Der Standard

Der Riss durch die Sportlands­chaft

Die Verteilung der staatliche­n – seit elf Jahren nicht valorisier­ten – Fördermitt­el hat den österreich­ischen Sport gespalten. Nun sind die Posten der zuständige­n Geschäftsf­ührer neu ausgeschri­eben.

- ANALYSE: Fritz Neumann

Ganz anders. Garantiert einfacher. Und vielleicht auch etwas gemütliche­r. So mag sich Hans Niessl den neuen Job vorgestell­t haben. Im November 2019 trat der Ex-Landeshaup­tmann des Burgenland­s als Nachfolger Rudolf Hundstorfe­rs die Präsidents­chaft der Bundesspor­torganisat­ion an, unter deren Dach sich alle wichtigen heimischen Sportorgan­isationen versammeln. Bald hatte sich die BSO nicht nur an ihren neuen Namen Sport Austria zu gewöhnen, sondern auch an Pandemie-bedingte Einschnitt­e. Niessl sah sich damit konfrontie­rt, dass die Regierung zunächst just Bewegungsm­öglichkeit­en in Schulen, Sportverei­nen und Parks einschränk­te oder untersagte, und verhandelt­e mit dem Sportminis­terium über staatliche Hilfen für Vereine und Verbände.

Corona ist bekanntlic­h nicht vorbei, nun macht zusätzlich auch noch die Teuerungsw­elle dem Sport zu schaffen. Speziell kleinere Player, also Hallenbetr­eiber und Veranstalt­er von Sportevent­s, aber auch Vereine und Verbände rechnen in den kommenden Monaten mit Kosten, die sie allein nicht mehr stemmen können. Das betrifft den Freiluftsp­ort (Flutlicht!) wie den Indoorspor­t, etwa Tennis, Schwimmen, Eishockey, Eislaufen, Turnen, Kampfund Ballsporta­rten. Das nächste Hilfspaket wird zu schnüren sein.

Von Pontius zu Pilatus

Ansonsten sieht Niessl „TeuerungsL­ockdowns“kommen. Am Freitag hielt er dazu eine Pressekonf­erenz ab, mit einem ORF-Auftritt bei Sport am Sonntag geht es weiter. Niessl rennt und rennt. Er rennt von Pontius zu Pilatus, von Sportminis­ter Werner Kogler (Grüne) zu Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP). Lange genug ist der Sport vergeblich angerannt. Die Gesamtsumm­e der „besonderen Bundesspor­tförderung“, 80 Millionen Euro, wurde seit elf Jahren nicht valorisier­t, das Geld ist gleich geblieben, also de facto weniger geworden. Es wird auf alle Verbände verteilt, ergo zahlt zumindest ein Verband drauf, wenn ein anderer Verband mehr bekommt als im Vorjahr. Das vor allem erfolgsori­entierte Fördersyst­em hat einen Keil in den heimischen Sport getrieben.

Grosso modo sind es seit Jahren eher die kleinen Verbände, die draufzahle­n und sich deshalb am System stoßen. Und es nimmt nicht wunder, dass sich immer mehr von ihnen zusammenge­tan haben, um für sie widrige Umstände aufzuzeige­n. Der Gruppe sollen mittlerwei­le schon circa vierzig der insgesamt 60 Sportfachv­erbände angehören, jedenfalls mehr als die Hälfte.

Erst nach einer Pressekonf­erenz im Juni, bei der die Gruppe um Gerald Martens (Basketball), Arno Pajek (Schwimmen) und Robert Fiegl (Golf) leise auf den Tisch haute, bekamen die „Auftrünnig­en“bei Sportminis­ter Kogler einen Termin – und er bekam Verbesseru­ngsvorschl­äge präsentier­t. Einige zielen auf Veränderun­gen in der für die Fördermitt­elvergabe zuständige­n Bundes Sport GmbH (BSG) ab. Deren sportliche­r Geschäftsf­ührer ist der ehemalige Tennisprof­i Clemens Trimmel, für die wirtschaft­lichen Belange ist Michael Sulzbacher zuständig.

Beide Posten sind derzeit, wie nach fünf Jahren gesetzlich vorgesehen, neu ausgeschri­eben. Trimmel wird von vielen Verbänden stark kritisiert. Das habe, sagen die Spitzenfun­ktionäre, nicht nur mit dem Fördersyst­em an sich zu tun, sondern vor allem auch mit dem Umgang, der seitens der BSG mit ihnen gepflegt wird.

Das System sieht vor, dass die BSG neben dem sportliche­n Erfolg unzählige andere Kriterien der Verbandsar­beit bewertet, um so zu einem Schlüssel für die Verteilung der 80 Millionen Euro zu kommen. Schon vor knapp einem Jahr wurden Vorwürfe laut, die BSG würde Verbänden zunächst bestimmte Summen zuordnen und erst danach daran gehen, ihr Ergebnis zu begründen, damit sich alles ausgehe. Trimmel zum STANDARD: „Das ist natürlich Unsinn.“Und: „Man kann es nicht allen Recht machen.“

„Unschöne Machtspiel­chen“

Die Verbände haben Kogler darauf hingewiese­n, dass sie sich „überfahren“fühlen, sich „wie kleine Bittstelle­r vorkommen“und nach der Aufteilung der Fördermitt­el keine Möglichkei­t hätten, auf etwaige BSG-Fehleinsch­ätzungen hinzuweise­n. Bei Nachfragen drohte die BSG etlichen Verbänden sogar, die Auszahlung der Mittel insgesamt einzustell­en. „Unschöne Machtspiel­chen“seien das, heißt es aus einem Verband, der „gar nicht streiten, sondern endlich wieder zu einem fairen Miteinande­r kommen will“.

Bei der lange angestrebt­en Valorisier­ung des 80 Millionen Euro schweren Fördertopf­s geht Sport-Austria-Präsident Niessl davon aus, „dass die Regierung im Herbst liefern wird“. Vor dem Sommer habe der Finanzmini­ster auch „freundlich­e Nasenlöche­r“gemacht. Hans Niessl rennt und rennt. Doch wie die Magnus-Brunner-Nasenlöche­r nach dem Sommer aussehen, welche Kandidatin­nen und Kandidaten sich für die BSG-Führung finden und wie tief der Graben in der Sportlands­chaft noch wird, bleibt abzuwarten.

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Foto: APA/Hochmuth Präsident Niessl baut mit Sport Austria auf Verhandlun­gen.
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Foto: APA/Pfarrhofer Ex-Tennisprof­i Trimmel führt die sportliche­n BSG-Geschäfte.
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Foto: APA/Punz Die Gruppe um Gerald Martens wird größer und größer.
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Foto: Imago/SEPA/Juen Sportminis­ter Kogler bekam Vorschläge präsentier­t.

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