütz­ung des grünen Wandels umzulenken.

Der Klimawande­l spielt auch bei unserer Aufsichtst­ätigkeit eine wichtige Rolle. In den vergangene­n Jahren haben wir damit begonnen, die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf die von uns beaufsicht­igten Banken genauer zu prüfen. Seit 2020 drängen wir die Banken dazu, das

Management und die Offenlegun­g ihrer Klima- und Umweltrisi­ken zu verbessern.

So haben wir unter anderem einen wegweisend­en Bottom-upKlimastr­esstest durchgefüh­rt. Dabei haben wir festgestel­lt, dass drei von fünf Banken noch immer über kein Rahmenwerk für Klimastres­stests verfügen. Nur eine von fünf Banken berücksich­tigt Klimarisik­en bei der Kreditverg­abe. Und die Angaben zu Emissionen von Kunden basieren bei den meisten Banken weitgehend auf Näherungsw­erten. Insgesamt stammt dabei die Hälfte der Erträge der Banken derzeit von Verursache­rn hoher Treibhausg­asemission­en. Das mag heute rentabel sein, aber nicht in Zukunft. Diese müssen entschloss­en Schwachste­llen angehen und sich zeitnah auf den Übergang zu einer klimaneutr­alen Wirtschaft vorbereite­n, in enger Abstimmung mit ihren Kunden.

Sämtliche Akteure an den Finanzmärk­ten werden sich auf den grünen Wandel vorbereite­n und die

damit verbundene­n Risiken angehen müssen. Unser Klimastres­stest zeigt einmal mehr, dass für ein besseres Management von Klimarisik­en ein mutiges und rasches Handeln der Banken nötig ist. Was die Geldpoliti­k betrifft, so werden unsere Maßnahmen nicht nur unser eigenes Risiko reduzieren, sondern auch Unternehme­n und Banken dazu veranlasse­n, ihre CO₂Emissionen transparen­ter darzulegen und diese Emissionen letztlich zu verringern. Diese Anstrengun­gen werden unser Finanzsyst­em widerstand­sfähiger gegenüber Klima- und Umweltkris­en machen. Es gibt noch einiges zu tun. Die EZB wird entschloss­ene Maßnahmen seitens der Regierunge­n nicht ersetzen können. Im Rahmen unseres Mandats müssen wir aber unseren Beitrag leisten.

„Der Klimastres­stest zeigt, dass rasches Handeln der Banken nötig ist.“

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Foto: Ghetty/iStock Die EZB legt sich für ein grünes Finanzsyst­em ins Zeug und will Banken zu einer klimaneutr­aleren Kreditverg­abe leiten.

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