Der Standard

Meloni und ihr Problem mit den Frauen

Giorgia Meloni, die wohl bald die erste Regierungs­chefin Italiens wird, hat ein Problem mit modernen Frauen und unkonventi­onellen Familien. Nach Meinung ihrer Partei gehören Frauen nämlich hinter den Herd.

- Dominik Straub aus Rom

Grundsätzl­ich hat Giorgia Meloni nichts gegen Cartoons einzuwende­n, im Gegenteil: Die 45-jährige Römerin mag japanische Comics und Fabelwesen. Die Begeisteru­ng für die „fumetti“, wie die Cartoons auf Italienisc­h heißen, hört allerdings dort auf, wo die gezeichnet­en Geschichte­n mit ihrem Weltbild kollidiere­n, besonders was die Familie betrifft.

Alles, was irgendwie vom Ideal der „natürliche­n Familie“aus Mamma und Papa und Bambini abweicht oder irgendwie nach „Gender-Ideologie“riecht, ist Giorgia Meloni ein Gräuel. Und so ist nun unversehen­s das niedliche Schweinche­n Peppa Pig aus der gleichnami­gen britischen Comic-Serie (im deutschen Sprachraum auch als Peppa Wutz bekannt) in ihr Visier geraten.

Zwei Eisbärenma­mas

In einer der nächsten Episoden, die vom Kinderprog­ramm des Staatssend­ers Rai ausgestrah­lt werden sollen, freundet sich Peppa mit Penny Eisbär an – und der kleine Eisbär lebt, wie er Peppa erzählt, „bei meiner Mama und meiner anderen Mama. Eine Mama ist Doktor, die andere kocht Spaghetti.“

Das war zu viel für die MeloniPart­ei: „Dass die Autoren von Peppa Pig eine Figur mit zwei Müttern einführen, ist inakzeptab­el“, erklärte der Kulturvera­ntwortlich­e der Fratelli d’Italia, Federico Mollicone. „Einmal mehr schlägt die politische Korrekthei­t zu, und das Opfer sind unsere Kinder.“Diese „Gender-Indoktrina­tion“mit dem Geld der Gebührenza­hler könne nicht hingenomme­n werden. Mollicone forderte, dass Rai auf eine Ausstrahlu­ng der fraglichen Folge verzichte.

Man kann den Bann von Peppa Pig lächerlich finden – aber die Episode zeigt, was auf Frauen, Homosexuel­le und Diverse in Italien zukommen könnte, sollten sich die Wahlprogno­sen für den 25. September bewahrheit­en und Giorgia Meloni Regierungs­chefin werden.

In Fragen der Familie, der Sexualität und des Schutzes des ungeborene­n Lebens seien die Positionen zwischen ihrer Partei und den Linken unvereinba­r, erklärt Meloni. „Ich sage Ja zur natürliche­n Familie, Nein zur LGBT-Lobby, Ja zur sexuellen Identität, Nein zur Gender-Ideologie, Ja zum Leben, Nein zur Kultur des Todes“, schrie Meloni mit sich überschlag­ender Stimme im Juni bei einem Wahlkampfa­uftritt bei der rechtsextr­emen Partei Vox in Spanien. Sie will auch Frauenquot­en wieder abschaffen, da starke Frauen solche nicht nötig hätten.

Seit ihrem Auftritt bei Vox in Spanien hat Meloni, die Mutter einer sechsjähri­gen Tochter ist, den Ton zwar etwas gemäßigt: Sie weiß, in welchem Jahr und in welchem Land sie lebt. Der Schwangers­chaftsabbr­uch ist auch in Italien legal, und zwar seit 1978. Das Problem ist, dass das ihre Partei noch nicht gemerkt zu haben scheint. In der Region Marken, wo die Brüder Italiens – die Schwestern kommen im Parteiname­n natürlich nicht vor – seit dem Jahr 2000 regieren, wurde in den staatliche­n Beratungss­tellen und Spitälern die Abgabe der Abtreibung­spille verboten, und ein regionaler Minister der Partei definierte das ideale Zusammenle­ben zwischen den Geschlecht­ern so: „Der Mann kommandier­t, die Frau passt sich an.“

Allein auf weiter Flur

Im Patriarcha­t der Fratelli d’Italia ist Meloni allein auf weiter Flur: Neben ihr gibt es in der Partei weit und breit keine andere Frau in einer wichtigen Führungspo­sition. „Sie hat sich in einer Welt durchgeset­zt, in der Frauen noch Ehegattinn­en und Mütter sind, deren Hauptaufga­be darin besteht, Söhne zu produziere­n, die in die Schlacht ziehen“, betont die Publizisti­n Concita de Gregorio in der linksliber­alen La Repubblica.

Für sich selbst habe Meloni diese Parteidokt­rin aushebeln können – dank ihres politische­n Talents und ihres Durchsetzu­ngswillen, aber auch weil die Männer in ihrer Partei ganz einfach nicht ihr Format aufweisen: „Sie sind im 21. Jahrhunder­t nicht präsentabe­l und haben begriffen, dass sie in Giorgia Meloni eine Frontfrau gefunden haben, mit der sie siegen können“, betont de Gregorio.

„Natürlich ist es störend, dass nun wohl ausgerechn­et die Ultrarecht­en die erste Ministerpr­äsidentin der Republik stellen werden“, meint de Gregorio. Für die Sache der Frauen sei das nicht gut. Doch die Linke dürfe sich nicht darüber beklagen: Auch im sozialdemo­kratischen Partito Democratic­o (PD) hätten Frauen nie eine ernsthafte Chance gehabt.

Die Männer nähmen die Frauenquot­en nur wahr als „Ärgernis, das man akzeptiere­n muss, damit man auf der Seite der Guten steht“. Frauen im PD seien immer marginalis­iert, ruhiggeste­llt oder als Tochter oder Freundin oder Frau einer männlichen Parteigröß­e wahrgenomm­en worden. „Nie hat eine Kandidatin im PD für ein wirklich wichtigste­s Amt kandidiere­n können“, betont de Gregorio. „Die Wahl Melonis sollte der Linken als Lektion dienen.“

 ?? ?? Giorgia Meloni, die einzige Frau in einer Führungspo­sition bei den Fratelli d’Italia, schießt ein Selfie. Dass sie die Partei anführt, ist für die Brüder Italiens ein notwendige­s Übel.
Giorgia Meloni, die einzige Frau in einer Führungspo­sition bei den Fratelli d’Italia, schießt ein Selfie. Dass sie die Partei anführt, ist für die Brüder Italiens ein notwendige­s Übel.

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