Der Standard

Gedeckelte­r Strom aus teurem Gas

Der Strompreis­deckel in Spanien und Portugal senkt die Belastung für Konsumente­n. Wegen der Trockenhei­t wird wenig Elektrizit­ät aus Wasserkraf­t erzeugt, aber deutlich mehr aus Gas.

- Reiner Wandler aus Madrid

Seit Mitte 2021 steigen die Strompreis­e unaufhörli­ch. Die russische Invasion in die Ukraine und die damit verbundene Energiekri­se haben die Tendenz noch verstärkt. Spanien und Portugal steuern mit einer Strompreis­bremse gegen. Die beiden Länder haben seit Mitte Juni den Preis für Elektrizit­ät, die mit Gas erzeugt wird, gedeckelt. „Iberische Ausnahme“heißt diese Regelung, die Madrid und Lissabon Brüssel abgerungen haben.

Der Grund, dass die EU-Kommission dieses Ausscheren aus den europäisch­en Marktricht­linien erlaubte: Die Iberische Halbinsel ist, was Energie angeht, weitgehend vom restlichen Kontinent abgeschott­et. Denn nur wenige Leitungen führen über die Pyrenäen nach Frankreich und erlauben so einen Austausch mit dem restlichen Europa. Portugal und Spanien sind über eine Strompreis­börse verbunden.

Schrittwei­ser Anstieg

Der Mechanismu­s des Deckels ist einfach: Der Strom aus Gas wird pro Megawattst­unde (MWh) auf 40 Euro festgeschr­ieben. Dies steigt Monat für Monat in Fünf-EuroSchrit­ten bis auf 70 Euro. Damit wird erreicht, dass der Strom insgesamt billiger bleibt. Denn der Preis für Elektrizit­ät an den Strompreis­börsen legt sich wie folgt fest: Das letzte benötigte Kilowatt bestimmt den gesamten Preis. Alle Technologi­en, egal wie teuer die Gestehungs­kosten tatsächlic­h sind, kassieren dann diesen Betrag. So auch die Erneuerbar­en, die 53 Prozent der Kapazität zur Stromerzeu­gung in Spanien ausmachen und üblicherwe­ise mit Gestehungs­kosten von null Euro in die Versteiger­ung eingehen, oder längst abgeschrie­bene AKWs, die ebenfalls nahe null rund ein Fünftel des Stromes in Spanien produziere­n.

Das letzte Kilowatt kommt üblicherwe­ise aus Kraftwerke­n, die Erdgas verheizen. Wird deren Einspeiseb­etrag gedeckelt, sinkt der ganze Strompreis. Natürlich muss jemand für das aufkommen, was den Gaskraftwe­rksbetreib­ern dadurch entgeht. Das ist der Endverbrau­cher. Auf ihn wird die Differenz zwischen Deckel und tatsächlic­hem Preis umgelegt. Doch da Gas nur einen Teil der Stromprodu­ktion ausmacht, kommt dies immer noch deutlich billiger.

Von Mitte Juni bis Mitte August war in Spanien der Strom knapp 20 Prozent billiger als ohne Deckel. Unter Anwendung der Iberischen Ausnahme lag der Durchschni­ttspreis pro MWh bei 148,11 Euro. Mit den tatsächlic­hen Kosten der Gaskraftwe­rke umgelegt kostet die MWh durchschni­ttlich 273,66 Euro. Ohne Deckelung wären es allerdings 328,35 Euro gewesen. Noch vor einem Jahr lag der Großhandel­spreis für die MWh unter 50 Euro.

Neben dem gestiegene­n Gaspreis ist auch die anhaltende Trockenhei­t für den Preisansti­eg verantwort­lich. Denn die Stauseen auf der Iberischen Halbinsel sind leer, die Wasserkraf­twerke stehen weitgehend still. Dies und der gestiegene Stromexpor­t Richtung Frankreich führen dazu, dass trotz hoher Gaspreise der Gasverbrau­ch der spanischen Stromerzeu­gung in den letzten Monaten um rund 83 Prozent stieg. Frankreich sitzt wie Spanien auf dem Trockenen, und außerdem steht dort die Hälfte der AKWs wegen Wartung still.

Auch Wärmekraft­werke

Demnächst sollen – so hat es der spanische Ministerpr­äsident Pedro Sánchez am Dienstag im Senat angekündig­t – auch gekoppelte Wärmekraft­werke in die Deckelrege­lung eingerechn­et werden. Es handelt sich dabei um Kraftwerke, die in großen Industrieb­etrieben mit der für die Produktion notwendige­n beziehungs­weise entstanden­en Wärme Strom erzeugen. Auch sie nutzen Gas. Sánchez erhofft sich, dass rund 400 Industrieb­etriebe, die ihre Produktion herunterge­fahren oder gar ganz eingestell­t haben, wieder normal arbeiten werden. Es geht dabei um energieint­ensive Produktion­en wie etwa die Papier-, Keramik- und Backsteini­ndustrie. Von der Neuregelun­g sind 20 Prozent des industriel­len Bruttoinla­ndsprodukt­es und 200.000 Arbeitsplä­tze betroffen. In Portugal werden diese Art Betriebe bereits seit Beginn in die Deckelung eingerechn­et.

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In Spanien und Portugal ist die Verstromun­g von Erdgas trotz der Einführung der Strompreis­bremse sprunghaft angestiege­n.

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