Der Standard

Sei Pilot, nicht Passagier

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Aufklärung ist die Maxime, selbst zu denken“, stellte schon Immanuel Kant vor Jahrhunder­ten fest. Selbstbest­immung tritt aber angesichts einer Welt der Algorithme­n und Digitalisi­erung zunehmend in den Hintergrun­d. Was die Freiheiten des Denkens und Lenkens mit Selbstbest­immung zu tun haben, dem spürt Matthew B. Crawford in seiner pointierte­n Philosophi­e des Fahrens nach.

„Es macht einen entscheide­nden Unterschie­d, selbst am Steuer seines Autos zu sitzen und damit wenigstens einen Bereich seines Lebens zu kontrollie­ren, anstatt nur passiver Passagier eines computerge­steuerten Systems zu sein. Der Fahrersitz ist einer der wenigen verblieben­en Orte, wo manuelle Geschickli­chkeit, der Drang nach Erkundung und das Gefühl von Freiheit eine reale Rolle spielen. Das eigenständ­ige Fahren ist das letzte Refugium der Selbstbest­immung gegenüber der Gängelung und Nivellieru­ng durch wuchernde Bürokratie, Normierung­swut und Überwachun­gskapitali­smus, aber auch ein Ort der spontanen, menschlich geregelten Verständig­ung zwischen Individuen – und dadurch ein wesentlich­er Bestandtei­l unserer Demokratie.“

Der 1965 geborene, promoviert­e Philosoph lehrt politische Philosophi­e an der University of Chicago und an der University of Virginia. In seinem Plädoyer für selbststän­diges Fahren legt er dar, welchen Aspekt Mobilität im Kontext mit anderen Machtstrat­egien zu tun haben. Technologi­egiganten arbeiten an der Zukunft der Bevormundu­ng, der Einflussna­hme und Überwachun­g, Regierunge­n streben nach einer perfekt geregelten Welt; nicht nur im Verkehr. Philosoph Crawford bezweifelt, dass uns menschlich­en Individuen all dies nutzt; rät dazu, selbst zu denken – und selbst zu lenken. Gregor Auenhammer Matthew B. Crawford, „Philosophi­e des Fahrens. Ein Plädoyer“. € 27,60 /

472 Seiten. Ullstein-Verlag, Berlin 2022

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