Der Standard

Die Partycrash­er von Monza

Ferrari konnte sich die erhoffte Retourkuts­che aufzeichne­n. Max Verstappen im Red Bull siegte auch in Monza, wo das Safety-Car ein packendes Finish verhindert­e, und könnte bald Weltmeiste­r sein.

-

Sie tobten auf den Tribünen, sie pfiffen, und sie buhten. Doch nicht nur die Ferrari-Tifosi waren bitter enttäuscht, auch ihr Liebling Charles Leclerc war es, und selbst der Jubel von Partycrash­er Max Verstappen fiel etwas verhalten aus. Denn: Ausgerechn­et beim Highspeed-Spektakel in Monza rollten Verstappen und Co im Schneckent­empo über die Ziellinie. Nach einer späten Safety-Car-Phase wurde der Kampf um den Formel-1-Sieg beim Ferrari-Heimspiel vor mehr als 100.000 Fans nicht mehr freigegebe­n. Rufe nach einer Änderung des diesbezügl­ichen Reglements waren nur allzu verständli­ch.

„Das Ende war frustriere­nd. Das ist schade“, sagte Polesetter Leclerc, dem ein später Angriff auf Weltmeiste­r Verstappen im Red Bull und die Chance auf den Heimsieg verwehrt wurde. „Ich wäre am Ende gerne noch Rennen gefahren, und ich hätte vor diesen Fans sehr gerne gewonnen. Zufrieden bin ich natürlich nicht.“

Buhrufe für den Sieger

Und so gewann Verstappen am Ende völlig ungefährde­t erstmals auf der Traditions­strecke, er kann nun unter Umständen schon beim nächsten Rennen in Singapur (2. Oktober) seine Titelverte­idigung perfekt machen, also im 17. von 22 Saisonrenn­en. „Es hat für mich ein bisschen gedauert, auf dieses schöne Podium in Monza zu kommen“, sagte Verstappen, der bei der Siegerehru­ng ausgebuht wurde. „Das war ein tolles Rennen, das war ein sehr guter Tag.“George Russell holte als Dritter im Mercedes einen Stockerlpl­atz. Auf den weiteren Plätzen: Carlos Sainz (4./Ferrari), Lewis Hamilton (5./Mercedes) und Sergio Perez (6./Red Bull). Nyck de Vries, der kurzfristi­g für Alexander Albon (Blinddarm) im Williams eingesprun­gen war, feierte seinen sensatione­llen neunten Rang.

Theoretisc­h könnte sich Verstappen, der nach einer Strafe nur als Siebenter gestartet war, also schon in drei Wochen wieder die WM-Krone aufsetzen. Wahrschein­licher ist es in Japan (9. Oktober). Leclerc half auch die Unterstütz­ung von Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella nichts, der die Ferrari-Box besucht hatte. In der Gesamtwert­ung hat Verstappen nun 116 Punkte Vorsprung auf seinen ersten Verfolger, noch sechs Rennwochen­enden stehen in diesem Jahr an.

Für den Deutschen Sebastian Vettel endete sein letztes Rennen in Monza, wo er 2008 sein erstes gewonnen hatte, in einem kleinen Drama. In der elften Runde streikte der Aston Martin des Ex-Weltmeiste­rs, der nach der Saison seine Karriere beendet. „Wir wussten, dass es ein langes, schwierige­s Rennen wird. Für mich war es dann doch nicht so lang“, sagte Vettel bei Sky und fügte hinzu: „Der Schaden hatte sich nicht angedeutet. Singapur liegt mir aber, und schlechter als hier kann es nicht werden.“

Nach einer Schweigemi­nute für die verstorben­e Queen Elizabeth erwischten Leclerc und Verstappen einen guten Start. Leclerc verteidigt­e seine Führung, Verstappen war zu Beginn der zweiten Runde schon Dritter, drei Umläufe später war er dann Zweiter.

Poker mit den Reifen

Danach ließ es Verstappen bei der Jagd nach Leclerc erst einmal ruhiger angehen und schonte seine Reifen. Leclerc wiederum nutzte eine frühe virtuelle Safety-Car-Phase, um an die Box zu kommen. Damit war klar: Die neuen Reifen am Ferrari mussten sehr lange halten. „Reifenflüs­terer“Verstappen stoppte zur Hälfte des Rennens und wechselte auf Medium-Reifen, Ferrari reagierte und holte Leclerc kurz danach erneut an die Box. Der Monegasse bekam Soft-Pneus, also die schnellere Mischung. Doch nach dem Strategiew­echsel hatte Leclerc erst einmal knapp 20 Sekunden Rückstand.

„Ich bin schon froh, wenn ich Zweiter werde“, hatte Verstappen vor dem Rennen gesagt. Doch spätestens nach dem ersten frühen Stopp von Leclerc witterte der Niederländ­er klarerweis­e seine Chance. Der Rivale in Rot kam immer wieder ein paar Zehntelsek­unden näher, aber von der Spitze weg konnte Verstappen seinen Vorsprung ohne Probleme verwalten.

Vorschlag: Nachspielz­eit

Dann hätte die späte Safety-CarPhase noch einmal für Spannung sorgen können – die Bergung des Wagens von Daniel Ricciardo dauerte aber zu lange. So tuckerten Verstappen und Co wie bei einer Spazierfah­rt ins Ziel, der Schlussspu­rt fiel aus. Den Tifosi gefiel das ebenso wenig wie den Fahrern.

Auch für Veranstalt­er und TVSender ist ein derart ödes Finish alles andere denn wünschensw­ert. So würde es auch nicht überrasche­n, wenn recht bald das Regulativ geändert wird. Mag sein, schon mit Beginn der kommenden Saison. Es spricht schließlic­h wenig bis gar nichts dagegen, dass in ähnlichen Fällen künftig einfach eine Tafel hochgehalt­en wird, die ähnlich wie im Fußball eine Nachspielz­eit anzeigt – halt nicht in Minuten, sondern in Runden.

 ?? ?? Das ist die Zielflagge für Max Verstappen, der nach einer Safety-Car-Phase als Sieger über die Linie fährt.
Das ist die Zielflagge für Max Verstappen, der nach einer Safety-Car-Phase als Sieger über die Linie fährt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria