Betriebe erhalten zwischen 300 Euro und 50 Millionen
Regeln für Energiekostenzuschuss: Keine Heizung im Freien, keine Nachtbeleuchtung
Wien – Die Regierung hat am Mittwoch die Details zu dem lange erwarteten Hilfspaket präsentiert, mit dem der Staat Unternehmen wegen der stark gestiegenen Energiekosten unter die Arme greifen wird. Insgesamt werden Betriebe mit bis zu 1,3 Milliarden Euro gefördert. Betriebe, deren Energiekosten mindestens drei Prozent ihres Umsatzes betragen, können den Zuschuss ab Mitte November beantragen – das Geld soll noch heuer fließen. Gefördert wird nur, wer auf Heizschwammerln und Geschäftsbeleuchtung in der Nacht ab 22 Uhr verzichtet. Das waren Forderungen der Grünen.
Die Hilfen gibt es insgesamt in vier unterschiedlichen Stufen, wobei die Vergabevorschriften je nach Zuschusshöhe mehr oder weniger streng sind. Ab einer Beihilfe von zwei Millionen Euro muss der Betrieb nachweisen, dass ihm wegen der gestiegenen Energiekosten ein Verlust droht. Bei Beihilfen unter zwei Millionen Euro gibt es keine solche Vorgabe.
Maximal können bis zu 50 Millionen Euro bezahlt werden, als Untergrenze der Förderungen für Kleinstbetriebe gibt es 300 Euro.
Die Reaktionen auf das Paket, dessen Grundzüge bereits in einem Gesetz aus dem Juli verankert wurden, fielen erwartungsgemäß sehr unterschiedlich aus. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben die von der Regierung beschlossene Aufstockung des Energiekostenzuschusses als richtiges Signal begrüßt – sie wünschen sich aber noch mehr Geld für die Unternehmen und einen längeren Förderungszeitraum. Die SPÖ sprach davon, dass die Förderung zu spät komme und reine Symptombekämpfung sei.
Es ist fast fertig, so gut wie fertig – doch noch nicht fertig. Seit Wochen ringen inzwischen Grüne und ÖVP um eine gemeinsame Linie bei den Unternehmenshilfen, mit denen Betriebe von den stark gestiegenen Kosten für Strom, Gas und Sprit entlastet werden sollen.
Am Mittwoch ist der Koalition aber eine Einigung gelungen, die nach dem Ministerrat präsentiert wurde: Insgesamt 1,3 Milliarden Euro wird der Staat Unternehmen bereitstellen. Unternehmen, deren Energiekosten mindestens drei Prozent des Produktionswerts oder Umsatzes ausmachen, können Förderanträge stellen – sowie kleinere Betriebe mit einem maximalen Jahresumsatz bis zu 700.000 Euro auch dann, wenn sie dieses Kriterium nicht erfüllen. Gefördert werden Energierechnungen zwischen Februar 2022 und September 2023, wobei es Zuschüsse in vier Stufen gibt. Und: Die Grünen haben sich mit einem Teil ihrer Forderungen durchgesetzt. Für Betriebe, die um Hilfen ansuchen, wird es einige Auflagen zum Energiesparen geben.
Die gesetzlichen Grundlagen für das Paket sind eigentlich bereits im Juli geschaffen worden mit dem Unternehmensenergiekostenzuschussgesetz. Dieses regelt bereits grundsätzlich, dass der Staat Unternehmen Hilfe leisten kann – überließ die konkrete Ausgestaltung allerdings dem ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium, das dafür Einvernehmen mit dem grünen Klimaministerium herstellen musste.
Konkret geeinigt hat sich die Koalition auf diese Richtlinien plus eine Anhebung des Beihilferahmens auf 1,3 Milliarden Euro, das Gesetz vom Juli sah eine Obergrenze von 450 Millionen vor.
Konkret sieht das Modell vor, dass in einer ersten Stufe Zuschüsse für Strom, Gas und auch Sprit ausbezahlt werden. Hier übernimmt der Staat 30 Prozent der zusätzlich angefallenen Kosten im Vergleich zum Vorjahr. Die Obergrenze des Zuschusses beträgt in dieser Stufe 400.000 Euro.
In der zweiten Stufe ist eine weitere Voraussetzung, dass sich die Kosten für Strom und Gas verdoppelt haben. In diesem Fall werden maximal 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs mit maximal 30 Prozent gefördert. Hier gibt es keine Zuschüsse mehr für Treibstoff, dafür ist in Stufe zwei die Förderobergrenze mit bis zu zwei Millionen Euro deutlich höher.
Bis zu 50 Millionen Euro
In Stufe drei müssen Betriebe zusätzlich zu übrigen Voraussetzungen einen Betriebsverlust nachweisen, hier können maximal bis zu 25 Millionen Euro zugeschossen werden. Stufe vier gilt nur noch für wenige Branchen wie Stahlhersteller, wo es maximal 50 Millionen Euro Beihilfen gibt.
Zu den Auflagen, die Unternehmen im Gegenzug für Steuergeld erfüllen müssen, gehört, dass Außenbeheizungen untersagt werden, sie dürfen nicht eingeschaltet sein. Auch die Beheizung von Skiliften fällt heuer damit flach. Dazu kommt die Vorgabe, dass Türen zum Kundenbereich geschlossen bleiben müssen. Und: Die Beleuchtung für Geschäftslokale und Geschäftsflächen muss zwischen 22 und sechs Uhr ausgeschaltet werden. All das gilt nicht für alle Unternehmen, sondern nur jene, die sich fördern lassen.
