Der Standard

Der bloßgestel­lte Parteichef

Der Abgang von Laura Sachslehne­r hat die Wunden der Volksparte­i offengeleg­t

- Michael Völker

Die ÖVP verrate ihre Werte, sie halte nicht Kurs, sie biedere sich den Grünen an. Diese fundamenta­le Kritik kommt nicht aus der Opposition, sondern von der eigenen Generalsek­retärin, nunmehr Ex-Generalsek­retärin. Umso schwerer wiegt die Kritik. Laura Sachslehne­r hat im Abgang ihrer Partei, die immer noch ihre politische Heimat ist und für die sie (noch) ein Mandat ausübt, einen schweren Schlag versetzt. Sie hat den Parteichef so beschädigt, wie das eine Pamela Rendi-Wagner oder ein Herbert Kickl gar nicht zustande brächte. Viele in der Volksparte­i applaudier­en Sachslehne­r ganz offen, klopfen ihr in den virtuellen Netzwerken demonstrat­iv auf die Schulter. Sie vergrößern damit den Schaden für die Partei und desavouier­en ihren Parteichef – und Kanzler – Karl Nehammer. Der steht schwer angeschlag­en da, eher schon taumelnd.

Das Unglück hatte sich abgezeichn­et: Vielen in der ÖVP war aufgefalle­n, dass auch Asylwerben­de den Klimabonus erhalten, selbst dann, wenn sie in einer vom Staat finanziert­en Unterkunft sitzen und gar nichts beitragen können oder betroffen sind. Die FPÖ hatte darauf aufmerksam gemacht. Laura Sachslehne­r hatte ihr Thema. Ausländer, das hat bei Sebastian Kurz auch immer gut funktionie­rt. Emotionen, Ressentime­nts, ein bisschen Ausländerf­eindlichke­it, damit lässt sich mobilisier­en. Die ÖVP müsse ohnedies mehr Kante zeigen.

Parteiinte­rn gab es Zuspruch. Also: „Kein Klimabonus für Asylwerber!“, lautete die Kampfparol­e. Das Problem war nur: Die ÖVP hatte dieses Gesetz mit den Grünen verhandelt und selbst beschlosse­n. Also erhöhte Sachslehne­r den Druck auf die Grünen, wurde jeden Tag ein bisschen forscher. Der Parteichef ließ sie gewähren. Dann drehte Sachslehne­r die Schraube zu weit: Sie machte den Klimabonus zur Koalitions­frage. Das war dann auch Karl Nehammer zu viel. Er zog die Notbremse: Rücktritt Sachslehne­r.

Diese Ereignisse zeigen mehrerlei:

■ Die ÖVP hat ein Führungspr­oblem. Nur einem schwachen Parteichef ohne Autorität tanzt die eigene Generalsek­retärin derart auf der Nase herum.

■ Die ÖVP hat ein strategisc­hes Defizit: Sie kann politische Kampagnen nicht mehr planen, sie passieren vielmehr und gehen dann eben in die Hose.

■ Die ÖVP hat ein Orientieru­ngsproblem. Offenbar wissen viele Funktionär­e nicht mehr, wie und was sie tun sollen, was politisch geht, was nicht.

■ Die ÖVP leidet unter dieser Koalition. Es geht nicht nur um Abgrenzung. Es geht ums Arbeiten. Es wird geschlampt und gehudelt, es werden Gesetzesvo­rhaben beschlosse­n, die man gar nicht so gemeint hat und die man nicht erklären kann. Die Regierung versucht, sich das Wohlwollen der Bevölkerun­g regelrecht zu erkaufen. Dabei ist dieses Geld kein Geschenk von Nehammer und Co, es ist Steuergeld, das hier verschleud­ert wird.

Sachslehne­r hat mit ihrem Abgang den Finger in diese offenen Wunden gelegt. Sie hat den Parteichef in seiner Hilflosigk­eit gnadenlos vorgeführt. Auch wenn manche sie jetzt zur politische­n Märtyrerin machen wollen: Das war ein kraftvolle­r Abgang, ja. Aber Laura Sachslehne­r war keine gute Generalsek­retärin. Sie war unbeholfen, oft an der Grenze zur Lächerlich­keit. Sie war eine destruktiv­e Kraft, hat mutwillig den politische­n Diskurs vergiftet, sie hat ganz bewusst ihren Populismus mit Ausländerf­eindlichke­it versetzt.

Sie war übrigens Nehammers Wahl.

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