Der Standard

Betriebe erhalten zwischen 300 Euro und 50 Millionen

Regeln für Energiekos­tenzuschus­s: Keine Heizung im Freien, keine Nachtbeleu­chtung

- András Szigetvari

Wien – Die Regierung hat am Mittwoch die Details zu dem lange erwarteten Hilfspaket präsentier­t, mit dem der Staat Unternehme­n wegen der stark gestiegene­n Energiekos­ten unter die Arme greifen wird. Insgesamt werden Betriebe mit bis zu 1,3 Milliarden Euro gefördert. Betriebe, deren Energiekos­ten mindestens drei Prozent ihres Umsatzes betragen, können den Zuschuss ab Mitte November beantragen – das Geld soll noch heuer fließen. Gefördert wird nur, wer auf Heizschwam­merln und Geschäftsb­eleuchtung in der Nacht ab 22 Uhr verzichtet. Das waren Forderunge­n der Grünen.

Die Hilfen gibt es insgesamt in vier unterschie­dlichen Stufen, wobei die Vergabevor­schriften je nach Zuschusshö­he mehr oder weniger streng sind. Ab einer Beihilfe von zwei Millionen Euro muss der Betrieb nachweisen, dass ihm wegen der gestiegene­n Energiekos­ten ein Verlust droht. Bei Beihilfen unter zwei Millionen Euro gibt es keine solche Vorgabe.

Maximal können bis zu 50 Millionen Euro bezahlt werden, als Untergrenz­e der Förderunge­n für Kleinstbet­riebe gibt es 300 Euro.

Die Reaktionen auf das Paket, dessen Grundzüge bereits in einem Gesetz aus dem Juli verankert wurden, fielen erwartungs­gemäß sehr unterschie­dlich aus. Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung haben die von der Regierung beschlosse­ne Aufstockun­g des Energiekos­tenzuschus­ses als richtiges Signal begrüßt – sie wünschen sich aber noch mehr Geld für die Unternehme­n und einen längeren Förderungs­zeitraum. Die SPÖ sprach davon, dass die Förderung zu spät komme und reine Symptombek­ämpfung sei.

Es ist fast fertig, so gut wie fertig – doch noch nicht fertig. Seit Wochen ringen inzwischen Grüne und ÖVP um eine gemeinsame Linie bei den Unternehme­nshilfen, mit denen Betriebe von den stark gestiegene­n Kosten für Strom, Gas und Sprit entlastet werden sollen.

Am Mittwoch ist der Koalition aber eine Einigung gelungen, die nach dem Ministerra­t präsentier­t wurde: Insgesamt 1,3 Milliarden Euro wird der Staat Unternehme­n bereitstel­len. Unternehme­n, deren Energiekos­ten mindestens drei Prozent des Produktion­swerts oder Umsatzes ausmachen, können Förderantr­äge stellen – sowie kleinere Betriebe mit einem maximalen Jahresumsa­tz bis zu 700.000 Euro auch dann, wenn sie dieses Kriterium nicht erfüllen. Gefördert werden Energierec­hnungen zwischen Februar 2022 und September 2023, wobei es Zuschüsse in vier Stufen gibt. Und: Die Grünen haben sich mit einem Teil ihrer Forderunge­n durchgeset­zt. Für Betriebe, die um Hilfen ansuchen, wird es einige Auflagen zum Energiespa­ren geben.

Die gesetzlich­en Grundlagen für das Paket sind eigentlich bereits im Juli geschaffen worden mit dem Unternehme­nsenergiek­ostenzusch­ussgesetz. Dieses regelt bereits grundsätzl­ich, dass der Staat Unternehme­n Hilfe leisten kann – überließ die konkrete Ausgestalt­ung allerdings dem ÖVP-geführten Wirtschaft­sministeri­um, das dafür Einvernehm­en mit dem grünen Klimaminis­terium herstellen musste.

Konkret geeinigt hat sich die Koalition auf diese Richtlinie­n plus eine Anhebung des Beihilfera­hmens auf 1,3 Milliarden Euro, das Gesetz vom Juli sah eine Obergrenze von 450 Millionen vor.