Die Grünen hatten zunächst gefordert, dass sich Unternehmen hier entscheiden müssen, ob sie die Förderung wollen oder ihre Flutlichtanlage ohne Zeitbegrenzung betreiben wollen. Mit diesem Wunsch konnten sie sich nicht durchsetzen.
Boni an Vorstände von Unternehmen, die um Hilfe ansuchen, werden beschränkt: So darf maximal der halbe Bonus aus dem Geschäftsjahr vor Förderantrag ausbezahlt werden, wenn der Zuschuss an den Betrieb bei über 100.000 Euro liegt.
Abgewickelt wird die Förderung von der AWS, der Förderbank des Bundes. Unternehmer müssen sich dort registrieren – ab Ende Oktober bis Mitte November. Aufgabe der AWS wird auch sein zu kontrollieren, ob sich Unternehmen an die Auflagen halten. Wie das genau gehen soll, ist allerdings unklar, die AWS ist eine Bank und keine staatliche Behörde, sie hat aktuell 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Förderungen an Betriebe sollen diesmal ab einem Betrag von 10.000 Euro gleich veröffentlicht werden.
Grundsätzlich gilt bei den Förderungen eine Untergrenze von 2000 Euro, wenn die abgedeckte Kostensteigerung darunter liegt, gibt es kein Geld. Für Kleinstbetriebe soll eine pauschale Bezuschussung kommen, hier werden als Untergrenze 300 Euro definiert. Den Richtlinien muss noch die EU-Kommission ihre Zustimmung erteilen.
Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben die von der Regierung beschlossene Aufstockung des Energiekostenzuschusses als richtiges Signal begrüßt – sie wünschen sich aber noch mehr Geld für die Unternehmen und einen längeren Förderungszeitraum. Der wirtschaftsliberale Thintank Agenda Austria warnte vor Überförderungen.
In der Corona-Pandemie ist es in Österreich zur Gewohnheit geworden, dass so gut wie alle irgendeine Form der Staatshilfe bekommen. Die türkisgrüne Regierung führt diese Tradition weiter. Am Mittwoch hat die Koalition ihr Hilfspaket für Unternehmen präsentiert: Insgesamt 1,3 Milliarden Euro erhalten Betriebe an Zuschüssen zu ihren gestiegenen Energiekosten.
Die Einigung zwischen ÖVP und Grünen hat lang gedauert, weil die Grünen zu Recht einige Energiesparauflagen durchgesetzt haben – wie etwa, dass Unternehmen ihre Außenbereiche nicht erwärmen dürfen. In einer Energiekrise den Einsatz von Heizpilzen und Heizschwammerln zu bezuschussen wäre an Abstrusität kaum zu überbieten gewesen. Diese Auflagen zählen somit auch zu den Lichtblicken im Hilfspaket.
Zu den Schattenseiten gehört die Ausgestaltung eines Teils der Förderungen: Wie schon in der Pandemie wird wieder mit der Gießkanne gearbeitet, und wieder ist nicht ganz klar, welches Ziel die Regierung hier verfolgt.
Zunächst ist es sinnvoll, dass die Regierung etwas tut. Die Preise für Strom und Gas werden nicht ewig so hoch bleiben wie derzeit, aber in den kommenden Monaten kämpfen viele Betriebe mit einer Vervierfachung ihrer Gas- und der Verdoppelung der Strompreise. Den Bäcker ums Eck in dieser Situation eingehen zu lassen macht keinen Sinn. Eine Pleitewelle würde eine Rezession auslösen und Zehntausende arbeitslos machen. Das will niemand.
Allerdings muss die Frage erlaubt sein, warum es in Österreich immer Zuschüsse sein müssen. Der Staat könnte günstige Überbrückungskredite gewähren, die über viele Jahre zurückbezahlt werden müssen. Das wäre günstiger für den Staat und würde ebenso verhindern, dass ansonsten gesunde Betrieb aus dem Markt ausscheiden müssen.
Aber das ist noch nicht einmal der größte Konstruktionsfehler im Paket. Dieser liegt in der fehlenden Zielgenauigkeit. Die Inflation in Österreich ist deswegen so hoch, weil die allermeisten Betriebe ihre gestiegenen Kosten voll oder teilweise an Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Der Bäcker hat die Semmeln verteuert, der Wirt seine Speisen, der Hotelier seine Zimmer. Sie alle wälzen ihre Preise auf die Kunden über – etwas, was Haushalte nicht können. Das ist kein Vorwurf. Unternehmen müssen das tun in einer Marktwirtschaft. Aber der Staat muss das nicht bezuschussen.
Große Betriebe, die mehr als zwei Millionen Euro an Energiehilfen beantragen, müssen nachweisen, dass ihnen ein Verlust droht. Eine sinnvolle Regel, vorgegeben von der EU. Bei Förderungen bis zu zwei Millionen Euro bedarf es eines solchen Nachweises dagegen nicht. Somit ist in den Förderrichtlinien de facto festgehalten, dass auch Betriebe mit guter Gewinnlage mit Steuergeld bedacht werden können. Das ist unverständlich: Es gibt in einer Marktwirtschaft kein Recht darauf, dass der Staat jedes unternehmerische Risiko abnimmt. In Erwartung dieser Hilfen hat übrigens WifoChef Gabriel Felbermayr von einer „Vollkasko-Mentalität“in Österreich gesprochen. Er trifft einen wunden Punkt.
Das Problem ist nicht, dass sich der Staat die 1,3 Milliarden Euro nicht leisten kann. Er kann. Aber Tatsache ist, dass in anderen Bereichen jeder Euro dreimal umgedreht wird, wie in Bildung und Pflege. Wenn es um Unternehmenshilfen geht, fällt der Regierung das Geldausgeben leicht. Das sind falsche Prioritäten.