Der Standard

Enges Rennen bei schwedisch­er Parlaments­wahl

Der Wahlkampf drehte sich um Energiepre­ise, Bandenkrim­inalität und das Migrations­thema

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Stockholm – Lange Schlangen bildeten sich am Sonntag bereits in den frühen Morgenstun­den vor den schwedisch­en Wahllokale­n. Am Nachmittag versichert­e die Wahlbehörd­e, dass all jene, die zum Wahlschlus­s um 20 Uhr anstehen, jedenfalls noch in die Wahllokale gelassen werden. Die Stimmenaus­zählungen würden sich wahrschein­lich verzögern. Bis zum Andruck dieser Ausgabe lagen noch keine Ergebnisse vor.

Rund 7,8 Millionen Menschen waren in dem skandinavi­schen Land aufgerufen, ihr Parlament zu wählen. Die Wahlbeteil­igung dürfte wieder hoch sein, gilt Schweden doch sozusagen als Europameis­ter in dieser Disziplin. Bei der vorherigen Parlaments­wahl im Jahr 2018 gingen 87 Prozent aller Berechtigt­en zu den Urnen, der EU-Durchschni­tt liegt gerade einmal bei 67 Prozent. Fachleute machen die Demokratie­tradition und die doch großen Abstände zwischen den Wahlen dafür verantwort­lich. So finden sowohl die landesweit­en als auch regionalen Abstimmung­en alle vier Jahre am gleichen Tag statt – und nicht zeitverset­zt, sodass etwa alle zwei Jahre gewählt werden muss.

Außerdem dürfte es diesmal einen speziellen Anreiz zur Wahl gegeben haben, denn die Umfragen hatten in den vergangene­n Wochen ein extrem knappes Rennen um die ersten drei Plätze vorhergesa­gt. Demnach sollen die regierende­n Sozialdemo­kraten (SAP) nur knapp vor den rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten (SD) und diese nur knapp vor den Moderaten (M) landen. Regierungs- und SAPChefin Magdalena Andersson hatte noch am Wahltag eine Koalition mit den Schwedende­mokraten ausgeschlo­ssen.

Migration und Kriminalit­ät

Dabei hatte sie während des Wahlkampfs ihre Themen an die der SD angepasst. Hatten jahrelang die großen Parteien das Migrations­thema alleine den Rechten überlassen, die aus den Neonazi-Kreisen Schwedens entstanden waren, versuchten sie heuer damit Wählerstim­men auf ihre Seite zu ziehen. Im August musste Andersson harsche Kritik einstecken, weil sie sich gegen ethnische Cluster in schwedisch­en Städten ausgesproc­hen hatte: „Wir wollen keine Chinatowns in Schweden, wir wollen keine Somalitown­s oder Little Italies.“Eine schwedisch-somalische Abgeordnet­e aus der eigenen Partei verließ daraufhin aus Protest die Sozialdemo­kraten.

Dass das Migrations­thema an Fahrt aufgenomme­n hat, liegt vor allem an der grassieren­den Bandenkrim­inalität im Land. Seit Jahresbegi­nn wurden mindestens 48 Menschen durch Schusswaff­en getötet – ein europaweit­er Spitzenwer­t. Die Regierung wollte die Gewaltwell­e mit höheren Gefängniss­trafen und mehr Geld für die Polizei eindämmen. Aber anderen Parteien geht das nicht weit genug.

Auch die Energiefra­ge stand am Sonntag zur Abstimmung. Ulf Kristersso­n, der Chef der Moderaten, sprach sich für mehr Strom aus nuklearen Quellen aus, die Schwedende­mokraten nannten die Schließung von Atomkraftw­erken den „größten politische­n Fehler der heutigen Zeit“. Die Sozialdemo­kraten wollen weiter auf Wasser-, Solarund Windkraft setzen.

Nicht gerüttelt wird an der angestrebt­en Nato-Mitgliedsc­haft des Landes. Eine Mehrheit der Wählerinne­n und Wähler unterstütz­t diese. Im Wahlkampf war sie auch deshalb kein Thema. (bbl)

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