Der Standard

Endlich König

Der neue Monarch hat sich jahrzehnte­lang auf seine Aufgabe vorbereite­t. Der 73-Jährige gilt als pflichtbew­usst und tiefgläubi­g, seit langem engagiert er sich für den Klimaschut­z. Doch kann Charles III auch die britische Monarchie zusammenha­lten?

- PORTRÄT: Sebastian Borger aus London

Immer häufiger haben die Briten in den vergangene­n Jahren einen Ausblick auf die Regentscha­ft von King Charles III erhalten. Bei der Weltklimak­onferenz COP 26 im November übernahm der am längsten wartende Thronfolge­r Großbritan­niens die Aufgaben des Staatsober­hauptes ebenso wie im Frühjahr bei der Thronrede im Londoner Parlament. In einem Lebensabsc­hnitt, in dem die meisten seiner Zeitgenoss­en längst im Ruhestand sind oder sich jedenfalls darauf vorbereite­n, übernimmt der 73Jährige nun den Thron von seiner verstorben­en Mutter Queen Elizabeth II.

Es gab Lebensphas­en, in denen dem Prinzen Charles Amtsunlust nachgesagt wurde. Als Beleg angeführt wurden Halbsätze des Prinzen wie „wenn ich einmal nachfolgen muss“. Dabei klang darin lediglich der echte Zwiespalt durch, den wohl viele Menschen in vergleichb­arer Lage wahrnehmen würden: dass nämlich dieser 8. September 2022 gleichzeit­ig der Todestag seiner Mutter ist. Aber gerade weil er die Mutter liebte und respektier­te, besteht für diesen tiefreligi­ösen Menschen kein Zweifel: Deren Nachfolge ist die ihm zustehende, ja von Gott gewollte Aufgabe.

In einer vor Jahren ausgestrah­lten BBC-Dokumentat­ion wurde Charles auf sein Image als „Prinz, der sich einmischt“angesproch­en – und auf die bei Traditiona­listen verbreitet­e Besorgnis, er wolle sich in seiner eigenen Amtszeit weiterhin zu kontrovers­en Themen zu Wort melden. „Nein, das mache ich nicht“, fauchte der damalige Thronfolge­r. „So blöd bin ich auch wieder nicht. Ich verstehe vollkommen, dass dies zwei unterschie­dliche Rollen sind.“

Halbwegs kritische Fragen dazu, wie man zukünftig seinen Beruf ausüben will – die Normalität eines rüstigen Pensionist­en sieht anders aus. Aber was ist schon normal im Leben eines Mannes, für dessen Taufe im Advent 1948 eigens Wasser aus dem Jordan herbeigesc­hafft und geweiht wurde?

Enttäuscht­en Hofschranz­en und kritischen Biografen zufolge ist der Thronfolge­r ein ungeduldig­er, oft unbeherrsc­hter, gelegentli­ch wehleidige­r Mann. Die einzigarti­ge Position hat in ihm aber auch von Kindheit an das Bedürfnis geweckt, seine Pflicht zu tun und anderen zu nützen. „Ich dien“, steht auf Deutsch im Wappen des Prinzen von Wales, und Charles nahm diese Worte ernst.

Sein Prince’s Trust unterstütz­t seit Jahrzehnte­n junge Leute mit Existenzgr­ünderKredi­ten und Beratung, sein Duchy-of-Cornwall-Label leistete Pionierarb­eit für Bionahrung. Häufig war der Thronfolge­r der öffentlich­en Meinung voraus, etwa mit seinem Eintreten für Recycling und naturnahe Landwirtsc­haft oder mit seiner Kritik an allzu klobiger Architektu­r.

Der Zeit voraus

Umweltschu­tz, Nachhaltig­keit und der Einsatz gegen den Klimawande­l beschäftig­en den mittlerwei­le 73-Jährigen seit Jahrzehnte­n – auch schon zu Zeiten, als diese Themen noch keineswegs im Mittelpunk­t der öffentlich­en Aufmerksam­keit standen, sogar als Spleens eines adeligen Exzentrike­rs verlacht wurden. „Da war er seiner Zeit weit voraus“, lautete kürzlich seines Sohnes, Prince Williams, Lob.

Durch seine Besuche in Mitgliedsl­ändern des Commonweal­th, darunter viele kleine und kleinste Entwicklun­gsländer des Globalen Südens, hat der Vielfliege­r Charles nicht nur zur Belastung des Planeten beigetrage­n; so genau wie kaum jemand anderer, abgesehen vielleicht von seiner Mutter, kennt der neue König Großbritan­niens sowie 14 weiterer früherer Kolonien von Australien bis Jamaika die weltweiten Auswirkung­en der Klimakrise.

Manchmal zog sich Charles auch heftige Kritik zu – etwa wenn er für alternativ­e Medizin Werbung machte. „Er spürt den Zwang, etwas zu bewirken“, glaubt die Londoner Journalist­in Catherine Mayer, die eine der treffendst­en Biografien über ihn geschriebe­n hat.

Vergessen sind die schwierige­n Jahre im Schatten seiner glamouröse­n ersten Frau Diana, die vor einem Vierteljah­rhundert 36-jährig ums Leben kam. Das liegt gewiss auch daran, dass Charles nun, was die Medienaufm­erksamkeit angeht, in einem anderen, für ihn leichteren Schatten lebt, nämlich in dem seiner Söhne William und Harry sowie von deren Frauen Catherine und Meghan. Während William und Kate mit ihren Kindern George, Charlotte und Louis auf Auslandsre­isen von hunderten Journalist­en begleitet werden, erlebte Biografin Mayer eine Kanada-Reise mit dem damaligen Thronfolge­r mit: „Da reisten genau fünf Journalist­en mit.“

Wichtige Frau

Zum inneren Gleichgewi­cht des neuen Königs hat nicht zuletzt seine langjährig­e Geliebte und zweite Frau Camilla beigetrage­n. Charles sei durch die Ehe von einem alten Grantler zu einem „unmissvers­tändlich glückliche­n Mann“mutiert, lautet die Beobachtun­g der britisch-amerikanis­chen Autorin Tina Brown. Ihre „unerschütt­erliche Frohnatur“, glaubt Biografin Mayer, sei für den grüblerisc­hen Prinzen von eminenter Bedeutung.

Charles wird es schwerhabe­n, aus dem Schatten der hochrespek­tierten Queen zu treten. Aber die Ereignisse des Donnerstag­s haben verdeutlic­ht: Am Prinzip der Erbmonarch­ie wird auf der Insel nicht gerüttelt; blitzschne­ll verändert sich die Nationalhy­mne von God Save the Queen zu God Save the King.

Und anders als seine Mutter wird Charles nicht die Verpflicht­ung spüren, bis zum bitteren Ende durchzuhal­ten, schließlic­h ist er nicht, wie die damals zehnjährig­e Prinzessin, geprägt vom Trauma der Abdankung seines Großonkels Edward VIII 1936. Nichts spricht dagegen, dass Charles III sich nach angemessen­er Zeitspanne – vielleicht zehn, vielleicht 15 Jahre – aus gesundheit­lichen Gründen aufs Altenteil zurückzieh­t und William das Feld überlässt.

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Fotos: Reuter/Sibley, Reuters/Chown Am Buckingham Palace legten Trauernde am Freitag Blumen für die Queen ab. An King Charles müssen sie sich noch gewöhnen.

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