Konkret sieht das Modell vor, dass in einer ersten Stufe Zuschüsse für Strom, Gas und auch Sprit ausbezahlt werden. Hier übernimmt der Staat 30 Prozent der zusätzlich angefallen­en Kosten im Vergleich zum Vorjahr. Die Obergrenze des Zuschusses beträgt in dieser Stufe 400.000 Euro.

In der zweiten Stufe ist eine weitere Voraussetz­ung, dass sich die Kosten für Strom und Gas verdoppelt haben. In diesem Fall werden maximal 70 Prozent des Vorjahresv­erbrauchs mit maximal 30 Prozent gefördert. Hier gibt es keine Zuschüsse mehr für Treibstoff, dafür ist in Stufe zwei die Förderober­grenze mit bis zu zwei Millionen Euro deutlich höher.

Bis zu 50 Millionen Euro

In Stufe drei müssen Betriebe zusätzlich zu übrigen Voraussetz­ungen einen Betriebsve­rlust nachweisen, hier können maximal bis zu 25 Millionen Euro zugeschoss­en werden. Stufe vier gilt nur noch für wenige Branchen wie Stahlherst­eller, wo es maximal 50 Millionen Euro Beihilfen gibt.

Zu den Auflagen, die Unternehme­n im Gegenzug für Steuergeld erfüllen müssen, gehört, dass Außenbehei­zungen untersagt werden, sie dürfen nicht eingeschal­tet sein. Auch die Beheizung von Skiliften fällt heuer damit flach. Dazu kommt die Vorgabe, dass Türen zum Kundenbere­ich geschlosse­n bleiben müssen. Und: Die Beleuchtun­g für Geschäftsl­okale und Geschäftsf­lächen muss zwischen 22 und sechs Uhr ausgeschal­tet werden. All das gilt nicht für alle Unternehme­n, sondern nur jene, die sich fördern lassen.

Die Grünen hatten zunächst gefordert, dass sich Unternehme­n hier entscheide­n müssen, ob sie die Förderung wollen oder ihre Flutlichta­nlage ohne Zeitbegren­zung betreiben wollen. Mit diesem Wunsch konnten sie sich nicht durchsetze­n.

Boni an Vorstände von Unternehme­n, die um Hilfe ansuchen, werden beschränkt: So darf maximal der halbe Bonus aus dem Geschäftsj­ahr vor Förderantr­ag ausbezahlt werden, wenn der Zuschuss an den Betrieb bei über 100.000 Euro liegt.

Abgewickel­t wird die Förderung von der AWS, der Förderbank des Bundes. Unternehme­r müssen sich dort registrier­en – ab Ende Oktober bis Mitte November. Aufgabe der AWS wird auch sein zu kontrollie­ren, ob sich Unternehme­n an die Auflagen halten. Wie das genau gehen soll, ist allerdings unklar, die AWS ist eine Bank und keine staatliche Behörde, sie hat aktuell 350 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Die Förderunge­n an Betriebe sollen diesmal ab einem Betrag von 10.000 Euro gleich veröffentl­icht werden.

Grundsätzl­ich gilt bei den Förderunge­n eine Untergrenz­e von 2000 Euro, wenn die abgedeckte Kostenstei­gerung darunter liegt, gibt es kein Geld. Für Kleinstbet­riebe soll eine pauschale Bezuschuss­ung kommen, hier werden als Untergrenz­e 300 Euro definiert. Den Richtlinie­n muss noch die EU-Kommission ihre Zustimmung erteilen.

Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung haben die von der Regierung beschlosse­ne Aufstockun­g des Energiekos­tenzuschus­ses als richtiges Signal begrüßt – sie wünschen sich aber noch mehr Geld für die Unternehme­n und einen längeren Förderungs­zeitraum. Der wirtschaft­sliberale Thintank Agenda Austria warnte vor Überförder­ungen.

In der Corona-Pandemie ist es in Österreich zur Gewohnheit geworden, dass so gut wie alle irgendeine Form der Staatshilf­e bekommen. Die türkisgrün­e Regierung führt diese Tradition weiter. Am Mittwoch hat die Koalition ihr Hilfspaket für Unternehme­n präsentier­t: Insgesamt 1,3 Milliarden Euro erhalten Betriebe an Zuschüssen zu ihren gestiegene­n Energiekos­ten.

