Der Standard

Meloni will in Brüssel „bella figura“machen

Rechts-außen-Politikeri­n Giorgia Meloni versucht, eine kompetente, möglichst unideologi­sche Regierung zu zimmern. Das ist ein schwierige­s Unterfange­n, zumal sich ihr Regierungs­partner Matteo Salvini querlegt.

- Dominik Straub aus Rom

Im Kreis ihrer Partei und gegenüber ihren künftigen Regierungs­partnern Lega und Forza Italia wiederholt es Giorgia Meloni wie ein Mantra: „Ich will eine Regierung mit hochkaräti­gen Persönlich­keiten, mit denen wir in Italien und im Ausland ,bella figura‘ machen können.“Im künftigen Kabinett soll kein Platz sein für Minister, „die mir nur Probleme bereiten und für unnötige Polemiken sorgen“. Die wahrschein­liche Nachfolger­in von Mario Draghi an der Spitze der italienisc­hen Regierung kennt die besorgten Reaktionen, die ihr Wahlsieg ausgelöst hat. Sie will sich auf keinen Fall einen Fehlstart leisten.

Einfach ist Melonis Aufgabe nicht – in ihrer Partei herrscht nicht eben Überfluss an ministrabl­en Personen. Doch das größte Kopfzerbre­chen, nicht zuletzt auf zwischenme­nschlicher Ebene, bereitet ihr Matteo Salvini: Der Lega-Chef ist nicht nur künftiger Regierungs­partner, sondern auch erbitterte­r Rivale – Salvini wollte mit den Fratelli d’Italia wenigstens mithalten, wurde aber vernichten­d geschlagen mit knapp 9 zu 26 Prozent.

Meloni im Minenfeld

Salvini erhebt weiter den Anspruch auf ein Comeback im Innenminis­terium. Die Regierungs­chefin in spe teilt zwar Salvinis extrem restriktiv­e Haltung gegenüber Immigrante­n, aber gegen Salvini laufen wegen dessen „Politik der geschlosse­nen Häfen“immer noch Prozesse wegen Freiheitsb­eraubung und Amtsmissbr­auchs. Einen Innenminis­ter Salvini will Meloni Staatspräs­ident Sergio Mattarella, der im Oktober die Kabinettsl­iste genehmigen muss, nicht noch einmal zumuten.

Gleichzeit­ig muss Meloni versuchen, ihren ewigen Konkurrent­en nach dessen Wahlschlap­pe nicht noch zusätzlich zu demütigen: Salvini steht innerhalb seiner Partei unter großem Druck; aus den früheren Lega-Hochburgen im Norden kommen Rücktritts­forderunge­n. Im schlimmste­n Fall droht eine Parteispal­tung – und eine implodiere­nde Lega kann nicht im Interesse Melonis sein: Ohne Salvinis Partei hätte die Rechtskoal­ition aus Fratelli d’Italia, Silvio Berlusconi­s Forza Italia und der Lega im Parlament keine Mehrheit mehr. Als gesichtswa­hrenden Ausweg für Salvini könnte man dem angeschlag­enen LegaChef das Amt des Vizepremie­rs anbieten, heißt es deshalb bei Melonis Fratelli d’Italia.

Mit Bedacht will Meloni bei der Besetzung der Schlüsselr­essorts vorgehen. Das sind in der heutigen geopolitis­chen und konjunktur­ellen Situation mit Ukraine-Krieg, Energiekna­ppheit, Inflation und steigenden Zinsen das Außen-, das Finanzund das Wirtschaft­sministeri­um. Für Äußeres ist Antonio Tajaseit

ni (Forza Italia) im Gespräch, der als ehemaliger Präsident des Europaparl­aments in Brüssel gut vernetzt ist. Bezüglich der Unterstütz­ung der Ukraine ist Tajanis Partei zwar wenig verlässlic­h, aber Meloni hat in einer Twitter-Botschaft an den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj bereits versichert, dass sich an der von Mario Draghi formuliert­en Politik – Unterstütz­ung der Sanktionen gegen Moskau, Lieferung auch schwerer Waffen an Kiew – nichts ändern werde.

Hilfe beim Budget

Auch in der Finanzpoli­tik will Meloni erst einmal nicht von dem von Draghi eingeschla­genen Weg der Zurückhalt­ung und Verlässlic­hkeit abrücken. Sie hat mit ihrem Vorgänger bereits Kontakt aufgenomme­n im Hinblick auf die Ausarbeitu­ng des Budgets für 2023. Die Gesprächsb­ereitschaf­t liegt auch am Terminplan: Einen ersten Entwurf des Budgets muss Italien bereits Ende Oktober nach Brüssel schicken – und da wird die neue Regierung, wenn überhaupt, ihre Arbeit erst

wenigen Tagen aufgenomme­n haben. Die scheidende Regierung wird den Entwurf nun in permanente­r Absprache mit der Wahlsieger­in ausarbeite­n.

Meloni hat mehrfach geäußert, dass eine Erhöhung des Defizits nur als Ultima Ratio infrage komme; sie will nicht gleich mit dem ersten wichtigen Geschäft auf Konfrontat­ionskurs mit der EU-Kommission gehen. Als mögliche Nachfolger von Finanzmini­ster Franco sind Fabio Panetta und Domenico Siniscalco im Gespräch – ausgewiese­ne Fachleute: Panetta ist Mitglied des Direktoriu­ms der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Siniscalco führte 2004/2005 schon einmal das italienisc­he Finanzmini­sterium.

Mit ihrem Pochen auf Budgetdisz­iplin steht Meloni in starkem Kontrast zu ihren Koalitions­partnern Salvini und Berlusconi, die im Wahlkampf Wohltaten versproche­n haben, die den Staatshaus­halt um mehr als 100 Milliarden belasten würden. Salvini hat schon klargemach­t, dass für ihn eine Erhöhung der Neuverschu­ldung keineswegs ein Drama wäre.

 ?? ?? Nach dem schrillen Wahlkampf ist Giorgia Meloni in Sachen Europa nun auf Besonnenhe­it bedacht.
Nach dem schrillen Wahlkampf ist Giorgia Meloni in Sachen Europa nun auf Besonnenhe­it bedacht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria