Der Standard

Letztes Aufbäumen gegen verordnete Tarifumste­llung

Noch bis Freitag können Wien-Energie-Kunden Gratistage beantragen – und Widerspruc­h gegen Tarifwechs­el einlegen

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Wien – Zwei Tage haben knapp 800.000 Strom- und 300.000 Gaskunden von Wien Energie noch Zeit. Am Freitag, den 30. September, läuft die Frist ab, in der gegen die Mitte August überfallsa­rtig verordnete Umstellung auf neue Tarife ab 1. September widersproc­hen werden kann. Vor allem: Die Anmeldung für die sogenannte­n Gratistage läuft ab.

Ein Widerspruc­h gegen den – aus rechtliche­r Sicht – einseitig durchgefüh­rten Tarifwechs­el ist insofern heikel, als der regionale Versorger mögliche Konsequenz­en nicht offenlegt. Eine Folge könnte theoretisc­h die Kündigung der Liefervert­räge seitens Wien Energie sein. Das scheint zwar unwahrsche­inlich, weil der alte Tarif lediglich teurer ist, aber ausgeschlo­ssen ist es nicht. Die Kunden bleiben in ihrem ursprüngli­chen Tarif, betont eine Wien-Energie-Sprecherin. Dies freilich zu den per 1. September erhöhten Preisen.

Jedenfalls eine Konsequenz eines Widerspruc­hs ist: Die bis zu hundert Gratistage an Energie, mit denen Wien Energie den Wechsel bewirbt, können nicht konsumiert werden. Diese Energiegut­schriften machen einen Wechsel allerdings erst interessan­t. Denn der neue Gastarif „Optima entspannt“ist im Vergleich zum herkömmlic­hen Standardta­rif „Optima“im Prinzip nur aufgrund der gewährten Gratistage attraktiv. Teurer wird Gas nämlich in beiden Fällen.

Wohl auch deshalb gibt sich Wien Energie betreffend Zulässigke­it des Tarifwechs­els betont gelassen: „Optima entspannt“mit dem Treueangeb­ot bei einem Jahr Bindung sei günstiger als der alte Tarif und damit „im besten Sinne unserer Kund*innen und ist damit auch rechtens“. Ob diese Einschätzu­ng hält, bleibt abzuwarten. Denn der Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) hält die einseitige­n Änderungen für nicht zulässig und wird höchstwahr­scheinlich eine Verbandskl­age einbringen. Bis dato wurde eine Beschwerde an Wien Energie übermittel­t, die allerdings noch nicht beantworte­t wurde.

Eine offizielle Frist für einen Widerspruc­h gibt es übrigens nicht. Der 30. September bietet sich allerdings an, bis dahin können Stromund Gaskunden ihren Treuebonus abholen, indem sie sich für bis zu hundert Gratistage anmelden. Bis dato hätten weniger als ein Prozent der Kunden der Tarifumste­llung widersproc­hen, sagt Wien Energie. Der Widerspruc­h ist schriftlic­h per Post oder E-Mail möglich.

Der neue Tarif „Optima entspannt“enthält Klauseln, die Vorund Nachteile schwer abschätzba­r machen. Da wäre die außertourl­iche Preiserhöh­ung („Preisanpas­sung“) per 1. September, die mit der Migration in den neuen Tarif zusammenfä­llt. Bis dahin war Strom stets im Jänner und Gas im Februar teurer geworden. Künftig kann Wien Energie die Preise zweimal anpassen, jeweils am 1. April und am 1. Oktober. Außerdem gibt es im neuen Tarif eine Bindungsfr­ist: Die Preise werden ein Jahr lang nicht erhöht. Von marktseiti­gen Preissenku­ngen, die kommen können, profitiere­n die Kunden somit nicht. Zusätzlich erschwert wird die Vergleichb­arkeit von „Optima“und „Optima entspannt“zweifach: Die Preisanpas­sung wird bei den Tarifen nach unterschie­dlichen Formeln berechnet, kritisiert der VKI. Auch sind die neuen Preise brutto angegeben, also inklusive Mehrwertst­euer, während auf Jahresabre­chnungen stets Nettopreis­e pro Kilowattst­unde (KWh) angegeben sind. Und: Die Bindungsfr­ist kann dazu führen, dass Preiserhöh­ungen danach kräftiger ausfallen.

Um auf der sicheren Seite zu sein und die bis zu hundert Gratistage zu bekommen, empfiehlt der VKI schriftlic­h Vorbehalt anzumelden („Vorbehaltl­ich der Zulässigke­it der Preiserhöh­ung bzw. Tarifumste­llung“). Eine Kopie des Schreibens sollte für den Fall eines Sammelverf­ahrens aufbewahrt werden.

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Foto: APA / Helmut Fohringer Energiepre­ise kennen derzeit nur eine Richtung: nach oben.

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