Der Standard

Nachträgli­cher Segen für Milliarden an Nothilfe

Der Finanzauss­chuss im Wiener Rathaus wurde mit der Nothilfe des Bürgermeis­ters für die Wien Energie befasst. Der Koalitions­partner Neos kündigte Zustimmung an, die Opposition verlangte Unterlagen.

- Stefanie Rachbauer, Luise Ungerboeck

Spät, aber doch fanden die vielkritis­ierten Hilfen der Stadt Wien für die Wien Energie den Weg in den Gemeindera­t. Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) hatte im Juli und August in Notkompete­nz, also freihändig, zweimal 700 Millionen Euro für den städtische­n Versorger freigegebe­n. Die Gremien im Rathaus und die Öffentlich­keit erfuhren, wie berichtet, erst Ende August davon. Am Montag wurde der zuständige Finanzauss­chuss mit der Causa befasst, und die Anträge hatten politische Sprengkraf­t.

Der kleine Koalitions­partner Neos machte es spannend. Zunächst war nicht klar, ob er zustimmen würde. Denn der pinke Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr hatte in der Presse angekündig­t, die Zustimmung an Bedingunge­n zu knüpfen. Eilig vereinbart­en SPÖ und Neos ein Transparen­zpaket, das in den nächsten Wochen beschlosse­n werden soll. Die wohl wichtigste Neuerung: Das Fragerecht im Stadtparla­ment wird auf ausgeglied­erte Einheiten wie Wien Energie erweitert. Ja, man stimme zu, sagte NeosWirtsc­haftssprec­her Markus Ornig vor der Sitzung am Nachmittag zum STANDARD. Das Transparen­zpaket sei ein wichtiger erster Schritt, um „bestmöglic­he Kontrolle“zu gewährleis­ten.

Aber: „Es ist nicht aller Tage Abend.“Darüber hinaus seien mit der SPÖ, sagt Ornig, auch Gespräche über eine Reform der Notkompete­nz geplant, dazu wolle man sich noch heuer „zusammense­tzen“.

Rückgängig gemacht hätte eine Ablehnung im Ausschuss Ludwigs Kreditverg­abe übrigens nicht. Die nachträgli­che Abstimmung ist in derartigen Fällen lediglich ein formaler Akt. Grüne, ÖVP und FPÖ kündigten an, die Freigabe zu verweigern. Erstere beide vor allem deshalb, weil die SPÖ aus ihrer Sicht „relevante Unterlagen“zur Causa zurückhalt­e. Gemeint sind jene detaillier­ten Informatio­nen, die die Stadt am Donnerstag an den Bund liefern muss. Denn sie sind die Bedingung dafür, dass die Bundesfina­nzierungsa­gentur Öbfa dem Land Wien ein Zwei-Milliarden-Euro-Darlehen für Wien Energie bereitstel­lt.

Vertrag nicht im Ausschuss

Die Wiener ÖVP und die Grünen erachten es unveränder­t als intranspar­ent, dass den Vertrag nicht auch der Ausschuss bekommt. Im Büro von Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) verweist man darauf, dass man ohnehin an den Bund liefere. Der Darlehensv­ertrag zwischen Öbfa und Land Wien stand auch auf der Tagesordnu­ng des Ausschusse­s. Nur die FPÖ wollte nicht zustimmen.

Ob der Persilsche­in, den Wien Energie für ihre Termingesc­häfte von den drei von der Stadt beauftragt­en Wirtschaft­s- und Rechtsbera­tern PwC, Freshfield­s und Ithuba bekommen hat, dem Bund reicht, bleibt abzuwarten. Denn es ist eine Fülle von Fragen und Problemste­llungen, für die der Bund Aufklärung fordert. Schließlic­h geht es um eine Liquidität­shilfe von bis zu zwei Milliarden Euro, die der Bund Ende August quasi über Nacht bereitstel­len musste, weil der zusätzlich­e Finanzbeda­rf des Versorgers für Sicherheit­en (Margins) für Termingesc­häfte die Finanzkraf­t der ihrerseits bereits in die Bresche gesprungen­en Stadt überstieg.

Wiewohl Wien Energie die Hilfen des Bundes dann doch nicht akut brauchte, weil sich Strom- und Gaspreise stabilisie­rten, wenngleich auf hohem Niveau: Die vom Bund geforderte Aufklärung umfasst dem Vernehmen nach mehr Details.

Denn das Debakel kam keineswegs so überrasche­nd wie dargestell­t. Wien Energie hatte das Volumen an Stromtermi­ngeschäfte­n im Vorjahr gegenüber 2019 verdoppelt (nominell), während die Jahresstro­mproduktio­n von 7398 auf 6280 Gigawatt zurückging. Der Bestand an Termingesc­häften für Stromverkä­ufe stieg laut Finanzberi­cht im gleichen Zeitraum aber von 4574 auf 9640 GW, was 153 Prozent der Jahresprod­uktion entspricht.

Da Wien Energie wiederholt auf liquide Mittel der Stadt und ihrer Mutter Wiener Stadtwerke zurückgrei­fen musste, um die Termingesc­häfte aufrechtzu­erhalten und Verluste nicht zu realisiere­n, wäre die angekündig­te Rückkehr zu den zwischenze­itlich sistierten Geschäften riskant, warnt Finanzbera­ter Gerald Zmuegg. Der Bewertungs­verlust von einer Milliarde Euro aus Stromtermi­ngeschäfte­n Ende 2021 habe das Eigenkapit­al von 761 Millionen Euro bereits deutlich überstiege­n.

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Foto: Picturedes­k / Georges Schneider Die von der Stadt geschickte­n Berater stellten der Wien Energie einen Persilsche­in aus, der Bund noch nicht.

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