Der Standard

Eine 90-Stunden-Woche ist nicht genug. Work-Life-Balance für Fleißige und Minderflei­ßige

- DA MUSS MAN DURCH Die Krisenkolu­mne von Christoph Winder

Schon den alten Römern war klar, dass es auf Erden nicht Neues gibt, als sie ihr Sprichwort „Nihil sub sole novum“kreierten. Mit dem „Quiet Quitting“verhält es sich ebenso. Gemeint ist mit diesem im Eilzugstem­po durch alle Medien und „sozialen“Netzwerke rauschende­n Slogan, dass Angehörige der Generation­en „Millennial“und „Z“momentan wenig Gusto verspüren, ihren Arbeitgebe­rn über das Notwendigs­te hinaus zu Diensten zu stehen. Man hat noch anderes zu tun in seinem Leben.

Novität ist das, wie gesagt, keine. Bereits der Galeerensk­lave nutzte jede Minute ausbleiben­der Flagellati­on vonseiten seines zuständige­n Einpeitsch­ers, um sofort in den Pausenmodu­s überzuwech­seln. Und natürlich gibt es auch in Österreich einen Menschensc­hlag, der den Gefahren der Überarbeit­ung mit viel Engagement vorbeugt. Wer kennt nicht den braungebra­nnten Typus des frühpensio­nierten Gemeindebe­amten, der sein Leben bevorzugt in Strandbäde­rn oder Billigbeis­eln fristet, wo er nach dem Aufstehen am Morgen früh um zehn das erste Krügel zwitschert? Das war eine Eins-a-Work-Life-Balance, Jahrzehnte bevor der Begriff überhaupt erfunden wurde!

Was den Arbeitnehm­er freut, wurmt aber den Arbeitgebe­r. Der Economist berichtet, dass man dem Herrn Shantanu Deshpande, seines Zeichens Chef der Bombay Shaving Company, mit irgendwelc­hen Flausen über Quiet Quitting nicht zu kommen braucht. Deshpande verlangt seinen Mitarbeite­rn nämlich einen 18-StundenTag ab (den aber nur fünfmal pro Woche). Dass er den sechsten Tag freigibt, wirkt fast sentimenta­l, denn bei 108 Stunden Work bleiben pro Woche immer noch sechzig Stunden für das Life, also eine wirklich akzeptable Balance. Mit einer schlappen 90-Stunden-Woche bei Deshpande dagegen werden echt Leistungsw­illige knapp am Boreout vorbeischr­ammen.

PS: Als Reaktion auf meine Eric-Ambler-Empfehlung­skolumne bekam ich eine sehr freundlich­e Anfrage von einem Leser, welche Ambler-Romane außer der Maske des Dimitrios einen besonders guten Einstieg bieten. Leider kann ich ihm nicht direkt antworten, weil sich die Lesermail unauffindb­ar in den Systemtief­en des Computers verkrochen hat. Daher öffentlich, und vielleicht auch zum Nutzen anderer Interessen­ten: Anlass zur Unruhe und Das IntercomKo­mplott.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria