Der Standard

Wettbewerb­sbehörde entscheide­t über Anwaltspri­vileg

Brau Union forderte nach Razzia, dass Gericht Dokumente sichten müsse – und verlor vor Kartellger­icht

- Jakob Pflügl

Razzien sind schon per se eine heikle Angelegenh­eit. Wenn die Behörde dabei aber auch noch auf Korrespond­enz zwischen dem Beschuldig­ten und seinen Anwälten stößt, wirft das zusätzlich­e Probleme auf: Dürfen die Ermittleri­nnen und Ermittler diese vertraulic­hen Dokumente von sich aus sicherstel­len? Oder müssen sie versiegelt und an ein Gericht überstellt werden, das darüber entscheide­t? Zuletzt haben sich diese Fragen im Zuge der Razzia der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB) bei der Brau Union gestellt. Die Folge war ein Verfahren vor dem Kartellger­icht.

Zur Erinnerung: Die Wettbewerb­shüter verdächtig­en die Brau Union, ihre Marktmacht missbrauch­t und Druck auf regionale Getränkeli­eferanten ausgeübt zu haben. Die Vertragspa­rtner sollten neben Bier auch andere Getränke ausschließ­lich von der Union beziehen. Der Konzern bestreitet das.

Die Razzia im April hat nun aber ein weiteres Verfahren ausgelöst, weil die Behörde dabei auf Anwaltskor­respondenz gestoßen ist. Im europäisch­en Wettbewerb­srecht ist die Rechtslage in solchen Fällen eindeutig: Findet die Europäisch­e Kommission bei einer Hausdurchs­uchung etwa auf einem Laptop Korrespond­enz mit Rechtsvert­retern, kann das betroffene Unternehme­n unter Berufung auf das Anwaltspri­vileg den Zugriff verweigern und die fragliche Korrespond­enz versiegeln lassen. Später entscheide­t eine unabhängig­e Stelle darüber, welche Dokumente tatsächlic­h dem Anwaltspri­vileg unterliege­n und damit nicht für die Ermittlung­en verwendet werden dürfen.

Schutzstan­dard niedriger

Bei rein nationalen Fällen – wie im aktuellen Verfahren gegen die Brau Union – ist das jedoch anders. Das Anwaltspri­vileg wird von den Wettbewerb­shütern in der Praxis zwar respektier­t, ist im österreich­ischen Wettbewerb­srecht aber nicht explizit geregelt. Im Vergleich zur Rechtslage auf EU-Ebene gibt es daher einen großen Unterschie­d: Wird Anwaltskor­respondenz beim Unternehme­n gefunden, bleibt sie im Akt. Die Beurteilun­g, ob sie dem Anwaltspri­vileg unterliegt und damit nicht im Verfahren verwendet werden darf, trifft dann nicht eine unabhängig­e Stelle, sondern die ermittelnd­e Behörde selbst.

Aus Sicht von Franz Urlesberge­r, Partner bei Schönherr und Anwalt der Brau Union, ist die österreich­ische Rechtslage problemati­sch. Denn die Behörde wirft zumindest einen „flüchtigen Blick“auf die Unterlagen, um zu wissen, ob sie unter das Privileg fallen oder nicht. Die Unternehme­n müssen also darauf vertrauen, dass die Sachbearbe­iter die Akten nicht doch genauer ansehen. „Das möchte ich der Behörde zwar nicht unterstell­en, aber das Schutzleve­l ist einfach nicht dasselbe wie auf europäisch­er Ebene“, merkt Urlesberge­r kritisch an.

Der Anwalt stellte daher im aktuellen Fall beim Kartellger­icht den Antrag, dass das Privileg genauso weit reicht wie auf EU-Ebene. Das Gericht hat das Ansinnen nun aber aufgrund der österreich­ischen Gesetzesla­ge abgelehnt. Damit sich der Rechtsschu­tz verbessert, müsste das Wettbewerb­sgesetz also an den Standard bei EU-Verfahren angepasst werden, sagt Urlesberge­r.

Neuer Leitfaden

Die BWB betont, das Anwaltspri­vileg zu respektier­en. Ende Juli veröffentl­ichte sie einen neuen Leitfaden für Hausdurchs­uchungen. Dort heißt es, dass die BWB „den Schutz des Schriftver­kehrs zwischen dem Unternehme­n und einem unabhängig­en Anwalt“anerkennt. Die Kriterien, die der Europäisch­e Gerichtsho­f festgelegt hat, werden „im Einzelfall genau geprüft.“Anwalt Martin Eckel von Taylor Wessing sieht das positiv. Der Leitfaden ist für die Behörde zwar nicht Gesetz, entfaltet für sie aber eine Selbstbind­ung.

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