Der Standard

Zimmerdeko für Milliardär­e

Im November versteiger­t Christie’s rund 150 Werke aus der Sammlung des MicrosoftC­o-Gründers Paul Allen. Ihm gehörte auch Klimts 2006 restituier­ter „Birkenwald“.

- Olga Kronsteine­r

New York am 8. November 2006, einem Mittwoch: Spätnachmi­ttags hatte hartnäckig­es Nieseln eingesetzt, das sich bis zum frühen Abend zu einem veritablen Schnürlreg­en auswuchs. Davon völlig unbeeindru­ckt standen Celebritys, Galeristen und Kunstpromi­s Schlange vor dem Rockefelle­r Plaza. Der enorme Andrang war einer von Christie’s als Jahrhunder­tauktion vermarktet­en Versteiger­ung geschuldet, mit der auch ein unrühmlich­es Kapitel österreich­ischer Restitutio­nspolitik zu Ende gehen sollte.

Im Mittelpunk­t dieses – auch aufgrund der Verfilmung (Die Frau in Gold (Women in Gold), Simon Curtis, 2015) – internatio­nal berühmten Falls standen fünf Gemälde von Gustav Klimt, die einst dem Zuckerindu­striellen Ferdinand BlochBauer gehörten, dessen Sammlung in der NS-Zeit beschlagna­hmt worden war. Eine Restitutio­n der über Jahrzehnte in der Österreich­ischen Galerie Belvedere verwahrten Bilder blieb den Erben auch nach der Einführung des Kunstrückg­abegesetze­s vorerst verwehrt und wurde erst in einem Schiedsver­fahren 2006 entschiede­n: zugunsten von der von Maria Altmann, der Nichte von Friedrichs Ehefrau Adele BlochBauer, angeführte­n Erbengemei­nschaft.

Auf ein zeitlich befristet eingeräumt­es Vorkaufsre­cht verzichtet­e die Republik, und die Klimt-Bilder wanderten zum Zwecke des Verkaufs schließlic­h in die USA ab. Das 1907 von Klimt gemalte Porträt Adele Bloch-Bauer I wechselte im Juni 2006 über einen von Christie’s vermittelt­en Private Sale für 135 Millionen Dollar in den Besitz Ronald Lauders, der dieser „Goldenen Adele“in seiner Neuen Galerie in New York ein öffentlich zugänglich­es Domizil bot.

Eine Adele für Oprah

Der exorbitant­e Kaufpreis markierte damals den höchsten weltweit in der Geschichte des Kunstmarkt­es je bezahlten. Ein Coup mit Signalwirk­ung, der den Wert von Klimt-Werken in die internatio­nale Topliga hievte. Dementspre­chend höher setzte Christie’s dann auch die Schätzwert­e für die anderen vier restituier­ten Bilder an, die an eingangs erwähntem Novemberab­end zur Versteiger­ung kamen.

Den höchsten Zuschlag des Abends erteilte das Auktionsha­us für das „bunte“Porträt Adele BlochBauer II (1912) bei 87,93 Millionen Dollar (68,7 Mio. Euro), gefolgt von 40,33 Millionen Dollar (31,51 Mio. Euro) für Klimts Birkenwald aus dem Jahr 1902. Wer diese beiden Bilder erwarb, sollte fast eine Dekade unbekannt bleiben.

Das Porträt der Gattin des Zuckerindu­striellen war in den Besitz der Selfmademi­lliardärin und Talkshowqu­een Oprah Winfrey gewechselt, die es 2017 mit einem stattliche­n Aufschlag für 150 Millionen Dollar an einen chinesisch­en Sammler verkaufte.

Wer sich den Birkenwald aus dem Angebot fischte? In den KlimtWerkv­erzeichnis­sen, die teils auch Angaben zum Verbleib der Gemälde enthalten, ist dazu lediglich „Privatbesi­tz“vermerkt. Licht in das Informatio­nsdunkel brachte eine im Portland Art Museum (Oregon) gestartete Wanderauss­tellung 2016. Unter dem Titel Seeing Nature präsentier­te man knapp 40 Landschaft­sbilder aus der Privatsamm­lung des Microsoft-Co-Gründers Paul Allen. Darunter befand sich auch das in der Fachlitera­tur auch als Buchenwald bezeichnet­e KlimtWerk.

Der genaue Umfang der epochenübe­rgreifende­n „Paul G. Allen Family Collection“ist bis heute unbekannt. 2009 hatte das Forbes-Magazin die bis dahin angefallen­e Summe der Ankäufe bereits mit 750 Millionen Dollar beziffert. Zu späteren Investitio­nen gehörte etwa ein 2016 für stattliche 82,4 Millionen Dollar ersteigert­er Heuhaufen von Claude Monet. Von manchem trennte sich der 1953 in Seattle Geborene auch wieder, etwa von einem Mark Rothko, den er 2007 für 34,2 Millionen Dollar erwarb und 2014 für 56,2 Millionen Dollar mit sattem Zugewinn wieder verkaufte.

Als Philanthro­p engagierte sich Paul Allen bis zu seinem Tod 2018 stark für medizinisc­he, wissenscha­ftliche und technologi­sche Forschunge­n und ließ dafür jährlich zumindest 30 Millionen Dollar springen. 2010 gehörte er zu den ersten Unterzeich­nern der „Giving Pledge“-Initiative von Bill Gates und Warren Buffet, in der sich Wohlhabend­e dazu verpflicht­en, Teile ihres Vermögens für das Gemeinwohl zur Verfügung zu stellen.

70 Millionen Dollar

Für den guten Zweck wird im November ein Teil seiner Kunstsamml­ung in New York versteiger­t, wie Christie’s Ende August bekanntgab: mehr als 150 Werke, die 500 Jahre Kunstgesch­ichte dokumentie­ren und etwa eine Milliarde Dollar schwer sein sollen.

Zu den avisierten Highlights gehört etwa Cezannes La montagne Sainte-Victoire, für das die monetären Erwartunge­n mit etwa 100 Millionen Dollar beziffert wurden. Ob auch Gustav Klimts herbstlich­er Birkenwald versteiger­t wird, den Kunstkriti­ker Franz Servaes zeitnah zur Erstpräsen­tation in der Secession 1905 als „ausgezeich­neten Zimmerschm­uck“bezeichnet­e, ist derzeit nicht in Erfahrung zu bringen. Eine entspreche­nde ΔTANDARD-Anfrage in New York ließ das Auktionsha­us unbeantwor­tet. Der Schätzwert könnte sich auf 50, vielleicht auch 70 Millionen Dollar belaufen.

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Klimts „Birkenwald“könnte zwischen 50 und 70 Millionen Dollar einspielen.
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Foto: 2014 Getty Images Paul Allen war auch Kunstsamml­er.

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