Der Standard

Wissenscha­ft isch lei oans

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Ich werde nicht müde, dem immer wieder gehörten Spruch „Unsere Politiker sind doch das beste Kabarett“mit dem Einwand „Das ist kein Kabarett, denn es gibt einen Unterschie­d zwischen freiwillig­er und unfreiwill­iger Komik“zu entgegnen. Dennoch muss ich zugeben: Das bloße Zitieren heimischer Spitzenpol­itiker auf Kabarettbü­hnen kann große Heiterkeit­sausbrüche im Publikum auslösen. Dies durfte ich jüngst wieder erleben, als ich eine Wortmeldun­g von Gerhard Karner – nach Ernst Strasser und Wolfgang Sobotka der dritte aus der niederöste­rreichisch­en Landespoli­tik ins Innenminis­terium abgeschobe­ne Problembär – aus einem Interview im STANDARD vorlas: „Wissenscha­ft ist das eine, Fakten sind das andere.

“Eine These von verblüffen­der Durchgekna­lltheit, aber kann es sein, dass wir die dahinterst­ehende Absicht nicht erkannt haben? Eine diesbezügl­iche Spur verdanken wir der ÖVP Tirol.

Logik und Mathematik gelten als Grundlagen der Wissenscha­ft. In der Schule lernen wir: Wenn A eine Teilmenge von B und B eine Teilmenge von C ist, ist A auch eine Teilmenge von C. Die Tiroler Volksparte­i versucht dieses Gesetz nun mit folgender Erkenntnis zu widerlegen: Die Tiroler Jungbauern­schaft ist Teil des ÖVP-Bauernbund­es, der ÖVPBauernb­und ist Teil der ÖVP, die Tiroler Jungbauern­schaft ist aber kein Teil der ÖVP. Daraus folgt das Faktum, dass die Jungbauern­schaft rund 800.000 Euro zu Unrecht kassierte Corona-Hilfe nicht zurückzahl­en will.

Und das ist nicht die einzige Auflehnung gegen Paradigmen der Wissenscha­ft bei den Tiroler Schwarzen. Als Rebell gegen Gesetze der Mengenlehr­e hat sich auch der an sich vielen Gesetzen gegenüber skeptische Seilbahnen­Pate Franz Hörl profiliert. Seine in einem TV-Interview vorgebrach­te These „Wir regieren seit dem Zweiten Weltkrieg dieses Land. Uns gehört die Tiwag, uns gehört die Wohnbauför­derung, uns gehört die Hypo-Bank“stellt die bisher vorherrsch­ende Lehrmeinun­g, die ÖVP sei ein Teil von Tirol, infrage und die Möglichkei­t, dass es sich genau umgekehrt verhält, in den Raum.

Auch der zweitmächt­igste Mann im Bundesland, Anton Mattle, versuchte sich an neuartigen wissenscha­ftlichen Zugängen. Seine in vielen Wahlreden vorgetrage­ne Erkenntnis, seine Befähigung für das Amt des Landeshaup­tmannes sei durch seine Fähigkeit, „ein Eis wie ein normaler Mensch zu essen“, bewiesen, hat er allerdings durch die Ergänzung, er würde sein Eis löffeln, angreifbar gemacht.

Die auf diese Art vom „normalen Menschsein“ausgenomme­nen Eisschleck­er könnten sich diskrimini­ert gefühlt und das am Wahltag mit einem lautstarke­n „Schleckerb­ätsch!“zum Ausdruck gebracht haben.

Die Reaktionen der ÖVP auf das daraus resultiere­nde Wahlergebn­is („Minus 9,55 Prozentpun­kte sind ein Erfolg!“) lassen zunächst eine Fortsetzun­g des wissenscha­ftsabweise­nden Kurses vermuten. Aber das kann sich ändern. Als Konsequenz der Wahl bekommt die Tiroler Volksparte­i künftig weniger öffentlich­e Fördergeld­er. Nämlich rund 800.000 Euro weniger.

Die ÖVP-Jungbauern könnten also zur Rechtferti­gung für das Nichtzurüc­kzahlen ihrer 800.000Euro-Förderung auf die mathematis­che Theorie des Nullsummen­spiels verweisen.

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