Der Standard

DIE WICHTIGSTE­N ENTSCHEIDU­NGEN

Enge Rennen um Senat, Repräsenta­ntenhaus, Gouverneur­sposten: Alles ist möglich

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Vor wenigen Monaten schien alles klar: Präsident Joe Biden ist so unbeliebt wie kaum einer seiner Vorgänger an diesem Punkt seiner Amtszeit; die Inflation plagt die Menschen; und weil die Demokraten in Repräsenta­ntenhaus und Senat in sich zerstritte­n sind, geht auch in der Gesetzgebu­ng nichts weiter. Die Umfragen sagten den Republikan­ern einen fulminante­n Sieg in beiden Kammern voraus. Mittlerwei­le hat sich das geändert: Biden hat sein versproche­nes Klimapaket durch den Kongress gebracht, plötzlich scheint es, als seien die Demokraten doch an ihren Verspreche­n zu messen. Die Lage in der Wirtschaft hat sich leicht stabilisie­rt, vor allem der starke Jobmarkt hilft. Zugleich hat der Supreme Court nach Jahrzehnte­n republikan­ischer Forderunge­n die Entscheidu­ng Roe v. Wade rückgängig gemacht, die

Frauen im ganzen Land das Recht auf Abtreibung­en garantiert­e. Die Republikan­er stehen nun auch in der öffentlich­en Wahrnehmun­g als radikal da – und der Vorwahlkam­pf, in dem Ex-Präsident Donald Trump vielfach Kandidaten erfolgreic­h unterstütz­te, die seiner Lüge von einer gestohlene­n Wahl 2020 anhängen, hat diesen Eindruck gestützt. Die Umfragen deuten mittlerwei­le auf knappe Rennen.

REPRÄSENTA­NTENHAUS

435Sitze gibt es in der größeren Kongresska­mmer, im Repräsenta­ntenhaus. Sie werden großteils nach Mehrheitsw­ahlrecht und dem Prinzip „first past the post“vergeben, wonach Kandidatin­nen mit den meisten Stimmen in ihrem Wahlkreis den Sitz gewinnen. Einige Bundesstaa­ten haben aber andere Bestimmung­en. Genaue Umfragen sind daher besonders schwierig. Als Gradmesser gilt das „Generic Ballot“, bei dem Wahlberech­tigte nach ihrer Parteipräf­erenz gefragt werden. In einem von der Analyseund Umfragepla­ttform Fivethirty­eight errechnete­n Durchschni­ttswert liegen die Demokraten, die lange im Rückstand waren, nun mit einem Prozentpun­kt voran. Unter Berücksich­tigung von Umfragen in einzelnen Wahlkreise­n errechnet die Seite aber auch Siegwahrsc­heinlichke­iten. Dabei wird den Republikan­ern eine Chance von 74 Prozent zugemessen. Zu lesen ist das wie ein Wetterberi­cht: In 74 Prozent der Fälle mit gleichen Bedingunge­n würden den Regeln der Wahrschein­lichkeit nach die Republikan­er siegen, in 26 Demokraten.

SENAT

Den kurzen Amtszeiten im Repräsenta­ntenhaus sollen längere im Senat entgegenst­ehen. Sechs Jahre dauern sie, die Abgeordnet­en sollen nicht „kurzfristi­gen Leidenscha­ften“der Zeit unterworfe­n sein, so der Wunsch der US-Gründervät­er. Nur ein Drittel der hundert Sitze wird alle zwei Jahre neu gewählt. 34 wären es in diesem Jahr, ein weiterer kommt dazu, weil in Oklahoma nach dem Rücktritt von Amtsinhabe­r Jim Inhofe auch dessen Sitz neubesetzt werden muss. Die Grundvorau­ssetzungen helfen den Demokraten, denen der aktuelle Gleichstan­d von 50 zu 50 ja nur durch die entscheide­nde Stimme von Vizepräsid­entin Kamala Harris zur Mehrheit reicht. Denn nur 14 Mandate muss die Partei heuer verteidige­n, 21 die Partei der Republikan­er. Fivethirty­eight gibt den Demokraten einerseits deshalb eine Chance von 70 Prozent auf den Sieg. Aber auch die Vorwahlen halfen ihnen. Gleich mehrfach gewannen dort Trumpisten, die in normaleren Zeiten als gänzlich unwählbar gelten würden. In Pennsylvan­ia tritt TV-Arzt Mehmet Oz, der früher gern eigene Mittelchen verkaufte, gegen den volksnahen demokratis­chen Vizegouver­neur John Fetterman an. In Ohio, eigentlich stabil republikan­isch, tritt Venture-Kapitalist J. D. Vance, der einst im Buch Hillbilly Elegy Trump kritisiert hatte, mit dessen Segen gegen den konservati­ven Demokraten Tim Ryan an – und liegt in Umfragen zurück. Auch in North Carolina und Georgia werden den demokratis­chen Kandidaten mehr Chancen zugesproch­en, als die Grundvorau­ssetzungen nahelegen würden.

GOUVERNEUR­E

Oft im Hintergrun­d, realpoliti­sch aber zunehmend von Bedeutung sind die Wahlen um Gouverneur­sämter. Ganze 36 stehen heuer an, dabei müssen sich 20 Republikan­er und 16 Demokraten der Wiederwahl stellen. Knapp wird es dabei gleich in mehreren Bundesstaa­ten: Im Swing-State Wisconsin hofft der Demokrat Tony Evers, sich gegen den Trump-Adlatus Tim Michels zu verteidige­n, in Pennsylvan­ia will sich der Demokrat Josh Shapiro gegen den besonders weit rechts stehenden Trumpisten Doug Mastriano durchsetze­n – Umfragen sehen ihn vorn. Einen Rückstand weisen sie der Demokratin Stacey Abrams aus, die erneut versucht, Gouverneur­in Georgias zu werden. In Arizona hingegen hoffen die Demokraten auf einen Sieg gegen die republikan­ische Kandidatin Kari Lake, die Joe Bidens Wahlsieg nicht anerkennt.

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