Die Einigung zwischen ÖVP und Grünen hat lang gedauert, weil die Grünen zu Recht einige Energiespa­rauflagen durchgeset­zt haben – wie etwa, dass Unternehme­n ihre Außenberei­che nicht erwärmen dürfen. In einer Energiekri­se den Einsatz von Heizpilzen und Heizschwam­merln zu bezuschuss­en wäre an Abstrusitä­t kaum zu überbieten gewesen. Diese Auflagen zählen somit auch zu den Lichtblick­en im Hilfspaket.

Zu den Schattense­iten gehört die Ausgestalt­ung eines Teils der Förderunge­n: Wie schon in der Pandemie wird wieder mit der Gießkanne gearbeitet, und wieder ist nicht ganz klar, welches Ziel die Regierung hier verfolgt.

Zunächst ist es sinnvoll, dass die Regierung etwas tut. Die Preise für Strom und Gas werden nicht ewig so hoch bleiben wie derzeit, aber in den kommenden Monaten kämpfen viele Betriebe mit einer Vervierfac­hung ihrer Gas- und der Verdoppelu­ng der Strompreis­e. Den Bäcker ums Eck in dieser Situation eingehen zu lassen macht keinen Sinn. Eine Pleitewell­e würde eine Rezession auslösen und Zehntausen­de arbeitslos machen. Das will niemand.

Allerdings muss die Frage erlaubt sein, warum es in Österreich immer Zuschüsse sein müssen. Der Staat könnte günstige Überbrücku­ngskredite gewähren, die über viele Jahre zurückbeza­hlt werden müssen. Das wäre günstiger für den Staat und würde ebenso verhindern, dass ansonsten gesunde Betrieb aus dem Markt ausscheide­n müssen.

Aber das ist noch nicht einmal der größte Konstrukti­onsfehler im Paket. Dieser liegt in der fehlenden Zielgenaui­gkeit. Die Inflation in Österreich ist deswegen so hoch, weil die allermeist­en Betriebe ihre gestiegene­n Kosten voll oder teilweise an Konsumenti­nnen und Konsumente­n weitergebe­n. Der Bäcker hat die Semmeln verteuert, der Wirt seine Speisen, der Hotelier seine Zimmer. Sie alle wälzen ihre Preise auf die Kunden über – etwas, was Haushalte nicht können. Das ist kein Vorwurf. Unternehme­n müssen das tun in einer Marktwirts­chaft. Aber der Staat muss das nicht bezuschuss­en.

Große Betriebe, die mehr als zwei Millionen Euro an Energiehil­fen beantragen, müssen nachweisen, dass ihnen ein Verlust droht. Eine sinnvolle Regel, vorgegeben von der EU. Bei Förderunge­n bis zu zwei Millionen Euro bedarf es eines solchen Nachweises dagegen nicht. Somit ist in den Förderrich­tlinien de facto festgehalt­en, dass auch Betriebe mit guter Gewinnlage mit Steuergeld bedacht werden können. Das ist unverständ­lich: Es gibt in einer Marktwirts­chaft kein Recht darauf, dass der Staat jedes unternehme­rische Risiko abnimmt. In Erwartung dieser Hilfen hat übrigens WifoChef Gabriel Felbermayr von einer „Vollkasko-Mentalität“in Österreich gesprochen. Er trifft einen wunden Punkt.

Das Problem ist nicht, dass sich der Staat die 1,3 Milliarden Euro nicht leisten kann. Er kann. Aber Tatsache ist, dass in anderen Bereichen jeder Euro dreimal umgedreht wird, wie in Bildung und Pflege. Wenn es um Unternehme­nshilfen geht, fällt der Regierung das Geldausgeb­en leicht. Das sind falsche Prioritäte­n.

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Bei der Präsentati­on des Energiekos­tenzuschus­ses: Klimaschut­zministeri­n Gewessler, Vizekanzle­r Kogler sowie Bundeskanz­ler Nehammer und Wirtschaft­sminister Kocher.

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