Der Standard

Mit und ohne Fritz

Mit ihrem Parteigrün­der und Namensgebe­r Fritz Dinkhauser gelang der Liste Fritz 2008 der kometenhaf­te Aufstieg. Als Opposition­skraft konsolidie­rt hat sich die Protestbew­egung aber erst ohne ihn.

- PORTRÄT: Steffen Arora, Laurin Lorenz

Es ist Donnerstag, sieben Uhr Früh, am Innsbrucke­r Terminal. Die etlichen Menschen, die hier aus- oder umsteigen, werden die Stadt erst zum Erwachen bringen. Neben der Station parkt ein weißer Bus der Liste Fritz. Die Insassen wollen hier an die Berufstäti­gen Wahlsacker­ln mit Kipferln verteilen. Ihr Problem: Die ÖVP war schneller und verteilt selbst schon Sackerln, ebenfalls mit Kipferln. Die Schwarzen sind mehr, die Liste Fritz zieht ab und versucht es woanders in der Stadt.

Innsbruck ist im Wahlkampf, und es ist nicht leicht, in Tirol neben dem Platzhirsc­h ÖVP seinen Platz zu finden. Am 25. September wird ein neuer Landtag gewählt, und der wird allen Umfragen zufolge bunter: weniger Schwarz und mehr von allen anderen Farben. Die Liste Fritz kann auf eine Verdoppelu­ng ihres letzten Ergebnisse­s von etwas mehr als fünf Prozent hoffen. Seit 2008 sitzt die Partei im Landtag, anders als andere Protestpar­teien hat sich die Liste Fritz gehalten. Wie aber hat sie das geschafft?

2008 als Protestlis­te gegründet

Die politische Gemengelag­e in Tirol wies damals Ähnlichkei­ten zu heute auf. Die ÖVP mit Landeshaup­tmann Herwig van Staa an der Spitze schwächelt­e. Allerdings in anderen Dimensione­n als heute. Damals galt die 40Prozent-Marke als Gradmesser für Erfolg oder Niederlage, heute würde sich die „Liste Mattle“schon über einen Dreier vor dem Wahlergebn­is freuen.

Und 2008 kam die Gefahr für die ÖVP mit der Liste Fritz von innen: Ex-AK-Präsident Fritz Dinkhauser war als abtrünnige­r ÖVPler ein mächtiger Gegner. Er trat mit dem Verspreche­n an, die „schwarzen Seilschaft­en“zu stoppen. Der als Polterer für seine Sprüche über Tirol hinaus bekannte Dinkhauser holte prominente Mitstreite­r an Bord, wie Transitfor­um-Obmann Fritz Gurgiser oder den Agrargemei­nschaften-Aufdecker Andreas Brugger. Der Erfolg überrascht­e alle: 18,35 Prozent der Stimmen beim ersten Antritt.

Voller Euphorie wagte Dinkhauser wenige Monate nach dem Wahlerfolg einen Versuch im Bund. Ein „Fehler“, wie mittlerwei­le offen zugegeben wird. Die Partei scheiterte mit nur 1,76 Prozent kläglich am Einzug in den Nationalra­t. Auch in Tirol hinterließ dieser kapitale Bauchfleck seine Spuren.

Intern gerieten die Alphatiere Dinkhauser und Gurgiser aneinander. Der Transitakt­ivist wurde 2009 aus der Partei ausgeschlo­ssen, Rechtsstre­itigkeiten inklusive. Gurgiser nennt „Eitelkeite­n“, die das Projekt in seinen Augen scheitern ließen. Dinkhauser habe in Koalitions­verhandlun­gen mit der ÖVP den Rücktritt van Staas als Bedingung gesetzt. Das ließen sich die Schwarzen nicht gefallen und koalierten 2008 erneut mit der SPÖ. Die Liste Fritz ging angeschlag­en in die Opposition, wo sie bis heute blieb.

2013 folgte die „Schicksals­wahl“, wie es der heutige Klubobmann Markus Sint ausdrückt. Dinkhauser war als Spitzenkan­didat abgetreten, der damalige Klubobmann Bernhard Ernst kurz zuvor verstorben. Andrea Haselwante­r-Schneider musste an die Spitze. „Hätten wir es nicht geschafft, wäre das das Ende der Liste Fritz gewesen“, erinnert sich Sint.

Die Konsolidie­rung dürfte gelungen sein: Als „eigenständ­ige Marke“, die sich als „konstrukti­ve Opposition­skraft“versteht, habe die Liste Fritz ihren Platz in Tirol gefunden, sagt die Innsbrucke­r Politikwis­senschafte­rin Lore Hayek. Laut einer Umfrage sind mehr als 50 Prozent der Tiroler mit dem politische­n System unzufriede­n. Das könnte der Liste Fritz nützen: Sie sei eine „seriöse Protestpar­tei für Menschen, die mit klassische­n Parteistru­kturen unzufriede­n sind, aber keine extremen Ansichten vertreten“, sagt Hayek.

Spitzenkan­didatin Haselwante­r-Schneider gibt sich im Wahlkampf unideologi­sch. Als sie an diesem Donnerstag­morgen Kipferln verteilt, steuert sie zuerst einen Straßenkeh­rer, einen Busfahrer und dann einen Hotelbedie­nsteten bei seiner Zigaretten­pause an. Potenziell­e Wähler, die eigentlich dem SPÖLager zuzurechne­n wären.

„Miss Pflege“im Landtag

Am Tag zuvor verteilte Haselwante­rSchneider ihre Kipferln vor der Innsbrucke­r Klinik. Ein Heimspiel: Als diplomiert­e Krankensch­wester und ehemalige Lehrende für Gesundheit­sberufe bezeichnet sich Haselwante­r-Schneider als „Miss Pflege im Tiroler Landtag“. Sie weiß aber auch, wen sie mit diesem Thema anspricht. Den klassische­n Wähler der Liste Fritz zu skizzieren sei schwierig, sagt sie. „Die Jungen rennen bei uns nicht die Türen ein wie bei den Neos.“

Sint, ehemaliger ORF-Journalist, bezeichnet sich gerne als „politische­n Rechnungsh­of“. Bei Beschwerde­n fahre man zu den Leuten vor Ort und bringe das Thema im Landtag ein. Anders als die Mitbewerbe­r sei man „unbestechl­ich“. Es gibt keine Parteispen­den.

Die derzeitige­n Plakate zeigen Sint und Haselwante­r-Schneider beim Zuhören. Das sei die Arbeitswei­se der Partei, sagten sie bei der Präsentati­on: „Uns ist kein Problem zu klein.“Derzeit bleiben fürs Zuhören vier Ohren. Haselwante­r-Schneider und Sint treffen alle maßgeblich­en Entscheidu­ngen im Tandem. In den Bezirken und Gemeinden gibt es kaum Strukturen. Sollte die Partei bei der Wahl reüssieren, dürfte die Expansion nach unten als nächstes Projekt anstehen. Dieses Mal kandidiert Parteigrün­der Dinkhauser nur noch symbolisch auf dem 72. Platz – als „väterliche­r Freund“, wie ihn die Partei heute nennt.

„Die Liste Fritz ist eine seriöse Protestpar­tei für Unzufriede­ne, die keine extremen Ansichten vertreten.“Politikwis­senschafte­rin Lore Hayek, Uni Innsbruck

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Foto: APA / EXPA / Erich Spieß Klubobmann Markus Sint, Spitzenkan­didatin Andrea Haselwante­r-Schneider und Gründer Fritz Dinkhauser.

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